Salut und herzlich Willkommen zur 563. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute blicken wir auf Instagrams Pläne, Mobbing zu bekämpfen. Zudem schauen wir auf den Kampf um Kreative und zwei neue Untersuchungen, die die Trends bestätigen, über die eh schon alle reden: Whatsapp löst Facebook ab, Youtube und Instagram wachsen. Wir bedanken uns für das Interesse und die zahlreichen Empfehlungen an Freunde und KollegInnen – die Watchblog-Community wächst jeden Tag: einfach großartig! Merci, Simon & Martin

[line]
[gap size=“40px“]

Instagram will Mobbing bekämpfen

Was ist: Instagram-Chef Adam Mosseri hat neue Funktionen angekündigt, die helfen sollen, die Plattform zu einem friedlicheren und freundlicheren Ort zu machen. Online-Bullying ist besonders unter Jugendlichen ein großes Problem.

Warum das wichtig ist: In Briefing #555 haben wir die Ergebnisse des Reuters Digital News Report analysiert. Der entscheidende Satz: "In Deutschland ist in der Altersgruppe der 18-24-Jährigen erstmals Instagram die wichtigste Informationsplattform." In anderen Ländern und jüngeren Altersgruppen ist es noch eindeutiger: Instagram ist für Jugendliche die wichtigste Plattform.

Dort werden Freundschaften geschlossen, private Dinge geteilt und Geheimnisse ausgetauscht. Sozialer Status bemisst sich teils an der Anzahl der Likes. Was auf Instagram passiert, wirkt sich unmittelbar auf das Leben abseits des Smartphones aus.

Das gilt im Guten wie im Schlechten: Man freut sich über Likes und nette Kommentare – und fürchtet sich vor Intrigen, Spott und Mobbing. Vor allem für Jugendliche mit geringerem Selbstwertgefühl kann Instagram zur Hölle werden (Deutschlandfunk). Aber auch Prominente wie Lena Meyer-Landrut sind betroffen (Jetzt).

Was Instagram tun will: Mosseri will Mobbing mit zwei Maßnahmen bekämpfen:

  1. Hilfe von Maschinen: Wenn Algorithmen bestimmte Kommentare als potenziell verletzend identifizieren, sehen die Verfasserïnnen eine Frage: "Bist du sicher, dass du das posten möchtest?" Sie können den Post dann immer noch abschicken. Instagram zufolge hätten erste Tests ergeben, dass manche Nutzerïnnen ihren Kommentar zurückziehen und einen weniger verletzenden posten, wenn sie die Chance hatten, darüber nachzudenken.
  2. Shadowban: Jugendliche, die gemobbt werden, können ihren Peinigerïnnen auf Instagram künftig aus dem Weg gehen, ohne dass diese das merken. Viele Mobbing-Opfer trauten sich nicht, ihre Bullies zu blockieren oder ihnen zu entfolgen, weil sie Angst hätten, die Situation dadurch noch schlimmer zu machen. Deshalb startet Instagram testweise eine Funktion namens Restrict:

Sobald du Restrict für jemanden anwendest, werden Kommentare dieser Person in deinen Posts nur für diese Person sichtbar. Du kannst die Kommentare einer eingeschränkten Person für andere anzeigen, indem du die Kommentare genehmigst. Eingeschränkte Personen können nicht mehr sehen, wenn du bei Instagram aktiv bist oder ihre Direct-Nachrichten gelesen hast.

Be smart: Manche Menschen halten Instagram immer noch für eine heile-Welt-Plattform mit Hipster-Chique und schicken Foto-Filtern. Das ist ungefähr so passend, wie Facebook als Webseite zu bezeichnen, auf der Nutzerïnnen in der Mittagspause lustige Memes teilen. Beide Netzwerke haben Schattenseiten, gegen die Facebook lange Zeit nicht konsequent genug vorgegangen ist.

Mein Eindruck ist, dass sich das mit dem neuen Instagram-Chef Mosseri allmählich ändert. Zumindest öffentlich rückt er den Kampf gegen Mobbing und andere Gefahren immer wieder in den Vordergrund. In Briefing #496 und Briefing #523 haben wir frühere Ankündigungen und Maßnahmen beleuchtet.

