Was ist
Facebook Inc hat eine neue App gelauncht: Threads wird als „privater“ Messenger für die besten Instagram-Freunde positioniert.
Warum ist das interessant?
- Anstatt ihre Posts in die Alle-gegen-Alle-Feeds von FB und Instagram zu schicken und darauf zu hoffen, dass ihre Inhalte auch wirklich bei ihren Freunden landen, posten User zunehmend lieber „privat“ via Messenger oder in Gruppen. Mit dem Launch von Threads erkennt Facebook diese Entwicklung an.
- Gleichwohl bieten sie bei Threads keine komplette Verschlüsselung der Inhalte an, was bedeutet, dass „privat“ nicht wirklich privat meint. Facebook kann die Inhalte sehr wohl „mitlesen“ – anders als etwa bei WhatsApp, wo die Inhalte komplett Ende-zu-Ende verschlüsselt sind.
Was kann die App?
- Wer die App zum ersten Mal öffnet, wird dazu aufgefordert, seine engsten Freunde zu benennen. Threads greift hier auf das bestehende Instagram-Netzwerk des Nutzers zu. Auch möchte die App natürlich gern Benachrichtigungen rausschicken und fragt nach entsprechender Erlaubnis.
- Anschließend können bis zu acht Favoriten ausgewählt werden, die am unteren Rand der App permanent gelistet werden – quasi Shortcuts, um Freunden schnell Fotos oder Videos zu schicken.
- Im Anschluss fragt Threads, ob man den sogenannten „Auto-Status“ nutzen möchte – und genau hier wird es etwas tricky. Der neue „Auto-Status“ ist dazu da, den engen Freunden anzuzeigen, was man gerade macht. Der Clou: Threads erkennt und aktualisiert den Status anhand des Standorts, der Bewegungen, des Akkustands und der Netzwerkverbindung – auch wenn die App gerade nicht genutzt wird. Mit anderen Worten: Instagram Threads greift bei entsprechendem Opt-in jede Menge Daten ab. Zu jeder Sekunde. Folgende „Auto-Status“-Optionen gibt es:
„Im Kino, Akku fast leer, lädt gerade, unterwegs, am chillen, grad nicht da, verreist, am Flughafen, Zuhause, am Ackern, im Fitnessstudio, am Strand, am Shoppen, im Café, in der Natur, auswärts essen“.
- Um den Auto-Status nutzen zu können, muss Threads permanenten Zugriff auf den Standort haben. Auch danach fragt die App gesondert.
- Abschließend kann noch ein Look gewählt werden – je nach Auswahl ändert sich die Farbe des App-Symbols. Dann ist die App startklar.
Das Besondere an Threads
- Wann immer die App geöffnet wird, landet man direkt in der Kamera-Ansicht – exakt so, wie man es von Snapchat kennt. Während man bei allen anderen Produkten aus dem Hause Facebook immer entweder im Feed oder in einer Chat-Übersicht landet, wird der Nutzer hier direkt dazu aufgefordert, selbst „Content“ zu produzieren.
- Für das geknipste Fotos kann dann eingestellt werden, ob es im Chat mit dem ausgewählten Freund „einmal ansehbar“ oder „mehrmals ansehbar“ ist, bzw. ob es im Chat bleibt. Die Vergänglichkeit von Posts ist bereits seit längerem ein Thema für Facebook (WhatsApp testet derzeit selbstlöschende Nachrichten, IG- und FB-Stories werden automatisch gelöscht). Bei Threads probiert Facebook nun einen neuen Ansatz.
- Interessanterweise können die geknipsten Fotos weder mit einem Filter, noch mit Stickern versehen werden. Das wirkt im Vergleich zu Instagram wirklich maximal basic. Ich gehe mal davon aus, dass hier entsprechende Features nachgereicht werden.
Be smart: Mark Zuckerberg erklärte vor nicht all zu langer Zeit, „The Future is private“ (siehe Briefing #530). Mit Threads schmeißen sie nun eine neue App auf den Markt, die das Thema Privatsphäre zwar aufgreift, aber auf Facebooksche Weise „neu“ interpretiert. Ein spannender Move. Ich bin gespannt, ob Facebook mit diesem Privacy-Ansatz Erfolg haben wird. Zudem bin ich gespannt, wie sich der Launch von Threads auf Snapchat auswirkt, denn Snapchat wird seit Jahren vor allem für eins genutzt: als Messenger, um sich mit engen Freunden Fotos und Videos zu schicken. Sounds familiar, right?
