Zuckerberg schwört Meta auf harte Zeiten ein
Was ist
Jetzt wird es richtig ungemütlich. Das ist die Botschaft, die Mark Zuckerberg der Meta-Belegschaft einbläut. Die Rede, die er vergangene Woche bei einer internen Fragerunde hielt, ist eine der schärfsten in Metas Unternehmensgeschichte. Darin spricht Zuckerberg von einem "der schlimmsten Abschwünge, den wir in der jüngsten Geschichte gesehen haben" und droht den Angestellten, falls sie dem steigenden Druck und Tempo nicht standhalten.
In einem internen Memo schlägt Produktchef Chris Cox einen ähnlich aggressiven Tonfall an. Er warnt vor heftigem Gegenwind und kündigt harte Zeiten an, in denen Meta mit weniger Ressourcen mehr erreichen müssen.
Was Zuckerberg sagt
- Wir haben Zuckerbergs Auftritt nicht selbst erlebt, sondern beziehen uns auf Berichte von Reuters und der New York Times, denen Audioaufnahmen und Transkripte des Video-Meetings zugespielt wurden.
- Meta wollte in diesem Jahr ursprünglich 10.000 Entwicklerïnnen anstellen. Die ökonomische Ungewissheit lässt diese Zahl deutlich schrumpfen, jetzt sollen nur zwischen 6000 und 7000 Arbeitsplätzen geschaffen werden.
- Zuckerberg setzt die Belegschaft ganz bewusst unter Druck. Man werde ambitioniertere Ziele ausrufen und die individuelle Leistung der Angestellten rigoroser überprüfen. Das werde zu einer Selbstselektion führen, die er gutheiße.
- Wer den gestiegenen Anforderungen nicht gewachsen sei, könne gehen: “Realistically, there are probably a bunch of people at the company who shouldn't be here."
- Ein Angestellter, der die Videokonferenz miterlebte, sagte der Times, Zuckerberg habe frustriert gewirkt. Gefeuert werden soll aber angeblich niemand.
- Obwohl Zuckerberg schlechte Nachrichten und harte Einschnitte verkündete, gab es auch Zustimmung. Im Chat des Meetings freuten sich Angestellte, dass Meta "dead weight" loswerde, nachdem während der Pandemie die Standards für neu angestellte Entwicklerïnnen zu weit gesenkt worden seien.
Was Cox schreibt
- Vor dem Meeting teilte Produktchef Chris Cox ein Memo mit den Angestellten, das The Verge im Volltext veröffentlichte.
- Inhaltlich passt es zu dem, was Zuckerberg kurz darauf verkündete: "I have to underscore that we are in serious times here and the headwinds are fierce."
- Da sich das Wachstum verlangsame, dürfe man sich keine Fehler erlauben. Teams müssten sich auf geringere Budgets und weniger Neuanstellungen einstellen.
- Meta werde rigoros priorisieren, Leistung konsequent messen und die Effizienz der Entwicklerïnnen steigern. Damit ziele man auf schlankere und bessere Teams ab.
- Neben dieser Mischung aus Pep-Talk und Drohung skizziert Cox die sechs Bereiche, in die Meta künftig investieren wird:
- Metaverse: Zuckerbergs Vision vom Metaverse ist und bleibt die wichtigste Priorität für Meta. Der Konzern möchte einen "Avatar Art Store" lancieren und die virtuelle Welt Horizon weiterentwickeln. Zudem soll noch in diesem Jahr neue AR/VR-Hardware auf den Markt kommen. Kürzlich zeigte Zuckerberg bereits Prototypen dieser Brillen (Facebook).
- Reels & Discovery Engine: Meta setzt weiter voll auf den Kurzvideo-Boom. Reels wachsen rasant, auch und vor allem auf Facebook (vielleicht gelingt es doch, die Plattform mit neuem Leben zu füllen?). Zudem möchte man die Empfehlungslogik nach dem Vorbild von TikTok umbauen. Nutzerïnnen sehen dann mehr Inhalte, die nicht auf ihrem Social Graph beruhen. Dafür benötigt Meta allerdings fünfmal mehr Rechenleistung, als derzeit zur Verfügung steht. Mehr zu Metas TikTokisierung und der neuen Discovery Engine findest du in den Ausgaben #794 und #802.
- Community Messaging: Menschen chatten lieber als öffentlich zu posten. Deshalb setzt Meta auf WhatsApp und den Facebook Messenger. Cox sieht Meta in einer "großartigen Position, einen wertvollen Dienst in einer Größenordnung anzubieten, mit der niemand konkurrieren kann". Im Laufe des Jahres möchte man WhatsApp Communities testen und bis Ende 2022 global freigeben. Der Messenger soll enger mit Instagram verzahnt werden und unter anderem Channels für Creator erhalten.
- AI: Machine Learning bildet die Basis für fast alle Produkte von Meta. In den kommenden sechs Monaten legt man einen Fokus auf AI in fünf Bereichen: "AR (Metaverse and Avatar autogen), Product (recommendations and integrity), Responsibility (regulatory readiness) and Research (language models and translation, world-building assistance in Horizon, expanding Research SuperCluster)".
