Social Media & Politik
- Gegenwind für TikTok: In den USA häufen sich die Probleme, mit denen sich TikTok herumschlagen muss. Indiana hat das Unternehmen verklagt, dabei geht es um angebliche Verbindungen zur chinesischen Regierung und Bedenken um die Sicherheit minderjähriger Nutzerïnnen. Gleichzeitig haben vier republikanisch geführte Bundesstaaten (Axios) Behörden und staatlichen Angestellten verboten, die App zu nutzen. Zuvor hatte das FBI vor möglicher Manipulation aus China gewarnt (Axios).
- Kein Deal für TikTok: Passend zu den Klagen und Verboten können sich TikTok und die US-Regierung weiter nicht einigen, wie das Unternehmen Sicherheitsbedenken ausräumen soll. Bis Ende des Jahres sollten die Eckpfeiler stehen, doch die Verhandlungen sind ins Stocken geraten (WSJ). Unter anderem soll TikTok Daten von US-Nutzerïnnen nur auf Oracle-Servern in den USA verarbeiten. Jetzt wachsen die Sorgen innerhalb der Regierung, dass die bislang vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichen. Das Misstrauen, das dem Unternehmen in den USA entgegenschlägt, zeigt erneut: TikToks größtes Problem ist China – mehr dazu in Ausgabe #826.
- Oversight Board kritisiert Metas Ausnahmen für Prominente: Alle Nutzerïnnen sind gleich, manche sind gleicher – das gilt auf Facebook und Instagram. Bevor Inhalte von prominenten Accounts entfernt werden, erfolgt eine manuelle Prüfung (mehr zum Programm namens Cross Check in Ausgabe #745). Was nachvollziehbar klingt, diente in der Praxis oft nur dazu, Ärger zu vermeiden und rund fünf Millionen VIP-Konten vor der regulären Durchsetzung der Community Standards zu schützen. Diese Ungleichbehandlung und Intransparenz bemängelt nun Metas Oversight Board und macht in einer langen Stellungnahme etliche Vorschläge zur Verbesserung. Das unabhängige Gremium hatte das Programm mehr als ein Jahr lang geprüft. Gute Zusammenfassungen des komplexen, aber spannenden Themas gibt es bei Casey Newton (Platformer) und Katie Harbath (Anchor Change).
- USA begraben Pläne für Mediengesetz. Am Dienstag berichteten wir noch, dass Meta drohte, in den USA sämtliche Nachrichten von seinen Plattformen zu verbannen. Damit wollte der Konzern ein geplantes Mediengesetz stoppen, dass Meta, Google und andere Plattform gezwungen hätte, einen Teil ihrer Umsätze an Medien zu verteilen. Mit einer solchen Drohung hatte Meta schon ein ähnliches Gesetz in Australien verhindert, das wir in Briefing #704 und 705 ausführlich analysierten. Jetzt hat auch der US-Kongress den Gesetzentwurf beerdigt (WaPo). So nachvollziehbar es ist, dass sich Verlage wünschen, an den Einnahmen der Tech-Konzerne beteiligt zu werden – solche Gesetze sind der falsche Weg, eine pauschale und verpflichtende Abgabe ist unfair. Deshalb können wir Metas Kritik nachvollziehen und halten wir es für richtig, dass die USA die Pläne stoppen.
- Meta verpasst Angestellten Maulkorb: Politik, Schwangerschaftsabbrüche, das Recht auf Schusswaffen oder die Wirksamkeit von Impfungen: Solche "störenden" Themen sind auch Metas internen Kommunikationsplattform künftig tabu. Mit den neuen Verhaltensregeln (Fortune) will Meta Ablenkungen vermeiden und ein produktives Arbeitsklima schaffen. Einerseits ist es ein bisschen ironisch, dass ausgerechnet der Konzern, der Facebook und Instagram betreibt, die Redefreiheit für seine eigenen Angestellten beschränkt. Andererseits sagt die Entscheidung vermutlich mehr über die kaputte politische Kultur in den USA als über Meta. Mit Coinbase und Basecamp haben andere Tech-Konzerne schon vor Jahren ähnliche Richtlinien eingeführt. Auch Meta hat seine Vorgaben seit 2020 sukzessive verschärft und immer mehr Themen verbannt (NYT).
