7 Konflikte, die den Siegeszug von Big Tech aufhalten könnten

Was ist

Alphabet/Google, Apple, Facebook und Microsoft haben ihre Quartalszahlen veröffentlicht – und was für welche: Rekorde, wohin man auch blickt. Amazon legt nach unserem Redaktionsschluss nach und dürfte seine Aktionärïnnen ebenfalls erfreuen. Neben Verschwörungsgläubigen und Klopapierfabrikanten scheint es einen großen Pandemie-Gewinner zu geben: Big Tech.

Doch der Siegeszug von GAFAM muss nicht so weitergehen. In den vergangenen Tagen wurden nicht nur unvorstellbar große Gewinne verkündet. Es sind auch eine Menge potenziell bedrohlicher Konflikte neu oder wieder entflammt.

Wir versuchen in diesem Briefing, einen Überblick zu geben, ohne jeden einzelnen Punkt im Detail zu analysieren. Dafür verweisen wir auf weitergehende Berichterstattung oder unsere eigenen Analysen.

Was die Quartalszahlen sagen

  • Wir ersparen uns und dir die Analyse der genauen Zahlen. Zusammengefasst: Sie haben alle sehr viel Nullen und sind noch mal deutlich größer ausgefallen als im Vorjahr.
  • Wenn du mehr wissen willst, kannst du die Details direkt bei Alphabet, Apple, Facebook und Microsoft nachlesen.
  • Interessanter erscheinen uns die generellen Trends und einige Beobachtungen, die wir hier skizzieren wollen.
  • LinkedIn entwickelt sich zu Microsofts Cashcow: 750 Millionen Nutzerïnnen, drei Milliarden Dollar Umsatz – mehr als Snapchat, Pinterest und Twitter.
  • Das Karrierenetzwerk zusammen mit der Suchmaschine Bing lässt Microsoft allmählich zu einem echten Player auf dem Werbemarkt werden. Was lange Zeit ein Duopol aus Google und Facebook war, bei dem längst auch Amazon mitspielt, könnte künftig noch etwas umkämpfter werden.
  • Richtig spannend wäre es geworden, hätte Microsoft TikTok aufgekauft. Auch die zwischenzeitlich kolportierte Übernahme von Discord für zehn Milliarden Dollar hätte die Social-Media-Welt ordentlich durcheinander gewirbelt. Aber nur, weil die Übernahmegespräche vorerst abgebrochen wurden, heißt das nicht, dass Microsoft seine Versuche aufgegeben hat, nach LinkedIn ein weiteres soziales Netzwerk zu schlucken.
  • YouTube wächst und wächst. In den vergangenen drei Monaten hat die Video-Plattform sechs Milliarden Dollar mit Werbung umgesetzt. Wenn die Entwicklung anhält, überholt YouTube bald Netflix – bei deutlich höheren Gewinnmargen. Schließlich muss Netflix viel mehr Geld ausgeben, weil es den Großteil der Inhalte selbst produziert oder einkauft.
  • Spannender Randaspekt: YouTubes TikTok-Kopie Shorts verzeichnete bislang rund 3,5 Milliarden Video-Abrufe. Wir können diese Zahl nicht richtig einschätzen, weil uns die Vergleichswerte fehlen. Die meisten Analystïnnen halten das aber für ein Anzeichen, dass Shorts auf einem guten Weg sei, eher zu Reels als zu Lasso zu werden. Facebooks TikTok-Klon ist bekanntlich gefloppt, die Instagram-Version entwickelt sich deutlich besser.
  • Das Cloud-Geschäft boomt weiter. Microsoft und Amazon nehmen seit Jahren immer mehr Dollar mit Office365, Azure und AWS ein. Jetzt gesellt sich allmählich auch Alphabet dazu.
  • Google Cloud verbrennt zwar weiter Geld, mit knapp einer Milliarde aber deutlich weniger als vor einem Jahr. Der Umsatz von Googles Cloud-Plattform und des Workspace-Abos ist um fast die Hälfte gestiegen.
  • Lieferengpässe und Chip-Mangel haben Microsoft und vor allem Apple einige Milliarden gekostet. Insgesamt herrscht aber großer Optimismus. Vor einem Jahr klangen die CEOs bei den Earning Calls noch vorsichtig, weil sie nicht wussten, was die Pandemie für ihr Geschäft bedeutet.
  • Mittlerweile ist klar, dass die Corona-Krise für das Silicon Valley ein Glücksfall war. Der Lockdown hat die Digitalisierung beschleunigt, Menschen verbringen mehr Zeit vor Bildschirmen, viele dieser Verhaltensweisen werden von Dauer sein. Software and tech are eating the world.

