Social Media & Politik
⚡️ Trump-Aus bei Twitter ist endgültig
Nur ganz kurz: Donald Trumps Twitter-Sperre bleibt bestehen (The Guardian) – selbst dann, wenn er erneut für das Amt des Präsidenten kandidieren sollte, so das Unternehmen. Das ist mal eine Ansage! Vor allem auch mit Blick auf die noch ausstehende Entscheidung von Facebooks Oversight Board, das zwar über Trumps Verbleib bei Facebook entscheidet (siehe Briefing #697), dem aber durchaus Strahlkraft für andere Plattformen nachgesagt wird. Zur Begründung erklärt Twitters CFO Ned Segal:
"The way our policies work, when you're removed from the platform, you're removed from the platform whether you're a commentator, you're a CFO or you are a former or current public official."
🐈 Facebook testet Newsfeed mit weniger politischen Inhalten
Was ist:
- Ausgewählte Facebook-Nutzerïnnen in den USA, Kanada, Brasilien und Indonesien werden politische Inhalte künftig seltener in ihren Newsfeeds sehen.
Wie läuft der Test ab?
- In einem Blogeintrag versichert Facebook, dass gesundheitsrelevante Informationen über Covid-19 von vertrauenswürdigen Quellen wie der WHO ausgenommen seien. Das gelte auch für nationale Gesundheitsbehörden, Ministerien und andere offizielle Stellen.
- Die Nutzerïnnen sollen anschließend befragt werden. Dann will Facebook entscheiden, ob und wie es den Test ausweitet. Es ist auch gut möglich, dass nichts davon übernommen wird, falls etwa die Nutzungsdauer leidet. Das war bei früheren Algorithmus-Änderungen auch schon der Fall.
Die Hintergründe:
- Das Experiment kommt mit Ankündigung. Ende Januar sagte Mark Zuckerberg bei der Vorstellung der Quartalszahlen (PDF): "We're currently considering steps we could take to reduce the amount of political content in News Feed as well. (…) People don't want politics and fighting to take over their experience on our services."
- Tatsächlich finden nicht nur die meisten Menschen Politik eher anstrengend. Auch Facebook könnte wohl gut mit etwas weniger Drama und Polarisierung leben.
- Wut und Empörung klicken zwar gut, aber langfristig machen sie viele Menschen Social-Media-müde und bedeuten vor allem jede Menge Ärger in Washington, D.C.
- Bereits jetzt sehen die meisten Menschen gar nicht so viel politische Inhalte, wie man auf Grundlage der öffentlichen Debatte annehmen könnte. Im vergangenen November, kurz nach der US-Wahl, machte Politik nur sechs Prozent des Newsfeed aus (Facebook-Newsroom). In Briefing #687 schrieben wir über ein Experiment des Nieman Lab, das Facebooks Zahlen bestätigte.
Be smart:
- Beim aktuellen Test bleiben einige Fragen offen: Wie stark wird Facebook den Anteil senken? Und was sind eigentlich "politische Inhalte"? Facebook hat für die Erkennung ein Machine-Learning-Modell trainiert (Politico), mehr ist nicht bekannt.
- Facebooks Experimente erinnern ohnehin an die Operation am offenen Herzen eines todkranken Patienten: Der Newsfeed verliert seit Jahren an Bedeutung, Gruppen und Direktnachrichten haben die Timeline längst abgelöst. Ob die Änderungen auch die Inhalte von Gruppen betreffen, die im Newsfeed angezeigt werden, ist unklar.
- Die Diskussionen innerhalb der Gruppen werden jedenfalls weitergehen – und die sind oft unschön: Ende Januar zitierte das WSJ aus einer internen Präsentation von Facebook-Forscherïnnen:
“70 % of the top 100 most active US Civic Groups are considered non-recommendable for issues such as hate, misinfo, bullying and harassment. We need to do something to stop these conversations from happening and growing as quickly as they do."