Datenschutz-Department
- Apple verschlüsselt iCloud und stoppt CSAM-Scanning: Zwei Ankündigungen von Apple machen Datenschützerinnen und Bürgerrechtler glücklich. Zum einen werden iCloud-Backups künftig durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt (The Verge), zum anderen begräbt der Konzern alle Pläne (Wired), Fotos automatisch auf dem iPhone zu scannen, um mögliche Aufnahmen von Kindesmissbrauch aufzuspüren und Täter zu ermitteln. Dagegen hatten Aktivistïnnen und NGOs vehement protestiert Vorhaben war, entsprechend euphorisch kommentiert die EFF: "We applaud Apple for listening to experts, child advocates, and users who want to protect their most sensitive data"
- Überwachungsdystopie in China: Das westliche Gruseln vor dem chinesischen Überwachungsstaat ist oft etwas reflexhaft und blendet aus, wie tief Technologien auch in den USA und Europa schon in die Privatsphäre eingreifen. Und dennoch: Das Ausmaß von Kameras, Gesichtserkennung und Social Scoring in China ist erschreckend und zeigt, warum der Protest von Bürgerrechtsorganisationen so wichtig ist. Das verdeutlicht eine Rekonstruktion der New York Times, die beschreibt, wie die Regierung mithilfe von Handydaten und Überwachungskameras Menschen identifiziert, die gegen die drakonischen Corona-Maßnahmen protestieren.
- Metas personalisierte Werbung könnte illegal sein: Der Europäische Datenschutzausschuss hat entschieden, dass Meta personenbezogene Daten nur mit Einwilligung für personalisierte Werbung nutzen darf – und dass diese Einwilligung aktuell nicht vorliegt (Netzpolitik). Damit überstimmt der EDPB die irische Datenschutzbehörde. Das Verfahren geht auf eine Klage von Max Schrem zurück, der mit seiner Organisation noyb im Jahr 2018 DSGVO-Beschwerde einlegte. Meta kann die Entscheidung anfechten, das Verfahren dürfte sich damit noch Monate oder Jahre hinziehen.
Follow the money
- Telegram Premium hat jetzt eine Million zahlende Nutzerïnnen (TechCrunch). Nach nicht einmal sechs Monaten am Markt kein schlechtes Ergebnis.
- Ye kauft Parler doch nicht: Wir haben keine Chronistenpflicht beim Social Media Watchblog. Die Nachricht, dass Ye nun doch nicht der nächste Egomane mit eigenem sozialen Netzwerk wird (Tagesschau), möchten wir heute aber trotzdem gern mitnehmen – selbst wenn sie schon ein paar Tage alt ist.
- Du kommst hier nicht rein! Discord ermöglicht Nutzerïnnen nun, Eintritt für bestimmte Gruppen zu verlangen. Die Server Subscriptions (Discord Blog) sollen User davon abhalten, Zugänge via Patreon und Co zu verkaufen.
- Snapchat möchte mit AR-Anwendungen endlich richtig Geld verdienen. Etwa durch Filter, die zum Kauf verleiten sollen. Wie das genau gehen soll, habe ich, Martin, bei brand eins aufgeschrieben. Da es sich um das aktuelle Heft handelt, ist der Artikel noch hinter einer Paywall. Nun denn. Hier schon einmal ein Sneak-Peak. Lol.
Recap & Prediction Time
Dezember. Endlich wieder Zeit für Rückblicke und Vorhersagen.
Blick zurück
- TikToks Jahresrückblick bietet einen Überblick, welche Videos und Musikerïnnen dieses Jahr die Runde gemacht haben. “Jiggle Jiggle” und “It’s Corn” und so. Vor allem spannend: Das Top-Video – ein Konditor, der eine Giraffenstatue aus Schokolade baut – kommt auf 308 Millionen Views. Mega viel. Aber gleichzeitig auch gut sechs Millionen Views weniger als das Top-Video 2021 und fast 200 Millionen Views weniger als Bella Poarch “M to the B” im Jahr 2020. Es sieht ganz so aus, als schicke TikTok die Nutzerïnnen Jahr für Jahr in mehr Silos.
- YouTubes Jahresrückblick zeigt ebenfalls die Top Trending Videos. Leider hatten wir noch keine Zeit, alles anzuschauen, um Vergleiche zu den Vorjahren ziehen zu können.
- Reddits Recap 2022 ist eine hübsche Collage mit den besten Szenen des Jahres – hier bei Reddit und hier bei YouTube zu sehen. Fühlt sich irgendwie immer so nach Internet an, dieses Reddit.
- Googles Jahresrückblick zeigt die Top Trending Searches 2022. Viele alte Bekannte dabei, aber eine Sache überrascht dann doch: Wordle landet tatsächlich auf Platz 1 – noch vor Ukraine und Queen Elizabeth. Wow.
Blick nach vorn
- Instagrams Trend Report für 2023 zeigt, wofür sich 16- bis 24-Jährige (US-Amerikanerïnnen) interessieren. Etwa für Kosmetik-Produkte, die sie vor dem Klimawandel schützen. Hä? Ok, fair enough. Halt sehr pragmatisch diese jungen Leute. Darüber hinaus hat die Gen Z Bock auf Rave, Podcasts, Flirten via Instagram Direct Messages und mittels Social Media Geld zu verdienen. Hach! Hier geht es zur PDF. Falls der Direktlink nicht funktioniert, dann findet man ihn auch hier.