Natürlich wird Instagram niemals komplett verhindern können, dass sich Jugendliche gegenseitig hänseln und zur Verzweiflung treiben. Bullies werden immer Wege finden, die Vorkehrungen der Plattform zu umgehen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich ein Großteil der Kommunikation in geschlossene Räume verlagert, die von außen nicht einsehbar sind (mehr dazu in Briefing #561).

Dennoch halte ich die beiden angekündigten Maßnahmen für sinnvoll: Statt einfach drauflos zu löschen und zu sperren, versucht Instagram, die Bullies für die Auswirkungen ihres Mobbings zu sensibilisieren und es den Betroffenen zu ermöglichen, sich abzugrenzen, ohne den offenen Konflikt suchen zu müssen. Ich hoffe sehr, dass das in der Realität so gut klappt, wie es auf dem Papier klingt.

Dig deep:

  • Das Time-Magazine erklärt, warum Instagrams Bemühungen so wichtig sind – und warum es niemals möglich sein wird, digitales Mobbing vollständig zu verhindern: Inside Instagram's War on Bullying
  • In der taz erklärt eine Expertin vom Projekt "Safer Internet", warum sie die neuen Maßnahmen für sinnvoll hält, Tech-Unternehmen das gesellschaftliche Problem Mobbing aber nicht allein lösen können: Sekunden für die Selbstreflexion

Autor: Simon Hurtz

[line]
[gap size=“40px“]

Kampf um Kreative

Was ist: It’s VidCon-Time: In diesen Tagen findet die größte und wichtigste Social/Online-Video-Konferenz der Welt statt. Weil der Markt boomt und Facebook, Instagram, YouTube, Twitch, Snapchat, TikTok und wie sie alle heißen um die Gunst der Kreativen buhlen, gibt es auch dieses Jahr einige Neuerungen, die bereits im Vorfeld bekannt gegeben wurden:

  • So erklärt Facebook beispielsweise, dass es künftig mehr Möglichkeiten für Kreative geben wird, Videos mit Anzeigen zu versehen. Zudem wird es neue Optionen zur Zusammenarbeit mit Markeninhalten geben. (Techcrunch)
  • Facebook verkündet zudem, dass es bald auch einen speziellen Monetarisierungsbereich im Creator-Studio-Tool geben wird, um Kreative dabei zu unterstützen, ihre Instagram-Posts zusätzlich zu ihren Facebook-Posts zu verwalten.
  • Allerdings wird Facebook ab dem 1.1.2020 auch 30 Prozent der Einnahmen behalten, die Kreative via Fan-Subscriptions erzielen. Hier ein Hintergrundartikel zum Thema Fan-Subscriptions bei Facebook.
  • Auch wird es künftig nicht nur Gamern vorbehalten sein, bei Facebook sogenannte „Stars“ zu erhalten (CNBC). Bei den „Stars“ handelt es sich um ein virtuelles Goodie, das Fans ihren Lieblingsgamern bei einer Live-Übertragung schicken können. Wenn ein Nutzer z.B. 100 „Stars“ für 1,40 Dollar kauft, dann erhält der Gamer einen Dollar, den Rest sackt Facebook ein. Bei Tausenden von Fans kann sich das schnell lohnen. TikTok verfolgt übrigens einn ganz ähnliches Prinzip – hier ein Hintergrundbericht dazu (TechJunkie).
  • Last but not least geht Snapchat doch wieder auf Kreative zu und lanciert neue Shows mit FaZe Banks, Emma Chamberlain und Serena Williams.

Warum ist das alles interessant?

  • Bewegtbild ist und bleibt das Segment, indem sich potentiell noch am meisten Zuwächse erzielen lassen – einerseits was die Zuschauer- / Nutzerzahlen angeht, andererseits was das Finanzielle betrifft.
  • Zwar werden den Berechnungen von eMarketer zufolge dieses Jahr die Werbeausgaben im digitalen Bereich die Ausgaben im traditionellen Bereich (TV, Radio, Print) übertreffen, aber grundsätzlich lässt sich da natürlich noch viel mehr machen – insbesondere mit Blick darauf, wie viel Werbegelder weiterhin in TV investiert werden.