- Privacy: Mit DMA und DSA stehen große Regulierungsvorhaben an, zudem wollen US-Bundesstaaten neue Gesetze erlassen. Cox zufolge wird das fast alle Produktteams tangieren, die sich auf neue Anforderungen hinsichtlich des Datenschutzes einstellen müssen. Die internen Privacy-Prüfungen für neue Produkte sollen effizienter und weniger störend für die Teams werden – angeblich, ohne die Anforderungen zu senken.
- Monetization: Cox nennt zwei Entwicklungen, die Metas Einnahmen besonders bedrohen: die aktuelle makroökonomische Situation sowie "signal loss". Der erste Punkt ist selbsterklärend, mit dem zweiten meint er Apples App Tracking Transparency (ATT). Nutzerinnen müssen zustimmen, bevor Entwickler sie quer über Apps und Webseiten hinweg verfolgen dürfen. Dadurch können Konzerne wie Meta deutlich weniger Daten sammeln, was das Targeting erschwert. Um diese Entwicklung zu kontern, setzt Cox auf Werbung in Reels, Shop Ads und Business Messaging. Letzteres bezeichnet er als wichtigste neue Möglichkeit, um den Umsatz zu steigern. Offenbar will Meta Unternehmen dafür zahlen lassen, dass sie mit Kundïnnen chatten und sogenannte Click-to-messaging Ads schalten können.
Warum Meta kriselt
- Im ersten Corona-Jahr sah es so aus, als könne Meta von der Pandemie profitieren. Während der Lockdowns nutzten mehr Menschen Social-Media-Apps, um nicht völlig zu vereinsamen. Davon profitierten fast alle Tech-Konzerne, die 2020 ihren Umsatz deutlich steigerten.
- Der Aufschwung hielt nur kurz, etliche Krisengewinnler stürzten ab, darunter das halbe Silicon Valley. Doch Meta traf es härter als die meisten Konkurrenten: Im Februar legte Meta Quartalszahlen und einen düsteren Ausblick vor, was Aktionärïnnen massiv verunsicherte (siehe Briefing #775). Vom Börsenwert des Vorjahres ist nur noch die Hälfte übrig.
- Zwei zentrale Punkte für Metas Probleme nennt Cox in seinem Memo: Die allgemeine wirtschaftliche Situation sowie Apples Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre. Doch es gibt drei weitere Gründe.
1/ Konkurrenz durch TikTok
Bereits 2018 wurde die App als "existenzielle Bedrohung" betrachtet, dann zeigten die Facebook Files, mit welchen teils fragwürdigen Methoden Instagram verhindern will, dass Teenager abwandern. Jetzt will Zuckerberg die Algorithmen von Facebook und Instagram an TikTok angleichen (#794). Es wäre nicht das erste Mal, dass Meta erfolgreich kopiert – aber es hatte auch noch nie einen Konkurrenten wie TikTok und ByteDance.
2/ Drohende Regulierung in der EU und möglicherweise auch in den USA
DMA, DSA und Privacy Shield könnten die Kräfteverhältnisse im Netz neu sortieren und die Dominanz von Gatekeepern wie Meta schwächen (#787). Ob und wie die USA mitziehen, ist unklar. Die anstehenden Midterms sowie der Präsidentschaftswahlkampf 2024 werden aber definitiv ungemütlich: Egal, was Meta entscheidet, eine Seite (und ungefähr die Hälfte des Landes) ist immer wütend.
3/ Fokus aufs Metaverse
Zuckerberg sagt selbst, dass es rund 15 Jahre dauern wird, um seine Vision umzusetzen. Bis dahin muss Meta einen schwierigen Spagat meistern. Facebook und Instagram spülen Geld in die Kasse, deshalb müssen die Produkte weiterentwickelt werden. Gleichzeitig möchte Zuckerberg enorme Ressourcen in Forschung und Entwicklung für das Metaverse stecken. Das schmälert die Gewinne und drückt den Börsenkurs, da es Jahre bis Jahrzehnte dauern wird, bis sich diese Investitionen auszahlen. Wenn es einen Konzern gibt, der zu diesem Balanceakt in der Lage ist, dann wohl Meta – aber die Konkurrenz wartet nur darauf, dass Meta strauchelt, und es gibt kein Sicherheitsnetz. Falls Zuckerberg diese Wette verliert, dürfte seine große Zeit vorbei sein.
Be smart
Was ist dieses Metaverse, und warum setzt Zuckerberg darauf? In Briefing #755 erklärten wir Facebooks Metamorphose, zudem empfehlen wir zwei aktuelle Texte:
- Nick Clegg erklärt im Interview mit Recode Metas Vision für das Metaverse. Shirin Ghaffary stellt gute, kritische Nachfragen, die Clegg teils ausweichend, teils aber auch mit Erkenntnisgewinn beantwortet.
- Das Pew Research Center hat Dutzende Expertïnnen gefragt, wie sie das Metaverse im Jahr 2040 sehen. Herausgekommen ist ein umfangreicher Report, der auf mehr als 200 Seiten wohl wenige Fragen unbeantwortet lässt.
Header-Foto von Nathan Lee
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