✋ Joe Biden stoppt den Zwangsverkauf von TikTok
Was ist:
- Es wirkt, als sei es Jahre her: 2020 gab es einen US-Präsidenten, der eine der erfolgreichsten Social-Media-Apps der Welt erst als "nationales Sicherheitsrisiko" verbannen wollte und dann einen Verkauf forcierte – unter anderem an Oracle, wo sich sein Buddy Larry Ellison die Hände rieb.
- Wir haben die absurde Posse rauf und runter erklärt und jede Wendung ausführlich begleitet – zum letzten Mal in Briefing #669.
- Nach all dem Hin und Her wundert es nicht, dass die Saga nun noch eine weitere Wendung nimmt: Biden stoppt den geplanten Verkauf bis auf Weiteres (NPR). Das gilt neben TikTok auch für die geplante Verbannung von WeChat (Washington Post).
Die Hintergründe:
- Offenbar will die neue US-Regierung zunächst gründlich untersuchen, wie gefährlich chinesische Apps tatsächlich sind (WSJ). Das dürfte einige Monate dauern.
- Für TikTok und ByteDance sind das gute Nachrichten. Womöglich wird die Welt nie erfahren, was das seltsame Käuferpaar Oracle und Walmart mit der Plattform anstellen will, weil die App in chinesischer Hand bleibt.
Übrigens:
- Microsoft, das ursprünglich als aussichtsreichster Bieter gehandelt wurde und sich schließlich aus dem Rennen um TikTok zurückzog, soll danach versucht haben, Pinterest zu kaufen (FT).
- Offenbar will Microsoft nach LinkedIn unbedingt noch ein weiteres soziales Netzwerk übernehmen. Derzeit verdient der Konzern vor allem Geld mit Unternehmenskunden und seinem Cloud-Geschäft. Social Media wäre ein Schritt zurück auf den Consumer-Markt.
Clubhouse Roundup
In Sachen Clubhouse passiert gerade eine Menge. Damit du in der nächsten Runde, in der einmal mehr die Frage gestellt wird, was sich denn nun wirklich so ganz konkret mit der App anfangen lässt, mitreden kannst, hier ein Überblick über die aktuellsten Entwicklungen:
Clubhouse und Datenschutz
- Clubhouse plaudert Nutzerdaten aus: Stiftung Warentest hat sich Clubhouse angeschaut und stellt fest: Die App sammelt unnötig viele Nutzerdaten und verstößt mit ihrer Datenschutzerklärung gegen die Datenschutzgrundverordnung. Verbraucher- und Datenschützer gehen bereits gegen die App vor. Wenn sich Clubhouse langfristig in Europa halten möchte, muss es in Punkto Datenschutz nachbessern.
- Clubhouse und die Drogendealer: Am Anfang haben wir noch darüber geschmunzelt, dass Clubhouse über den Zugriff auf das Adressbuch den lokalen Pannendienst einlädt. Diese Einladungspraxis fällt Clubhouse aber zunehmend auf die Füße. Etwa dann, wenn Clubhouse-Nutzerïnnen ihre Therapeuten und Dealer (versehentlich) einladen (One Zero / Medium).
Clubhouse und Desinformation
- Ärzte machen gegen Desinformation bei Clubhouse mobil: Bei Clubhouse können sich Menschen bekanntlich in digitalen Räumen treffen, um über alles mögliche zu quatschen. Dass sich dort auch Menschen treffen, um Falschinformationen rund um das Coronavirus zu verbreiten, sollte nicht überraschen. Dass aber die Community – in diesem Fall Ärzte – die Aufräumarbeiten für Clubhouse (Bloomberg, $) übernimmt, sollte kein Dauerzustand sein. Wir sind sehr gespannt, wie das Unternehmen das Thema Desinformationen angehen will. Bislang ist keine sinnvolle Strategie zu erkennen. Und das ist keineswegs zynisch gemeint. It is what it is.