Übrigens: In Deutschland wird anscheinend gerade darüber nachgedacht, ob über den neuen Medienstaatsvertrag geregelt wird, dass Livestreamer mit durchschnittlich 20.000 Zuschauern eine Rundfunklizenz brauchen – ausgenommen von der Regel: Gamer.

Go deep:

[line]
[gap size=“40px“]

Trends: Whatsapp löst Facebook ab, Youtube und Instagram wachsen

Zwei neue Untersuchungen bestätigen die Trends, über die eh schon alle reden:

  • Der Web-TV-Monitor der Landesmedienanstalten Bayern und Baden-Württemberg sieht Youtube als mit Abstand wichtigste Plattform für Online-Videos. Dahinter holt Instagram langsam auf, während Facebook an Bedeutung verliert. Zahlen, Methodik und weitere Details gibt es im Blog der BLM, alle 94 Seiten hier als PDF.
  • Eine ähnliche Tendenz beschreibt der aktuelle Social-Media-Atlas der Kommunikationsberatung Faktenkontor und des Marktforschers Toluna. Demnach ist Youtube das beliebteste Netzwerk in Deutschland (74 Prozent der Befragten nutzen die Plattform). Whatsapp (71 Prozent) hat Facebook (69 Prozent) erstmals überholt.

[line]
[gap size=“40px“]

Schon einmal im Briefing davon gehört

Facebook will mehr experimentieren: Wer Apps und Produkte aus dem Hause Facebook Inc. meiden will, sollte sich dieses Akronym merken: NPE. Das steht für New Product Experimentation und ist der Entwickler-Name, unter dem künftig neue, experimentelle Apps veröffentlich werden, wie Facebook in seinem Tech-Blog ankündigt. Dort versichert Facebook auch, dass bei allen neuen Projekten die hohen Datenschutz-Standards (ähem) gewahrt werden.

Die bisherigen Nutzungsbedingungen will man mit den "NPE Team Supplemental Terms" ergänzen, um die Datensammlung und -verarbeitung zu klären. Wer NPE-Apps nutzen will, sollte dieses Dokument gründlich lesen. Mehr zur Gründung und Struktur der neuen Entwickler-Einheit gibt es bei Cnet.

Max Schrems vs. Facebook: Ein österreichischer Datenschutz-Aktivist ist und bleibt "pain in the ass" für Facebook: Max Schrems hat mehrere aufsehenerregende Gerichtsverfahren angezettelt und dem Konzern Zugeständnisse abgerungen. Jetzt streitet er vor dem EuGH mit Facebook über die Frage, ob Daten von EU-Bürgerïnnen in den USA sicher sind ("Schrems II"). Vor vier Jahren hat der EuGH in einem ähnlichen Verfahren das Safe-Harbor-Abkommen gekippt ("Schrems I").

Nach der Anhörung am Dienstag wird das Urteil am 12. Dezember erwartet. Und das könnte es in sich haben: Es geht nicht nur um das Privacy-Shield-Abkommen, auf das sich EU und USA als Safe-Harbor-Nachfolger geeinigt haben. Das Gericht könnte dann auch die Standardvertragsklauseln für unwirksam erklären, ein System vertraglicher Datenschutzgarantien, das auf einem Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2010 beruht und "in der Praxis weitaus größere Bedeutung als bilaterale Daten-Freifahrtscheine wie das Privacy Shield" hat, wie Wolfgang Janisch in der SZ schreibt.

[line]
[gap size=“40px“]

Empfehlungen fürs Wochenende

Redirecter: Ich hatte ja keine Ahnung: man kann mit ein paar Hundert Dollar nicht nur Werbeanzeigen bei Google schalten, um Menschen dazu zu bringen, lieber Wurst statt Käse zu kaufen, sondern auch, um Menschen mit Selbstmordabsichten dazu zu bewegen, bei einer staatlichen Telefonhotline anzurufen. Das ist aber leider nicht alles, was man mit „Redirect Ads“ anstellen kann – dem Social Engineering scheinen hier nur wenige Grenzen gesetzt.

