Musks riskante Wette: Wenn Blue scheitert, ist Twitter am Ende | Ausgabe #870

Die Zukunft von Social Media ist kostenpflichtig. Das behauptet jedenfalls Elon Musk und geht mit Twitter all-in beim Abomodell. Dumm nur, dass bislang kaum jemand für Twitter Blue zahlen will.
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Ausgabe #869 | 22.3.2023

Was ist

Heute vor fünf Monaten wechselte Twitter den Eigentümer. Seitdem hat Musk das Unternehmen auf den Kopf gestellt. Er feuerte den Großteil der Angestellten und verwandelte Twitter in eine ziemlich einzigartige Shitshow.

Das Chaos war weithin sichtbar, doch bislang wirkte Musks Willkürherrschaft vorwiegend nach Innen. Wenn Tausende Entwicklerinnen gehen, reihenweise Werbekunden fernbleiben oder Twitter offene Rechnungen nicht bezahlt, bekommen Nutzer das nicht unmittelbar mit. In den vergangenen Wochen häuften sich zwar die technischen Pannen (#865), bislang waren die Ausfälle aber so begrenzt, dass es die meisten Menschen nur am Rande mitbekommen haben dürften.

Jetzt beginnt offenbar Phase zwei der Muskschen Maßnahmen. In den kommenden Wochen wird sich nicht nur Twitter, das Unternehmen, sondern auch Twitter, das Produkt, drastisch verändern. Im Zentrum steht dabei das Bezahlmodell Twitter Blue.

Wie Twitter Abos gewinnen möchte

  • Am 1. April verlieren alle Accounts den blauen Haken, die Twitter als Legacy Verified bezeichnet (Twitter / Verified). Also etwa Prominente, Politikerinnen und Journalisten, bei denen die Verifikation für Authentizität steht.
  • Künftig besagt der blaue Haken nur noch: Dieser Account bezahlt für Twitter Blue. Die Identität spielt keine Rolle mehr. Man muss lediglich acht Dollar pro Monat (sieben bei jährlicher Zahlung, elf bei Abschluss über Android/iOS) für Twitter übrig haben.
  • Zwei Wochen später, am 15. April, wird Twitter Blue zur Voraussetzung, um an Abstimmungen teilzunehmen und algorithmisch empfohlen zu werden (Twitter / Elon Musk). Die For-You-Timeline wird künftig also ausschließlich aus Tweets bestehen, die von Blue-Abonnentïnnen verfasst wurden.
  • Das ist der bislang wichtigste Anreiz, ein Abo abzuschließen. Ein Großteil der Blue-Vorteile sind Schnickschnack, lediglich die höhere Sichtbarkeit in Antworten, Erwähnungen und der Suche war ein Mehrwert für Menschen, die kein Problem mit Pay for Reach haben.
  • Wer viral gehen möchte, wird es ohne Twitter Blue bald schwer haben. Die Tweets tauchen zwar weiter im chronologisch sortierten Following-Feed auf, die meisten Nutzerïnnen dürften aber auf die voreingestellte For-You-Timeline vertrauen.

Was Musk sagt

  • Wenige Tage nach dem Twitter-Kauf schrieb Musk (Twitter):

Twitter’s current lords & peasants system for who has or doesn’t have a blue checkmark is bullshit. Power to the people! Blue for $8/month.

  • Er verkauft die Änderungen also als Demokratisierung und beteuert, Twitter Blue sei die einzige Möglichkeit, dem angeblichen Ansturm der Bots zu begegnen (Twitter / Elon Musk). Sein Fazit:

Obvious conclusion: paid account social media will be the only social media that matters.

Warum wir skeptisch sind

  • Twitter ist nicht die einzige Plattform, die für Aufmerksamkeit Geld sehen will. Als Facebook vor fünf Jahren Inhalte von Freundinnen und Bekannten im Feed bevorzugte, verloren Posts von Medien und Unternehmen stark an organischer Reichweite. Wer weiter viele Menschen erreichen wollte, musste die eigenen Beiträge bewerben.
  • Vergangene Woche startete Meta Verified, ein Bezahlmodell für Facebook und Instagram (#862). Mit Snapchat, Telegram, Discord, Reddit, YouTube und Twitch bieten viele weitere Plattformen Abos an.
  • Dienste, die sich jahrelang ausschließlich durch Werbung finanzierten, suchen nach neuen Einnahmequellen. Man könnte also sagen: Musk hat die Zeichen der Zeit erkannt, der Fokus auf Twitter Blue ist ein logischer und wirtschaftlich gebotener Schritt.
  • Twitter lässt sich aber nur eingeschränkt mit seinen Konkurrenten vergleichen. Meta Verified richtet sich primär an Crea…

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