Alles, was du gerade über Facebook wissen musst, in rund 18.000 Zeichen erklärt.
Was ist
Hinter uns liegt einer der turbulentesten Monate in Facebooks Unternehmensgeschichte: die Facebook Files, die Entwicklungspause für Instagram Kids, der weltweite Ausfall, der Auftritt der Whistleblowerin Frances Haugen. Auch uns fällt es zunehmend schwer, den Überblick zu behalten. Wir haben den Eindruck, dass viele Menschen Facebook-müde sind – und damit meinen wir nicht, dass sie sich von den Plattformen des Konzerns abwenden.
Vielmehr winken sie innerlich ab, wenn neue Recherchen erscheinen. Wer sich ansatzweise für das Thema interessiert, hat ohnehin längst genug gelesen und gehört, um sich eine Meinung zu Facebook zu bilden. Alle anderen zucken nur mit den Schultern, ganz gleich, wie schwer die Vorwürfe wiegen.
Es ist ähnlich wie bei den Pandora Papers (SZ): Nach den Offshore und Lux Leaks, den Panama und den Paradise Papers fällt es schwer, sich noch darüber zu empören, dass Reiche und Politikerïnnen ihr Geld bei Briefkastenfirmen in Steueroasen bunkern. Dieses Verhalten ist mindestens moralisch fragwürdig, teils auch kriminell, trotzdem hat Resignation eingesetzt: Was soll's, ändert sich doch eh nichts.
Einerseits können wir die Facebook-Müdigkeit verstehen. Tatsächlich haben auch die vergangenen Wochen wenig substanziell Neues über Facebook enthüllt. Zudem ist die Situation komplizierter als bei den Steuer-Leaks. Niemand kann behaupten, dass durch Steuervermeidung ein gesellschaftlicher Nutzen entsteht. Ob die Welt ohne Facebook eine bessere wäre, lässt sich schwerer beantworten.
Andererseits bedauern wir diese Entwicklung. Schließlich betreibt Facebook drei gewaltige Kommunikationsplattformen, Mark Zuckerberg dürfte mit seinen Entscheidungen mehr Menschen beeinflussen als alle Chefredakteure der Welt zusammen. Diese Machtkonzentration verdient Aufmerksamkeit und Misstrauen – denn Vertrauen muss man sich erarbeiten, und das hat Facebook nun wirklich nicht getan.
Deshalb möchten wir dieses Briefing nutzen, um unsere eigenen Gedanken zu ordnen – und damit auch hoffentlich dir zu helfen, bei all den kleinteiligen Nachrichten das große Ganze und die wirklich wichtigen Fragen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Dafür werfen wir einen kurzen Blick zurück, holen mit einem Newsflash die Ereignisse seit unserer vergangenen Ausgabe nach und schauen dann nach vorn: Wie geht es weiter mit Facebook? Werden die aktuellen Enthüllungen irgendwas verändern? Was könnte Facebook wirklich gefährlich werden? Das letzte Wort überlassen wir dann einem Kollegen, der ein Ereignis vorhersagt, das wohl eine Flut an Eilmeldungen auslösen würde.
Was war
- Mitte September veröffentlichte das Wall Street Journal den ersten Aufschlag seiner Facebook Files. Es folgten neun weitere Teile und jede Menge Reaktionen, über die wir in sechs Briefings berichteten.
- Mit der früheren Facebook-Angestellten Frances Haugen bekamen die Facebook Files einen Namen und ein Gesicht (#749). Sie war "Sean", wie die zunächst anonyme Quelle genannt wurde, die dem WSJ die Dokumente zuspielte.
- Haugen trat zur Primetime im US-Fernsehen auf und sagte vor dem US-Senat als Zeugin aus (#750).
- Zudem reichte sie bei der US-Börsenaufsicht SEC acht Beschwerden ein, die inhaltlich größtenteils den Artikeln der Facebook Files entsprechen. Die SEC muss nun prüfen, ob Facebook Investorïnnen getäuscht hat.
- In den kommenden Wochen und Monaten wird Haugen unter anderem in London, Lissabon und Brüssel auftreten. Dort wird sie auf Konferenzen von ihren Erfahrungen berichten und dem EU-Parlament Ratschläge für das Gesetzespaket geben, das digitale Plattformen regulieren soll.
Was dazugekommen ist
- Der zehnte Teil der Facebook Files (WSJ) enthüllt, dass Facebooks AI wohl noch Jahre oder Jahrzehnte brauchen wird, um gewaltverherrlichende und strafbare Inhalte zuverlässig aufzuspüren und zu löschen – wenn es überhaupt jemals gelingt.
- Das geht jedenfalls aus internen Dokumenten und Studien hervor. Auch einige Facebook-Angestellte äußern sich skeptisch, ob maschinelles Lernen jemals in der Lage sein wird, Zuckerbergs Heilsversprechen einzulösen. Auch der Mathematik-Professor Noah Giansiracusa wirft Facebook vor, das Problem kleinzureden und zu verschleiern (Wired).
- Wohl nicht ganz zufällig veröffentlichte Facebook gleichzeitig mit dem WSJ einen Blogeintrag, in dem es sich seiner Fortschrit…