Privatisierung des Geldes: Zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen ist das mit Facebooks neuer Cryptowährung alles gar nicht so leicht zu verstehen. Dieser nüchternde Gastartikel von Oliver Leistert, seines Zeichens wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leuphana-Universität Lüneburg, schafft es aber, sehr gut zu transportieren, worum es bei Facebooks Libra-Projekt eigentlich geht.

Wie die US-Regierung Silicon Valley ermöglichte: Die Autorin Margaret O’Mara ist angetreten, um in ihrem Buch den Superhero-Status von Steve Jobs, Mark Zuckerberg und Konsorten zu entkräftigen. Im Gespräch mit OneZero gibt sie Einblicke in ihr Werk und räumt direkt mit dem „Die haben das alles ganz allein in einer Garage erfunden“-Mythos auf. Herrlich.

„The government often becomes a catalyst in ways that are perhaps not consciously intended. And that is part of the magic. Dwight Eisenhower never declared, “I shall build a science city in Northern California.” Yet the military spending and space program spending that started under Eisenhower was the launching pad for Silicon Valley’s rocket.“

www-mag: Es gibt ein interessantes Bildungsangebot im Internet, das ich bislang noch nicht auf dem Zettel hatte: das sogenannte www-mag ist im Rahmen der Initiative Demokratie leben entstanden und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Im Vorstand befinden sich ziemlich prominente Namen: Alexander Carius (Politikwissenschaftler aus Berlin), Esra Küçük (Allianz Kulturstiftung), Stefan Wegner (Scholz & Friends), Harald Welzer (Publizist & Soziologe) sowie Andre Wilkens (Autor). Aber auch die Riege der Autoren lässt aufhorchen: so schreibt tante über Facebook als Staat, Michael Seemann über „Gestapelte Demokratie“ und Georg Diez über das Editorial zur Frage, was wäre, wenn Social Media den NutzerInnen gehören würde. Sehr, sehr spannend das alles! Hier gibt es das www-mag auch als Podcast.

[line]
[gap size=“40px“]

Tipps, Tricks und Apps

Outline ist ein spannendes Werkzeug, um in einem Artikel (analog zu den Optionen bei Medium) Highlights zu setzen und Passagen mit Kommentaren zu versehen, bzw. mit Kollegen zu diskutieren. Ferner kann dann für dieses „neue Dokument“ im Anschluss eine eigene URL generiert werden, die dann mit Dritten geteilt werden darf. Ganz interessant für alle, die gemeinschaftlich an Dokumenten / Artikel arbeiten und aus guten Gründen nicht Evernote, etc. nutzen wollen: outline.com

Dass Slack sämtliche Daten unverschlüsselt speichert, scheint viele von euch interessiert zu haben – der Tweet von Kollegin Lauwitz hat auf jeden Fall gut die Runde gemacht. Daher möchte ich heute an dieser Stelle noch einmal auf den Hinweis von Matthias Böhm rekurrieren, der auf eine Slack-Alternative aufmerksam macht: mattermost.com bietet so ziemlich all das, was Slack auch bietet, legt dafür aber auch einen großen Wert auf Sicherheit. Falls jemand damit bereits Erfahrungen gemacht hat – ich freue mich über Feedback!

[line]
[gap size=“40px“]

One more thing

In den kommenden zwei Wochen gönne ich mir mal eine Pause. Anders als in den Vorjahren machen wir aber in der Sommerpause nicht komplett zu, sondern liefern trotzdem jeweils zwei Briefings: Zum einen bringt Simon eine wöchentliche Zusammenfassung mit den wichtigsten News und Debatten, zum anderen erwarten euch zwei Sonderausgaben, die auf den Werkstattgesprächen mit Jonas Schlatterbeck (ZDF Digital) und Martin Fuchs (aka Wahlbeobachter) beruhen. Juhu!

Symbolbild: Offline.

[line]
[gap size=“40px“]

Header-Foto von Benjamin Parker bei Unsplash