Was den Siegeszug stoppen könnte

2021 muss man sich keine Hoffnung mehr machen, dass Menschen den großen Konzernen in Scharen davonlaufen, weil sie Wert auf ihre Privatsphäre, mehr Datenschutz, das freie Netz oder andere wünschenswerte, aber abstrakte Ziele legen. Eine Handvoll dominanter Unternehmen teilt die Macht unter sich auf. Alle paar Jahre kommt mal ein neuer Name dazu (TikTok), aber am Ende werden die Großen immer größer und reicher.

Doch neben den Entscheidungen der Nutzerïnnen gibt es noch andere wichtige Faktoren für den Erfolg der Tech-Konzerne: den Rahmen, den die Politik setzt, und die eskalierenden Konflikte zwischen den Unternehmen selbst.

1. Apple vs. Facebook

  • Apple hat das lange erwartete Update auf 14.5 veröffentlicht und damit auch das App Tracking Transparency Framework (ATT) scharf geschaltet.
  • Entwicklerïnnen dürfen Nutzerïnnen jetzt nicht mehr ungefragt quer durchs Netz und über Apps hinweg verfolgen. Dafür braucht es die ausdrückliche Zustimmung, die sie sich per Pop-up einholen müssen.
  • Umfragen zeigen, dass zwischen der Hälfte und zwei Drittel der Nutzerïnnen ablehnen wird. Das bedroht die Werbeerlöse vieler Unternehmen, allen voran Facebook.
  • Facebook fährt deshalb seit Monaten eine heftige Kampagne gegen Apple und versucht, kleine und mittelständische Unternehmen zu mobilisieren.
  • Es ist aber auch Facebook selbst, das sich Sorgen machen muss. Mark Zuckerberg warnte beim jüngsten Earning Call, dass ATT Facebooks Umsätze senken könnte.
  • Tatsächlich trifft Apples neue Datenschutz-Offensive die ganze Werbebranche, die Hunderte Milliarden Dollar pro Jahr umsetzt. Der Streit zwischen Apple und Facebook ist wohl auch deshalb so eskaliert, weil Zuckerberg und Tim Cook eine innige Ablehnung verbindet, die Mike Isaac und Jack Nicas kürzlich noch mal nacherzählt haben (NYT).
  • Know more: In Briefing #691 und #703 beleuchteten wir den Konflikt mitsamt seinen möglichen Folgen. Gute und aktuelle Q&As findest du bei Spiegel, SZ oder Zeit Online.

2. Spotify vs. Apple

  • Podcast waren einst eine offene Plattform: RSS-Feeds, Dutzende unterschiedliche Apps, eine Vielzahl an Hostern. Doch genau wie im Netz ziehen Unternehmen ihre Walled Gardens hoch und bauen geschlossene Ökosysteme, namentlich Apple und Spotify.
  • Ausnahmsweise könnte Apple dabei mal nicht gewinnen. Vergangene Woche wollte der Konzern mit den Apple Podcasts Subscriptions "ein neues Kapitel des Podcastings" einleiten und dabei seine gewohnte Provision auf die kostenpflichtigen Inhalte kassieren (30 Prozent im ersten Jahr, danach die Hälfte).
  • Wenige Tage später kündigte Spotify das Konkurrenzangebot an und sprach fast wortgleich von "einer neuen Ära der Podcast-Monetarisierung" – mit einem entscheidenden Zusatz: In den kommenden zwei Jahren werden alle Einnahmen an die Creator fließen, danach zweigt Spotify fünf Prozent ab.
  • Damit dürfte Spotify für viele Podcasts-Hosts, die auf ein Bezahlmodell setzen, deutlich attraktiver sein. Zudem kooperiert Spotify wohl auch mit Facebook (Vox) und will gemeinsam Möglichkeiten anbieten, um neue Podcasts zu entdecken.
  • Know more: Meike Laaff beschreibt, was die Kommerzialisierung und Plattformisierung der Podcast-Landschaft für die Szene bedeutet (Zeit Online).