Clubhouse und die Nutzerïnnen
- Clubhouse ist das Anti-Twitter, schreibt der geschätzte Kollege Will Oremus. Das Problem: Während bei Twitter auch Nischenthemen große Wucht entwickeln können, werden bei Clubhouse bestehende soziale Status zementiert. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die bislang nur mangelhafte Option, Räume zu finden. Aber eben auch die nur eingeschränkte Möglichkeit, den Aussagen von Dritten entgegenzutreten. Was uns direkt zum nächsten Punkt führt:
- Das Aussperren-Problem: Privatsphäre ist ein hohes Gut! Dass auch bei Clubhouse eine Form von privat ermöglicht werden muss, ist absolut richtig. Allerdings wird die Möglichkeit, nur bestimmte Personen in einem Raum zu Speakerïnnen zu ernennen, immer dann problematisch, wenn es eigentlich Gegenrede bräuchte. Sei es bei Politikerïnnen, die unwidersprochen Botschaften lancieren, oder bei Milliarden-schweren CEOs, die einfach keine Lust auf Journalisten haben (Twitter / Jessica Lessin), weil sie lieber ihre eigene Agenda setzen möchten. Das Thema Aussperren wird uns bei Clubhouse noch lange beschäftigen.
- Das Identitäts-Problem: Clubhouse muss dringend an einer Form von Verifizierung arbeiten. Ansonsten wird es immer wieder Räume geben, in denen sich Leute als Prominenten ausgeben, obwohl sie in Wirklichkeit ein Hund sind. Nun ja, ihr kennt den Witz. Was an sich im Internet eine gute Idee ist, ist auf Clubhouse eher schwierig. Andere Plattformen sind da einen Schritt weiter (Twitter / Jon Lai).
Clubhouse und die Konkurrenz
- Facebook arbeitet an Clubhouse-Klon: Was ist noch besser als Clubhouse? Mein eigenes Clubhouse! Ok, diesen Satz hat Mark Zuckerberg so wahrscheinlich nicht gesagt. Gut vorstellbar ist es aber schon, hat er doch seine eigenen Truppen damit beauftragt (New York Times), einen Clubhouse-Klon zu bauen. Details sind noch nicht bekannt. Dass Facebook tatsächlich erst jetzt damit beginnt, darf überraschen. Dass sie an sich versuchen, Clubhouse zu klonen, überrascht hingegen nicht. Facebook ist bekanntermaßen ein wahrer Champion, wenn es um das Kopieren populärer Features geht. Allerdings ist das nicht immer mit Erfolg gekrönt.
- Noch mehr Konkurrenz: Zahlreiche Startups und Unternehmen schicken sich an, Clubhouse Feuer zu geben. Twitter Spaces weitet die Tests aus (Heise), die Audio-Messaging-Plattform Yac holt sich frisches Geld (Axios), Angebote wie Wavve, Riffr oder Spoon bringen sich ebenfalls in Stellung (WIRED), die App Quilt geht direkt einen Schritt weiter und konzentriert sich direkt auf die Bereiche Wellness und Health (Techcrunch).
Clubhouse und China
- Zwei Wochen Freiheit: Es gab ihn, diesen kurzen Moment Freiheit. Einmal über alles mögliche plaudern, ungestört und ohne Zensur. Es dauerte nur zwei Wochen, dann wurde Clubhouse in China wieder zensiert (Foreign Policy).
- Clubhouse und das TikTok-Problem: Um die technische Abwicklung von Clubhouse zu ermöglichen, greift das Unternehmen auf ein Angebot zurück, das in China beheimatet ist (Bloomberg, $). Ob das zu ähnlichen Problemen führt wie bei TikTok?
Clubhouse – Tricks und Tipps
- clublink.to ermöglicht es, Clubhouse-Einladungs-Links visuell ansprechender zu gestalten.
- clubhype.io lässt Nutzerïnnen Social-Media-Previews und Landing-Pages für Clubhouse-Events erstellen.
- shorten.club bietet die Option, Links oder Notizen hinter einem Dokument mit einer sechsstelligen Zahl zu sammeln. Die Zahl lässt sich dann easy bei Clubhouse teilen.
- gethostnotes.com gibt Nutzerïnnen Super-Host-Optionen: RSVP's, Event Agendas, Club Sponsoring, Speaker-Tipping, Link-Sharing, Kommentieren – alles an einem Ort.
- clubhousebio.xyz lässt Nutzerïnnen ihre Bio vom Browser aus schreiben.