Social Media & Politik
- Verschlüsselung bei Facebook: Politiker wünschen sich, dass Facebook in Sachen Verschlüsselung mächtig auf die Bremse tritt (Techcrunch). Wir erinnern uns: Facbook hatte angekündigt, bei der technischen Zusammenführung von Instagram DM, WhatsApp und Facebook Messenger, eine End-2-End-Verschlüsselung vorzunehmen. Dadurch kann Facebook Inc zwar noch Meta-Daten erheben, etwa nachvollziehen, wer mit wem schreibt. Sie können aber den Inhalt als solchen nicht mehr „sehen“. Laut Politik müsse zunächst geklärt werden, ob und wie Strafverfolgung dann trotzdem noch möglich sein kann. Mit Blick auf die Bekämpfung von Terrorismus und Fotos von Kindesmissbrauch – die NYT berichtete jüngst – mag die Forderung der Politik berechtigt erscheinen. Am Ende ist es aber nichts anderes als ein Frontalangriff auf die Privatsphäre von Milliarden Nutzern. Die Electronic Frontier Foundation kommentiert daher zurecht: Facebook should not comply.
- Keine politische Werbung auf TikTok: In einem Blogpost hat TikTok erklärt, dass sie keinerlei politische Werbung auf der Plattform erlauben werden. Es würde gegen die Natur der App sprechen, heißt es. Zitat:
„The nature of paid political ads is not something we believe fits the TikTok platform experience. To that end, we will not allow paid ads that promote or oppose a candidate, current leader, political party or group, or issue at the federal, state, or local level – including election-related ads, advocacy ads, or issue ads“.
- Zwei Gedanken dazu: Einerseits passt das natürlich zu den Enthüllungen des Guardian (siehe Briefing #582), die gezeigt haben, wie stark sich TikTok an die politischen Leitideen / Vorgaben der chinesischen Regierung halten muss. Andererseits müssen wir bei TikTok dadurch womöglich nicht den gleichen Wahnsinn erleben wie bei Facebook, Instagram, Twitter und Google.
YouTube und die D-Frage
- Es gibt auf der ganzen Welt Menschen, die mit YouTube Geld verdienen wollen. Während dies für einige wunderbar funktioniert, werden andere von YouTubes Monetarisierungs-Optionen ausgeschlossen. Bei Accounts, die gegen die Community-Standards verstoßen, ist das in aller Regel nachvollziehbar. Bei anderen Accounts hingegen bleibt leider völlig intransparent, warum sie mit ihren Videos nichts verdienen dürfen. Genau dieses Dilemma rückt nun immer stärker in den öffentlichen Fokus.
- Am lautesten klagen derzeit YouTuber aus der LGTB-Community, dass ihre Videos von Monetarisierungs-Optionen ausgeschlossen werden. Der Vorwurf: Um für Werber auf der ganzen Welt attraktiv zu sein, würden Videos mit bestimmten Schlagwörtern im Titel oder in der Video-Beschreibung automatisch „de-monetarisiert“. Hier ist eine Liste von Wörtern, die vermeintlich zu einer automatischen „De-Monetarisierung“ führen. Initiert wurde die Liste, respektive die Überprüfung der Begriffe, von den Machern des YouTube-Kanals „Nerd City“. In diesem Video setzen sie sich ausführlich mit dem Thema auseinander.
- Aber auch andere YouTuber zeigen sich verwundert darüber, dass ihre Videos „de-monetarisiert“ wurden – allen voran Accounts, die sich mit Geschichte auseinandersetzen (YouTube / The Great War).
- YouTube selbst gibt zu Protokoll, dass es keine Listen von Wörtern gebe, anhand derer automatisch Videos „de-monetarisiert“ werden. Soweit so gut. Allerdings muss YouTube dringend für mehr Transparenz sorgen, wenn es seine Kreativen nicht vergraulen möchte. Die Plattform lebt davon, dass Menschen darauf setzen, mit YouTube Geld zu verdienen. Ohne gute Inhalte, ist YouTube nicht viel wert. Es liegt also in ihrem eigenen Interesse, für Klarheit zu sorgen.
