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Facebook-Gruppen: Jetzt wird auch noch Discord kopiert | Warum die Chatkontrolle eine Schnapsidee ist | Die journalistische Creator-Economy in Deutsch

Facebook-Gruppen: Jetzt wird auch noch Discord kopiert | Warum die Chatkontrolle eine Schnapsidee ist | Die journalistische Creator-Economy in Deutsch

Facebook-Gruppen: Jetzt wird auch noch Discord kopiert

Was ist

Facebook hat eine Reihe neuer Funktionen (About FB) für seine Gruppen vorgestellt. Im Zentrum steht eine bessere Verwaltung sowie Channels, um sich in kleinerem Kreis zu unterhalten. Das sieht alles nützlich aus – und ziemlich bekannt: Wer Discord oder Slack nutzt, dürfte sich in den neugestalteten Facebook-Gruppen schnell zurechtfinden.

Welche Funktionen Facebook einführt

Bislang testet Facebook die aufgebohrten Gruppen nur. In den kommenden Monaten sollen folgende Features für alle Nutzerïnnen freigeschaltet werden:

Woran das erinnert

Be smart

Facebook entfernt sich immer weiter von seinen Wurzeln. Der Fokus liegt längst auf halböffentlicher und privater Kommunikation. Es geht um Communities – und um neue Möglichkeiten, Inhalte zu entdecken. Dafür kopiert Facebook nicht nur Discord, sondern bedient sich auch bei TikTok und dessen Empfehlungslogik.

Das bedeutet: Der Social Graph verliert an Bedeutung, dafür setzt Meta bei Facebook und Instagram auf "unconnected recommendations", also virale Inhalte anderer Nutzerïnnen, zu denen man bislang keinen Kontakt hatte. Du willst mehr dazu wissen? Wir haben die schleichende TikTokisierung und die neue Discovery Engine in den Ausgaben #792 und #802 ausführlich beleuchtet.


Warum die Chatkontrolle eine Schnapsidee ist

Sollte der Entwurf zum Gesetz werden, etabliert die EU ein Überwachungssystem, wie es bislang kein demokratischer Staat gesehen hat. Die Chatkontrolle ist unvereinbar mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der viele Messenger Nachrichteninhalte vor Kriminellen oder Geheimdiensten schützen.


Warum Truth Social eine Shitshow ist


Creator Economy im Journalismus

Wir freuen uns, heute einen Gastartikel von Kim Franke (LinkedIn) präsentieren zu dürfen. Kim hat sich im Rahmen ihres Masterstudiums im Bereich Medienmanagement an der Bauhaus-Universität in Weimar mit der Creator Economy im Journalismus beschäftigt.

In der Lehrveranstaltung über das journalistische Innovationssystem in Deutschland ging es hauptsächlich um die Anfänge in den USA (read: Substack-Boom, Briefing #697). Deshalb wollte Kim in ihrer Masterthesis mehr über die deutsche Journalismus-Creator-Szene erfahren.

Die Ergebnisse, die wir in unserem Briefing zusammenfassen, basieren auf qualitativen Experteninterviews mit neun Medienschaffenden aus Deutschland. Auch wir wurden zu unseren Erfahrungen mit der Arbeit beim Social Media Watchblog befragt.

Wer tiefer in das Thema eintauchen mag, darf gern via LinkedIn Kontakt aufnehmen.

Was ist

Auch im Journalismus wird gegenwärtig die Entstehung einer Creator Economy beobachtet, in der einzelne Journalistïnnen unabhängige Medienangebote wie Newsletter, Podcasts oder YouTube-Kanäle auf den Markt bringen. Dabei setzen sie häufig auf ihre eigene Personenmarke als Verkaufsargument. Für den Geschäftsaufbau verwenden sie digitale Plattformen, die ihnen die nötige Reichweite und Ressourcen bereitstellen.

Der Ursprung des Trends liegt in den USA, wo etablierte Journalistïnnen wie Glenn Greenwald ihre Unternehmen verlassen haben, um sich mit einem individuellen journalistischen Onlinemedium selbstständig zu machen. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, ihre Arbeit nicht mehr vom Arbeitgeber vergüten zulassen, sondern unmittelbar von ihrem Publikum. In Deutschland ist die journalistische Selbstständigkeit noch nicht weit verbreitet, jedoch lassen sich auch hier erste Projekte finden, wie beispielsweise der Podcast Bundestacheles von Christian Orth, der Newsletter Zwischenzeiten von Teresa Bücker oder auch der Instagram- bzw. YouTube-Kanal WasmitWirtschaft von Maximilian Nowroth.

Die Ergebnisse der Masterthesis im Überblick

Redaktionelle Prozesse als Grund etwas Eigenes zu starten: Neben dem persönlichen Interesse und den individuellen Lebensumständen sind redaktionelle Prozesse wie langwierige Produktions- und Entwicklungsprozesse oder das zu starke Redigieren der Texte für Journalistïnnen in Deutschland ausschlaggebend für den Schritt zur eigenständigen Medienproduktion.