- avatar.lvwzhen.com, chpic.me und clubhouseglow.com lassen Avatare leuchten und sorgen so vielleicht dafür, dass sie aus der Masse an Teilnehmerïnnen herausstechen.
- clubrecorder.com macht, was es verspricht: es zeichnet Clubhouse-Diskussionen auf. Aber Vorsicht: Wann es überhaupt ok ist, Gesprächsrunden bei Clubhouse aufzuzeichnen, hat Kollege Dennis Horn auf seinem Blog aufgeschrieben.
- roomsofclubhouse.com bietet Nutzerïnnen einen Überblick über offene Räume.
- chblade.com lässt Nutzerïnnen andere Clubhouse-Nutzerïnnen tracken.
Hinweis: Wir haben die Tools bei Techcrunch und Product Hunt gefunden. Wir können überhaupt nichts zu den Themen Datenschutz und Funktionalität sagen. Bitte prüft vor allem die Terms of Services, bevor die Tools genutzt werden.
Creator Economy
🏡 I twitter for a living
Was ist:
- Twitter hat für das vierte Quartal überraschend starke Zahlen (CNBC) vorgelegt: Bei einem Umsatz von 1,29 Milliarden Dollar haben sie am Ende sogar 222 Millionen Dollar verdient. Für den blauen Vogel ist das wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Doch das reicht nicht, um die Investoren zufriedenzustellen.
Was Twitter vorhat:
- Damit Twitter auf Erfolgskurs bleibt, denkt das Unternehmen darüber nach, die Einnahmen stärker zu diversifizeren.
- Im Fokus steht dabei die Idee, Nutzern zu helfen, mit ihren Followern Geld zu verdienen (Bloomberg). Twitter-Boss Jack Dorsey: „That can come through a regular subscription, that can come through content unlock, that can come through tipping. There is a host of things and right now we are just studying and prioritizing what those things look like.“
Be smart:
- Für welche Optionen sich Twitter auch entscheidet: Für Creator sind das gute Nachrichten. Endlich erhalten sie die Chance auf direkte finanzielle Würdigung. Mit Aufmerksamkeit allein lässt sich keine Miete bezahlen.
- Und auch ganz ohne diesen ganzen Creator-Economy-Hype ist es eine schöne Idee, dass sich Social-Media-Unternehmen zunehmend darüber Gedanken machen, wie sie ihre Nutzerïnnen in die finanzielle Wertschöpfung einbeziehen können.
💸 Geld bewegen mit „Stir Money“
Was ist:
- Dass Creator nur eine Einnahmequelle haben, ist eher selten. Meistens handelt es sich um einen Mix aus Werbeerlösen, direkten Zuwendungen durch Fans via Patreon und Merchandise-Einnahmen.
- Das US-Startup Stir Money weiß um den Hustle, der damit verbunden ist. Insbesondere dann, wenn es sich um Einnahmen handelt, die mit anderen Creator geteilt werden müssen.
- Um das Einsammeln, Verwalten und Teilen von Einnahmen zu vereinfachen, bietet Stir Money diverse Tools an.
Alles noch beta, aber…
- Bislang steckt Stir Money zwar noch in der Beta-Phase und ist somit nur für einen ausgewählten Kreis an Testern verfügbar. Aber bereits jetzt ist das junge Unternehmen mit einer 100 Millionen Dollar schweren Finanzspritze durch die Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz gesegnet (The Information).
- Bei einer früheren Finanzierungsrunde waren YouTubes Mitgründer Chad Hurley und YouTube-Veteran Casey Neistat mit an Bord.
Be smart: Das Investment zeigt: die Branche verspricht sich extrem viel von der Creator Economy. Schon jetzt ist der Markt heiß umkämpft: OnlyFans, Patreon, Steady und Substack werden zunehmend unter Druck geraten.
One more thing
Justin Bieber bei TikTok: Äh, ja. Wir sind keine Bieber-Fans. Aber dass bei TikTok jetzt zum ersten Mal ein längeres Konzert gestreamt wird (The Fader), interessiert uns schon…
Header-Foto von Kati, xilophotography.com bei Unsplash