- Am 22. Oktober treffen sich Vertreter von Fairtube (ein Projekt der IG Metall) und YouTube in Berlin. Die Forderungen von Fairtube lauten:
Transparenz aller Kategorien und Entscheidungskriterien, die Auswirkungen auf die Monetarisierung und die Empfehlung von Videos habenNachvollziehbarkeit von Einzelentscheidungen — zum Beispiel: Welche Stellen in einem Video verstoßen gegen welche Kriterien?Menschliche, qualifizierte und entscheidungsbefugte AnsprechpartnerInnen für die YouTuberEinspruchsmöglichkeiten bei EinzelentscheidungenEine unabhängige Schlichtungsstelle (Beispiel: Ombudsstelle für den Crowdsourcing Code of Conduct)Mitbestimmung für YouTuber, z. B. in Form eines Beirats
- Lange Zeit war nicht klar, ob YouTube sich auf ein solches Gespräch einlassen würde. Mit Blick auf die zunehmende Brisanz, die das Thema entwickelt, könnten nun von diesem Treffen in Berlin spannende Impulse für sämtliche YouTuber weltweit ausgehen. Doppelt 👀
Social Media & Journalismus
- Geld ja, aber nicht für alle: Über Facebooks neues News Tab haben wir ja bereits ausführlich berichtet (siehe Briefing #572). In Briefing #578 schrieben wir zudem mit Verweis auf einen Artikel von NBC News, Facebook sei bereit, den beteiligten Medienunternehmen zwischen 2 und 2,5 Millionen Dollar pro Jahr dafür zu bezahlen, dass sie ihre Artikel im News Tab empfehlen dürfen. „Free money“ sozusagen. Laut WSJ geht das Geld aber nicht an alle, sondern nur an ausgewählte Publisher. Welche das sein werden, ist noch nicht kommuniziert.
- Sky News bei Twitch: Öfter mal etwas Neues wagen: Sky News probiert Livestreams bei Twitch. Digiday hat die Hintergründe zu dem Vorhaben von Sky News, dort jüngere Leute abzuholen.
- Das habe ich bei Facebook gelesen: Für Amerikaner sei es laut einer neuen PEW-Studie völlig normal geworden, News via Social Media zu bekommen. Das bedeutet nicht, dass Social Media ihre einzige Nachrichtenquelle ist. Sehr wohl bedeutet es aber, dass sie in weiten Teilen Nachrichten eben auch dort konsumieren. Spannenderweise sind sich die User mehrheitlich darüber im Klaren, dass die Plattformen einen großen Einfluss auf die Nachrichten haben, die ihnen ausgespielt werden – einen zu großen, wie die meisten finden.
Schon einmal im Briefing davon gehört
- Google Shopping: Auch wenn das nichts mit Social Media im engeren Sinne zu tun hat, möchte ich kurz erwähnen, dass Google seine Shopping-Funktionalitäten ordentlich aufgemöbelt hat (Techcrunch). Nutzer können jetzt Outfits tracken. Dafür reicht der Screenshot eines Outfits, das sie bei z.B. bei Instagram gefunden haben. Dann nutzen sie die Lens-Funktion bei Google-Fotos und sehen, wie der Look bei anderen aussieht – und natürlich auch, wo sie die Kleidung kaufen können. Ziemlich spektakulär, wie ich finde. Und außerdem auch gar nicht so weit entfernt von Snapchats Feature, mit dem sich Fotos von Produkten in der realen Welt knipsen lassen, um sie dann in der virtuellen zu erwerben (Techcrunch).
Neues von den Plattformen
YouTube
- Playlists: Bei YouTube Music gibt es nun auch personalisierte Playlists in Spotify-Manier. (Techcrunch)
- Restrict: Instagram führt eine neue Funktion ein, die Nutzern dabei helfen soll, sich besser vor Mobbing zu schützen. Per „Restrict“ (CNN) können die Kommentare eines Nutzers derart ausgeblendet werden, dass nur noch der Absender den Kommentar lesen kann. Das ist deshalb nützlich, weil der Absender davon nichts mitbekommt. Würde der betroffene Nutzer den Verfasser des Kommentars blocken oder entfolgen, könnte dies die Situation u.U. noch verschärfen. Mit „Restrict“ soll dies verhindert werden. In unserem Briefing #563 haben wir ausführlich dargestellt, wie Instagram Mobbing stärker bekämpfen will und welche Rolle „Restrict“ dabei spielen soll.
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