Was ist

In Rekordgeschwindigkeit durchläuft ein Gesetzentwurf (Select Committee on the Chinese Communist Party) den legislativen Prozess des Repräsentantenhauses der USA. Falls die Vorlage Erfolg hat, muss der chinesische Eigentümer ByteDance entweder die Kontrolle über das US-Geschäft von TikTok abgeben, oder die USA verbieten die App.

Das kommt dir bekannt vor? Kein Wunder, seit vier Jahren kocht die Debatte um ein mögliches Verbot immer wieder hoch:

  • Einst versuchte es Donald Trump mit zwei Executive Orders (SMWB), zwischenzeitlich stand ein Verkauf an Oracle im Raum (SMWB).
  • Nach dem Machtwechsel im Weißen Haus hatte TikTok eine Weile Ruhe, doch vor einem Jahr eskalierte der Konflikt erneut (SMWB).
  • Im vergangenen Frühjahr gipfelten die Vorwürfe in einer feindseligen Anhörung vor dem US-Kongress (SMWB), etliche Universitäten verboten die App, die EU und weitere Staaten verbannten TikTok von Diensthandys (SMWB)
  • Danach verschwand das Thema für ein Jahr weitgehend aus der Öffentlichkeit.

Was offenbar nicht verschwand: die Ablehnung, die viele US-Politikerïnnen TikTok entgegenbringen. Der aktuelle Gesetzentwurf ist der – je nach Perspektive – vielversprechendste oder bedrohlichste Versuch, ByteDance aus den USA zu verbannen.

Was der Gesetzentwurf vorsieht

  • Der „Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act“ (Congress.gov) soll verhindern, dass „foreign adversary countries“ Plattformen mit mehr als einer Million monatlich aktiven Nutzerïnnen in den USA betreiben. Die fraglichen Länder sind Nordkorea, Russland, Iran und China.
  • De facto richtet sich der Gesetzentwurf aber spezifisch gegen ByteDance und TikTok. Beide Unternehmen werden mehrfach explizit erwähnt.
  • Der chinesische Eigentümer soll die US-Version von TikTok binnen 180 Tagen verkaufen. Andernfalls müssten Apple und Google sowie Internetprovider verhindern, dass die App aktualisiert und heruntergeladen wird.
  • ByteDance wird TikTok voraussichtlich nicht verkaufen. Bereits 2020, zur Zeit von Trumps Verbotsversuchen, änderte China seine Regeln zur Exportkontrolle und sicherte sich damit ein Vetorecht (New York Times). Als im vergangenen März ein Verkauf im Raum stand, hieß es, die chinesische Regierung blockiere eine Übernahme (The Information). An dieser Haltung dürfte sich nichts geändert haben.
  • Zwischen einigen US-Poltikerïnnen und TikTok ist ein absurder Streit entbrannt, ob der Gesetzentwurf nun ein „Verbot“ fordert oder nicht. Dabei machen die Unterstützerinnen selbst keinen Hehl aus ihrer Absicht (X / Dan Crenshaw):
No one is trying to disguise anything. We want to ban TikTok. You’re correct.
(…) to finally ban TikTok in the United States
(…) this effort to ban applications that can be utilized and abused by our adversaries
(…) this bipartisan bill to ban the distribution of TikTok in the US

Warum der Vorstoß Erfolg haben könnte

  • Viele Initiativen scheitern an den parteipolitischen Grabenkämpfen. Das ist dieses Mal anders: In seltener Einigkeit treiben Demokraten und Republikaner den Gesetzentwurf voran.
  • Die Vorlage wurde von Abgeordneten beider Lager eingebracht und hat überparteiliche Unterstützung. Die demokratische Regierung half den republikanischen Initiatoren sogar bei der Formulierung.
  • Der Entwurf wurde vergangene Woche im Ausschuss für Energie und Handel des Repräsentantenhauses eingebracht. Wenige Tage später stimmten alle 50 Mitglieder des Ausschusses dafür.
  • Bereits diese Woche soll das gesamte Repräsentantenhaus abstimmen. Ein derart schnelles Vorgehen ist ungewöhnlich.
  • Auch Joe Biden hat bereits Zustimmung signalisiert. „If they'll pass it, I'll sign it“, sagte der US-Präsident. Mit seiner Unterschrift könnte der Entwurf zum Gesetz werden.
  • Potenzielle Käufer bringen sich jedenfalls bereits in Stellung. Der frühere Activision-Chef Bobby Kotick – ein mit „Unsympath“ noch vorsichtig beschriebener Charakter, der Mitarbeitende massiv bedroht und unter Druck gesetzt haben soll – schaut sich bereits nach Geldgebern um (Wall Street Journal):
[Kotick] has expressed interest to ByteDance co-founder Zhang Yiming, according to a person familiar with the situation. Any price tag is estimated to be in the hundreds of billions of dollars. Kotick is looking for partners. At a dinner at an Allen & Co. conference earlier this week, Kotick floated the idea of partnering to buy TikTok to a table of people that included OpenAI CEO Sam Altman, according to people familiar with the situation. OpenAI could use TikTok to help train its AI models if a partner such as Kotick could raise the capital for such an acquisition.

Warum der Vorstoß scheitern könnte

  • Neben dem Repräsentantenhaus und dem Präsidenten muss eine dritte Instanz zustimmen: der US-Senat. Wie sich die Senatorïnnen verhalten werden, ist unklar. Der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer hat sich bisher nicht dazu geäußert, ob er den Gesetzentwurf einbringen würde.

Dieser Artikel ist nur für zahlende Mitglieder

Jetzt Mitglied werden und vollen Zugriff auf alle Artikel erhalten.

Jetzt Mitglied werden Hast du schon einen Account? Einloggen