Salut und herzlich Willkommen zur 561. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute beschäftigen wir uns mit dem dunklen Wald – besser bekannt als Dark Social. Zudem schauen wir auf Facebooks erneute News-Feed-Änderungen, die dich im besten Fall nicht weiter betreffen und wir blicken auf TikToks Potential als One-Hit-Wonder-Kingmaker! Herzlichen Dank für das Interesse und ein angenehmes Wochenende, Martin & Team

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Der dunkle Wald

Was ist: Die Zeit, in der NutzerInnen wie irre in Facebooks News Feed (mit-) teilten, was sie gerade umtreibt, ist vorbei. Das hat auch Mark Zuckerberg längst begriffen, der in Messengern, Gruppen und ephemeralen Stories das größte Wachstumspotentiel sieht. Doch dieser Trend zu geschlossenen Räumen, direktem Austausch und verschlüsselten Inhalten birgt auch Risiken und Herausforderungen – für die Gesellschaft im Allgemeinen und für uns Medienmacher im Speziellen.

Warum ist das interessant?

  • Bislang war es möglich, ein Gespür dafür zu bekommen, was an digitalen Küchentischen gesprochen wird: Diskussionen auf Fanpages konnten nachvollzogen, Links getrackt und Hasskommentare nachverfolgt werden.
  • Und auch wenn ich mich selbst eher als Privatsphäre-Evangelist und Free-Speech-Fan sehe, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, dass sich zur Sekunde in Abertausenden Telegram-, Facebook- und WhatsApp-Gruppen Menschen tummeln, die sich womöglich jenseits einer demokratischen Öffentlichkeit zu Hass und Gewalt gegen Andersdenkende anstiften.
  • Wir müssen dabei übrigens gar nicht nur an Akteure aus dem rechten Lager denken – auch wenn hier die Zerstörungskraft potentiell am größten ist (taz). Zuletzt gab es Meldungen über eine Facebook-Gruppe aus Frankreich, die sich durch Beschimpfungen, rassistische Beleidigungen und sexuelle Belästigungen auszeichnete (falls dies das richtige Verb an dieser Stelle ist) – die sogenannte Liga der Monster (Deutschlandfunk).
  • Und auch in den USA gab es jüngst einen Bericht von ProPublica über eine Gruppe auf Facebook, in der Mitarbeiter der Border Patrol über Inhaftierte auf menschenverachtende Art und Weise herzogen.

Die Konsequenzen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben, sind vielschichtig und werden in den kommenden Monaten sowohl Politik und Gesellschaft als auch Medienanbieter massiv beschäftigen. Aus unserem Briefing 15.1.2019:

  • Für Medienanbieter besteht das Problem u.a. darin, dass sie nicht richtig erkennen können, wo und wie ihre Inhalte geteilt werden. Während es bei „normalen“ Shares, z.B. auf Facebook oder Twitter, kein Problem ist, die Plattformen als Traffic-Quellen zu identifizieren, verhält es sich bei Messengern, Email und Chat-Gruppen ganz anders. Folglich können Medienanbieter mit ihren Traffic-Zahlen sehr viel weniger anfangen und weniger über die Routinen und Interessen ihres Publikums erfahren.
  • Zudem ist es mit Blick aufs Community Building natürlich ungleich schwieriger, das Publikum zu erreichen, wenn sich die Nutzer lieber in geschlossenen Räumen aufhalten. Hier ist echte Kommunikation gefragt.
  • Aber auch für die Politik birgt das Thema Dark Social einige Herausforderungen. So ist es bereits an der Tagesordnung, dass sich jenseits einer demokratischen Öffentlichkeit Tausende in privaten, geschlossenen Räumen zusammenfinden und sich in ihren Gedankenwelten einrichten können.