3. Spotify/Epic/EU vs. Apple

  • Die Vorherrschaft auf dem Podcast-Markt ist nicht das Einzige, worum Spotify und Apple streiten. Der andere Ring, in dem sich die beiden beharken, ist deutlich größer: Es mischen noch mehr Konkurrenten mit – und obwohl Apple nicht k.o. gehen wird, könnte eine Niederlage dem Konzern schwer schaden.
  • Es geht um die Frage, ob Apple die Regeln für seinen App Store allein schreiben darf. Vergangenes Jahr eskalierte deshalb der Konflikt mit Epic Games (#660), im Februar beschwerte sich Epic bei der EU-Kommission (SZ), am 3. Mai treffen sich die beiden in einem Gerichtssaal in Kalifornien (The Verge).
  • Auch im Streit mit Spotify spielt die EU-Kommission eine wichtige Rolle. Noch diese Woche könnte die EU das Kartellverfahren gegen Apple ausweiten (Bloomberg), das Spotify vor zwei Jahren angestoßen hatte.
  • Vergangenes Jahr eröffnete Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager noch ein weiteres Verfahren, bei dem es um den Bezahldienst Apple Pay geht. In beiden Fällen steht der Vorwurf im Raum, dass Apple Konkurrenz verhindere, eigene Dienste bevorzuge und unfaire Bedingungen vorschreibe.
  • Know more: Der Kampf um die App Stores und Spieleplattformen hat gerade erst begonnen. Apple und Google verlangen 30 Prozent Provision (es gibt Ausnahmen für kleinere Entwicklerïnnen und Abos), auch im Spielebereich kassieren Sony und Valve ähnliche Anteile. Epic ruft in seinem Store dagegen nur zwölf Prozent aus – und gerade hat Microsoft angekündigt, die Provision für PC-Spiele von 30 auf zwölf Prozent zu senken (LinkedIn). Das dürfte den Druck auf Apple erhöhen und könnte den Gewinn des App Stores langfristig schmälern.

4. Everybody vs. Google

  • Mit Federated Learning of Cohorts, kurz FLoCs, will Google die Tracking-Cookies in seinem Chrome-Browser ersetzen. Doch die Technik stößt auf heftige Kritik.
  • "Everybody hates FLoC", titelte Ars Technica kürzlich. Und tatsächlich: Mit der EFF, Mozilla, Brave, Vivaldi und DuckDuckGo hat Google ernst zu nehmende Gegenspieler, die nicht mitmachen wollen. Auch WordPress (Bleeping Computer) und Github lehnen FLoCs ab, Verlage wie der Guardian sind ebenfalls skeptisch (Digiday).
  • Zugegeben: Googles Schicksal hängt nicht davon ab, ob die FLoCs ein Erfolg werden. Doch hinter der Technik steht viel mehr: Es geht um das ganze Konzept der personalisierten, programmatisch geschalteten Werbung (SZ), mit der (nicht nur) Google Milliarden verdient.
  • Know more: In Briefing #707 beschrieben wir, warum das Ende der Tracking-Cookies Googles Dominanz sogar noch stärken könnte – doch das gilt natürlich nur, wenn sich das Konzept der FLoCs durchsetzt. Der aktuelle Widerstand zeigt, dass Google die Regeln im Netz (noch) nicht allein schreiben kann.

5. USA vs. Big Tech

6. EU vs. Big Tech

7. Australia vs. Facebook/Google

  • Die letzten drei Punkte fassen wir zusammen: Alle gehen in eine ähnliche Richtung, zu jedem haben wir bereits viel geschrieben, und bei keinem gibt es eine rasend neue Entwicklung.
  • In den USA stehen den großen Tech-Konzernen vier ungemütliche Jahre bevor. Joe Biden und Kamala Harris dürften eine andere netzpolitische Agenda verfolgen als Donald Trump (#682). Bislang versammelt die neue Regierung jedenfalls mit Tim Wu, Lina Khan und Amy Klobuchar den Antitrust-Alptraum des Silicon Valleys (#709).
  • Besonders unangenehm dürfte es für Facebook werden. Zum einen gilt Biden nicht gerade als Freund von Zuckerberg (und das ist sehr zurückhaltend ausgedrückt), zum anderen laufen in den USA mehrere große Kartellklagen (#689).
  • Das ist aber nur ein Bruchteil der Klagen, Ermittlungen und Gesetzesvorhaben, die derzeit das Geschäftsmodell der Tech-Giganten bedrohen. "Die halbe Welt legt sich mit Big Tech an", schrieben wir in Briefing #691 und fassten dort unter anderem das doppelte Gesetzespaket der EU (Digital Services Act und Digital Markets Act) und Kartellklagen gegen Google zusammen.
  • Und dann gibt es da auch noch die Revolution Down Under: Mit der Drohung eines (absurden, schädlichen) Gesetzes nötigte die australische Regierung Facebook und Google dazu, Verträge mit Verlagen abzuschließen und Hunderte Millionen Dollar pro Jahr auszuschütten (#704 und #705).
  • Das können sich die beiden Konzerne locker leisten, doch mit den USA, Kanada und der EU könnten bald weitere Länder dem australischen Beispiel folgen – und dann wird es irgendwann doch teuer.
  • Klar ist jedenfalls: In fast jedem westlichen Land wollen die Regierungen dem Silicon Valley Zügel anlegen und den Plattformkapitalismus mitgestalten.