- Pinterest Predicts Report 2023 fokussiert sich auf diese vier Bereiche: ‘Fashion’, ‘Home’, ‘Wellbeing’ und ‘Celebrations’ – hier sagen sie voraus, dass mehr Leute Pool-Parties für ihre Hunde schmeißen werden. Äh, ja. Wenn Pinterest meint. Immerhin geben sie an, dass ihre Vorhersagen eine Trefferquote von 80 Prozent hätten. Wie auch immer sie das messen. Aber wir hoffen jetzt einfach mal das Beste für die Vierbeiner.
Aktuelle Beobachtungen
- BeReal-Hype schon wieder vorbei? Laut Sensor-Tower (TechCrunch) nutzen gerade einmal neun Prozent der User, die BeReal auf ihrem Android-Smartphone installiert haben, die App täglich. Instagram und TikTok kommen hier auf ganz andere Zahlen. Schon spannend, wenn man bedenkt, dass BeReal nur dafür gebaut wurde, sich jeden Tag mit einem Foto mitzuteilen. Auf unserem Instagram-Account haben wir dazu diesen Post geteilt:
- Robux statt Taschengeld: Kids haben kein Bock mehr auf Taschengeld. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Lieber sollen die Eltern ein paar Robux locker machen (Wall Street Journal). Was Robux überhaupt sind, fragst du dich? Nun, Robux sind eine digitale Währung, mit der sich beim beliebten Spiel Roblox bezahlen lässt. Bei weiteren Fragen einfach mal bei der Sparkasse nachfragen.
AI, AR, VR, Metaverse
- Meta finanziert Forschung zum Metaverse: Wie soll das Metaverse aussehen? Wer kommt dort wie zu Wort? Gibt es ein Metaverse? Oder zwei, drei viele? Wie steht es um Inklusion, Privatsphäre und Sicherheit? Um bei der Entwicklung möglichst viele unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen, stellt Meta 2,5 Millionen Dollar Fördergelder für europäische Universitäten bereit. Aus Deutschland ist Prof. Dr. Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg Stendal dabei. Quent wird sich der Schnittstelle Metaverse und Demokratie widmen.
- Lensa AI: Verdienten wir unser Geld nicht mit einem Newsletter, sondern mit einem Instagram-Account, hätten wir für die letzte Ausgabe wohl nicht mit ChatGPT gequatscht, sondern eine Reihe von Selfies bei Lensa AI hochgeladen. Die sogenannten Magic Avatare sind aktuell überall und lassen einen erahnen, wohin die Reise 2023 geht: Mehr synthetische Medien, mehr künstliche Intelligenz bei der Produktion von „Content“. Was man über die Lensa-App wissen sollte, hat Kollege Gregor Schmalzried für den BR aufgeschrieben.
Was wir am Wochenende lesen
- How one Hollywood company is placing its bets on internet stars (LA Times)
- So You Want to Be a TikTok Star: The social-media platform is transforming the music industry. Is that a good thing? (New Yorker)
- What if failure is the plan: Der beste Text über Musk und Twitter?! (Zephoria / Medium)
Neue Features bei den Plattformen
- 3D-Avatare kennen viele von Instagram, Facebook und Messenger. Jetzt gibt es die Dinger auch bei WhatsApp, um sie als Profilfoto oder Sticker zu nutzen. Mark – King of Facebook himself – Zuckerberg hat es sich nicht nehmen lassen, den Launch auf seiner Facebook-Seite zu vermelden. Total hands-on, der Mann.
- Deine Inhalte werden nicht empfohlen? Tja, das kann verschiedene Gründe haben. Wir können hier nicht auf alle eingehen. Aber wir können drauf hinweisen, dass Instagram künftig zeigt, warum Inhalte nicht an Menschen weitergereicht werden, die dir noch nicht folgen, bzw. warum sie nicht bei Explore landen. Zum Beispiel ist es laut Instagram keine gute Idee, Posts zu teilen, die nach Ecstasy aussehen. Na, wenn sich das mal mit dem Verlang der Gen Z nach mehr Raves verträgt …
YouTube
- Emotes: YouTube hat jetzt auch so Twitch-mäßige Emotes für Kommentare und Chat (Support / Google).
- Neue Statistiken: LinkedIn bietet die Möglichkeit, das Follower-Wachstum im zeitlichen Verlauf zu begutachten (LinkedIn Pulse). Auch gibt es neue Stats, um das Publikum besser kennenzulernen, sowie für die besten Posts.
- Continuous Scrolling: Was auf Seite zwei steht, existiert nicht. Diese Weisheit dürfte schon bald der Vergangenheit angehören. Anstatt die Suchergebnisse auf einzelne Seiten aufzuteilen, zeigt die weltgrößte Suchmaschine künftig auf einen Schlag die Ergebnisse von sechs Seiten (TechCrunch). Über einen „See more“-Button können dann weitere Ergebnisse (Seiten) nachgeladen werden.
Header-Foto von Mahdi Bafande
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