Be smart: Der dunkle Wald, aka Dark Social, ist eigentlich zu begrüßen, geben Nutzer doch nicht mehr so viel von sich preis. Jedoch bedarf es einer Diskussion darüber, welche Folgen das Abwandern der Nutzer in nicht-öffentliche Räume hat. Den Unternehmen scheint diese Bewegung durchaus genehm, verschwindet doch damit auch ein Großteil der hässlichen Inhalte hinter verschlossene Türen. Politik und Gesellschaft aber sollte diese Entwicklung nicht egal sein, sondern Debatten darüber führen, ob und wie verstanden werden kann, was in diesen geschlossenen Zirkeln passiert. Insbesondere auch deshalb, um noch einen gemeinsamen Informationsstand aufrecht zu erhalten. Denn wie heißt es doch gleich: Natürlich hat jeder das Recht auf seine eigene Meinung. Aber nicht auf seine eigenen Fakten.

Dig deep:

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Social Media & Politik

NetzDG wirkt: Facebook soll zwei Millionen Euro Bußgeld zahlen. So will es das Bundesamt für Justiz. Grund dafür sei die Intransparenz bei rechtswidrigen Inhalten. In der Pressemitteilung heißt es: „In dem Bußgeldbescheid rügt das BfJ insbesondere, dass im veröffent­lichten Bericht die Anzahl der eingegangenen Beschwerden über rechts­widrige Inhalte unvollständig ist. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit über das Ausmaß rechtswidriger Inhalte und die Art und Weise, wie das soziale Netzwerk mit ihnen umgeht, ein verzerrtes Bild.“ Grundlage für das Bußgeld bilden die Vorgaben des Netzwerk­durchsetzungsgesetzes.

Horst Seehofer will nicht längern twittern. Naja, genau genommen hat er das ja eh nie gemacht. Lediglich zwei Tweets sind auf seinem Account erschienen. Aber jetzt soll endgültig Schluss damit sein. Beim Donaukurier erklärt er auch, warum: „Gelegentlich schaue ich mir dann an, wie das kommentiert wird, und was ich da lese, ist oft dermaßen platt und flach, gehässig und bösartig – nein, von so einer Community möchte ich nicht Teil sein.“ Well, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber warum die Flucht von der Plattform auch keine Lösung ist, haben wir schon ausführlich beim Abgang von Robert Habeck diskutiert (Deutschlandfunk).

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Kampf gegen Hass & Desinformation

HateAid: Die Organisation HateAid möchte Deutschlands erste Anlaufstelle für Opfer digitaler Massengewalt und Hate Speech sein. Hinter der NGO stecken Campact e.V. und Fearless Democracy e.V.. Mitgründer Gerald Hensel beeschreibt das Projekt hier auf Facebook. Kollege Lars Wienand hat für t-online mit einer Journalistin gesprochen, die die HateAid-Hilfe in Anspruch genommen hat – durch ihre Geschichte wird ganz gut deutlich, wie HateAid vorgeht und was HateAid leisten kann.

News-Feed-Änderungen: Nein, Bleichmittel zu trinken, hilft garantiert nicht gegen irgendwelche Krankheiten. Weil so ein Quatsch aber immer wieder auch auf Facebook die Runde macht, ändert das Unternehmen nun seinen News-Feed-Algorithmus (FB Newsroom). Künftig werden reißerische Posts, die sich auf Gesundheitsthemen beziehen, abgewertet und bekommen sehr viel weniger Sichtbarkeit im Feed. Gelöscht werden sie nicht. Das Vorgehen praktiziert Facebook bereits bei Clickbait (FB Newsroom, 2016) und sogenannten „Low-Quality Web Experiences“ (FB Newsroom, 2017). Falls dein Geschäft also darin bestehen sollte, Menschen mit zweifelhaften Heilsversprechen auf Facebook zu triggern, solltest du dir allerspätestens jetzt etwas anderes überlegen…

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Ein kurzer Reminder für alle Slack-Nutzer

Aktuell speichert Slack alles, was du auf der Plattform machst: jede Nachricht, die du verschickst, jedes Mittagessen, das du planst und auch jede vertrauliche Botschaft, die du versendest – alles unverschlüsselt. Das bedeutet: Slack kann es lesen, Strafverfolgungsbehörden können es u.U. lesen und auch Hacker könnten an deine Daten gelangen. Auch von mir schlummern Hunderte von Nachrichten auf irgendwelchen Slack-Servern – kein so ganz gutes Gefühl, wenn ich ehrlich bin. Mehr dazu bei der NYT.