Be smart

Die sieben Punkte bilden nur einen kleinen Teil der großen Herausforderung ab, die Big Tech bevorstehen. Der "War for Talent", also der Kampf um die Kreativen, verschärft sich Monat für Monat (#699). Vor allem aber droht Konkurrenz aus China und Indien. Bislang haben die USA ihre Technik und Plattformen immer gen Osten exportiert. ByteDance hat mit TikTok gezeigt, dass Apps auch von China aus die Welt erobern können.


Social Media & Politik

Mit Blick auf die Länge der heutigen Ausgabe teilen wir an dieser Stelle nur Verweise auf News, die man im Blick behalten haben sollte:


Creator Economy

  • Geld verdienen mit Insta: Mark Zuckerberg hat eine Reihe von Tools angekündigt (CNBC), die Creatorïnnen dabei helfen sollen, Geld auf Instagram zu verdienen. Zum einen arbeitet das Unternehmen an einer Art Marktplatz, der dabei helfen soll, Creator mit Marken zu verbinden – ein Feature, das wir in Sachen Influencer-Kooperationen schon länger kennen. Zudem hat Zuckerberg erklärt, dass sie derzeit an Shop-Funktionen arbeiten, um es Creatorïnnen zu ermöglichen, Merch-Artikel zu verkaufen. Last but not least soll es einen Affiliate Marketplace geben, über den Creatorïnnen anteilig an Verkäufen mitverdienen könnten.
  • Facebooks Substack-Herausforderer: Facebook hat angekündigt, fünf Millionen Dollar bereitzustellen, um lokale Journalisten zu unterstützen, die ihre Arbeit auf Facebooks neuer „Plattform für unabhängige Autoren aufnehmen“ (#700).

Audio Boom

  • Live-Audio ist das neue Stories: Spotify-CEO Daniel Ek zeigt sich im Investoren-Call hinsichtlich des Hypes um Clubhouse pragmatisch: Live-Audio wird von jeder großen Plattform adaptiert werden – eben exakt so wie es auch mit Stories (einst bei Snapchat populär geworden) der Fall war, so seine Prognose (Techcrunch). Zitat:

It’s really no different than how you think about Stories. (…) Stories today exist on a format on a number of platforms, including Spotify, including, of course, Instagram, Snap and many others. So, I do look at live audio as a compelling feature set, and I think creators will engage in the places where they have the best sort of creator-to-fan affinity for the type of interactions that they’re looking for. And I think this is very similar to say how Stories played out historically.”


Neue Features bei den Plattformen

Facebook

  • Facebook festigt Kooperation mit Spotify: Mit dem Project Boombox (Techcrunch) bauen Facebook und Spotify die Zusammenarbeit weiter aus: Songs, die auf Spotify gehört werden, lassen sich nun direkt aus der App bei Facebook teilen. Facebook-Userïnnen können so Spotify-Songs via Miniplayer direkt in der Facebook-App hören und beim scrollen durch die App weiter laufen lassen. Die Wiedergabe läuft im Hintergrund über Spotify. Dadurch können die Songs auch weitergehört werden, wenn die Nutzerïnnen die Facebook-App verlassen.

Instagram

Twitter

YouTube

  • YouTube vereinfacht Umbenennung: YouTube macht es einfacher, den eigenen Kanal umzubenennen (Wersm). Bisher musste dafür das gesamte Google-Konto umbenannt werden. Kanalname und Profilbild lassen sich nun direkt in den YouTube-Einstellungen anpassen. Das Google-Konto bleibt davon unberührt.
  • Kommentare mit Zeitstempel: Analog zu Soundcloud können YouTube-Nutzerïnnen wohl demnächst auf einer Art Zeitstrahl kommentieren. Jedenfalls laufen derzeit entsprechende Tests (The Next Web).

TikTok

  • TikTok Topics: In Live-Streams kann nun ein übergeordnetes Thema eingefügt werden, mit dem der Stream zusammenhängt (Digital Information World). Mehr Kontext und mehr Sichtbarkeit ftw!

Pinterest

Telegram

Reddit

  • Followerlisten: Reddit reagiert auf Feedback der Community und führt ab Mai eine detaillierte Followerliste inkl. Suchfunktion (Reddit) ein. Geblockte Nutzerïnnen können dann nicht mehr folgen, sehen keine Updates auf dem ursprünglichen Profil und werden aus der Followerliste entfernt.

One more thing


Header-Foto von KAL VISUALS bei Unsplash