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Empfehlungen fürs Wochenende

TikTok : TikTok ist gerade dabei, sich zum neuen Liebling der Musikmarketing-Industrie aufzuschwingen. Nicht, dass die Künstler grundsätzlich wahnsinnig viel davon hätten, wenn ihre Songs auf TikTok genutzt werden – Pitchfork hatte darüber bereits im Februar ausführlich berichtete – sehr wohl aber kann TikTok als Bühne für Künstler funktionieren, um einen Majordeal für bestimmte Tracks einzusacken (The Ringer). Das Learning dabei: Bei Meme-Songs geht es nicht so sehr darum, die richtige Plattform für die Musik zu finden, sondern die richtige Musik für die Plattform:

Fast

400 on the dash

Fifty five bills

Buck fifty for the tax on the bag.

Destroyer of the Worlds: Die englische Website Tortoise ist nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne vor gut einem halben Jahr an den Start gegangen, um ausgeruht die Geschichten hinter den Geschichten zu erzählen. Mit der Story über den Gründer von 8chan ist ihr das extrem gut gelungen. Was für eine krasse Geschichte über einen jungen Mann, der aufgrund einer Erbkrankheit an seinen Rollstuhl „gefesselt“ ist und sich viele Jahre nichts sehnlicher wünschte, als dass seine Eltern ihn niemals hätten zeugen dürfen.

Eine Live-Karte der Welt gibt es bislang noch nicht. Sehr wohl aber deutet vieles darauf hin, dass wir sie in gar nicht all zu ferner Zukunft bekommen könnten. Der Artikel „Soon, satellites will be able to watch you everywhere all the time“ vom MIT Technology Review beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie die Privatsphäre in einem solchen Szenario überleben kann. Mega spannend.

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Inspiration

Sound-Design ist für mich eines dieser Berufsfelder, das ich zwar super spannend finde, aber wirklich kaum eine Vorstellung davon habe, wie der Arbeitsalltag konkret aussieht. Hört man sich da dreihundertmal am Tag an, wie eine Autotür ins Schloss fällt? In einem Artikel bei Medium sprechen u.a. die Erfinder des Windows-Start-Sounds und Skypes Klingelton über ihre Arbeit.

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Keine Inspiration

Adidas UK dachte, es sei eine prima Idee, zum Launch des neuen Arsenal-Trikots einen Bot zu programmieren, der automatisch Fotos auf Twitter teilt. Wie wir nun zum wiederholten Mal feststellen durften, ist das eigentlich nie eine gute Idee. Viel zu schnell ruft das nervige Trolle und Nazis auf den Plan – so wie auch in diesem Case: Adidas under fire for racist tweets after botched Arsenal launch. (The Guardian)

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Neues von den Plattformen

Instagram

  • Chat-Sticker: Instagram hat eine ganz lustige neue Funktion parat: Ab sofort kann in einer Story ein Chat-Sticker gepostet werden. Interessierte NutzerInnen können auf den Sticker klicken und senden somit eine Anfrage, dem Chat beizutreten. Der Story-Verfasser wählt dann all jene aus, die beim Chat dabei sein sollen. Insgesamt können 32 Personen miteinander chatten – allerdings ohne Threads und dadurch u.U. ziemlich wild ¯\_(ツ)_/¯

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One more thing

WeWork macht laut FT pro Stunde 219.000 Dollar Verlust. Hauptsache das Startup ist mit 47 Milliarden Dollar bewertet. Das ist doch alles komplett irre. 🤯 (via twitter.com/martinhoffmann)

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Header-Foto von Alexandre Chambon bei Unsplash