Journalistische Content Creator nehmen sich selbst als Experten wahr: Einige unabhängige Medienschaffenden sehen sich selbst als Expertïnnen auf dem Themengebiet ihres Angebots, weshalb sie seltener Aussagen oder wissenschaftliche Daten von Externen hinzuziehen wie bei ihrer redaktionellen Tätigkeit. Dennoch halten sie bei ihrer Arbeit grundsätzlich die journalistischen Standards ein, indem sie zum Beispiel keine Informationen herausgeben, die nicht den Tatsachen entsprechen oder indem sie Fakten und Meinung strikt voneinander trennen.

Fokus auf eigene Interessen bei der Themenselektion: Die Auswahl der Themen erfolgt in erster Linie nach den eigenen Interessen der Medienschaffenden, während in der Redaktion Themen diskutiert oder gar vorgegeben werden. Ein Vorteil dieser Entscheidungsfreiheit ist, dass die Creator die Themen bearbeiten können, die sie persönlich als relevant empfinden. Sie müssen sich keinen unliebsamen Themen widmen, was sich positiv auf die Tiefgründigkeit der Beiträge auswirken könnte. Nachteil dahingegen ist, dass sie die Themen selbst finden müssen, da kein Ideenaustausch mit Kollegïnnen wie in der Redaktion stattfindet. Abgesehen davon haben die wahrgenommenen Interessen des Publikums in der Creator Economy ebenso wie in der Redaktion einen Einfluss auf die Themenselektion, wobei sich die Creator stärker an den Publikumsinteressen orientieren, insbesondere an denen einer jüngeren Zielgruppe.

Kein Produktionsprozess gleicht dem eines anderen: Content Creator unterliegen bei ihrem eigenständigen Angebot keinen Vorgaben Dritter. Dadurch können sie ihren individuellen Stil zum Ausdruck bringen und sich möglicherweise besser mit dem Produkt identifizieren als Journalistïnnen in traditionellen Strukturen, die dazu angehalten sind, sich dem allgemeinen Stil der Redaktion anzupassen. Zudem steht die individuelle Personenmarke der Medienschaffenden deutlicher im Vordergrund, was sich auf die Gestaltung des Angebots auswirkt. So ist eine zunehmende Tendenz zu einer humorvollen und meinungsäußernden Darstellungsform wahrnehmbar.

Weniger Kontrolle der Inhalte: Journalistische Content Creator lassen ihre Beiträge grundsätzlich weniger gegenprüfen als Journalistïnnen in redaktionellen Strukturen. Einzelne haben sogar gar keine externe Kontrollinstanz in ihren Arbeitsprozess integriert. Der Großteil, der seine Beiträge prüfen lässt, lässt sie von fachfremden Personen außerhalb des Journalismus prüfen. Außerdem zielt das Lektorat vor allem auf die Korrektur formaler, statt inhaltlicher Fehler ab. Begründung hierfür könnte sein, dass sich die Creator aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen selbst zutrauen, ein Thema angemessen aufzuarbeiten. Es ist anzunehmen, dass je weniger Beiträge gegengeprüft werden, desto weniger auch Veränderungen vorgenommen werden. Somit bleiben sie dem Ursprung erhalten, was sich positiv auf die Zufriedenheit des Autors auswirken könnte, da ihre Intention des Beitrags nicht verloren gehen kann. Allerdings sind die Auswirkungen eines fehlenden Lektorats insbesondere auf die Qualität der Beiträge ungewiss.

Zentrale Rolle des Publikums: Das Publikum nimmt eine große Rolle im Produktionsprozess der Creator ein. Dabei scheint zwischen den Medienschaffenden der Creator Economy und ihrem Publikum ein engeres Verhältnis zu bestehen als in redaktionellen Strukturen. Während Journalistïnnen in konventionellen Redaktionen in relativer Anonymität arbeiten, sind individuelle Medienschaffende aufgrund ihrer Personenmarke sichtbarer. Doch Analyseverfahren wie Klickzahlanalysen sind für die Optimierung des Angebots noch nicht weit verbreitet. Insgesamt haben Content Creator ein größeres Bestreben, das Publikum am Produktionsprozess zu beteiligen als in redaktionellen Strukturen. Allerdings müssen sie aufgrund ihrer geringeren Reichweite auch mit einer geringeren Resonanz rechnen.

Content Creator sind weitestgehend auf sich allein gestellt: Im Vergleich zur Redaktion gibt es bei der eigenständigen Medienproduktion keine Arbeitsteilung und auch weniger Absprachen, da sie den gesamten Produktionsprozess hauptsächlich allein stemmen müssen. Außerdem folgen Content Creator im Gegensatz zu Redakteuren, denen eine routinierte Arbeitsweise zugeschrieben wird, keiner festen Struktur. Dadurch sind sie möglicherweise anpassungsfähiger an die Schnelllebigkeit der Medienlandschaft.

Plattformen als Dienstleister: Die Plattformen, über die die Creator ihr Angebot verbreiten, nehmen nur eine geringe Rolle im Arbeitsprozess ein. Sie werden als Dienstleister angesehen, die die Medienschaffenden bei der Umsetzung und Verbreitung ihres Angebots unterstützen. Außerdem sind sie für einige Creator bei der Monetarisierung ihres Angebots nützlich. Etwaige Plattformvorgaben für den Produktionsprozess werden nicht wahrgenommen und auch kategorisch abgelehnt.

Redaktionelle Produktion wird nicht verschwinden: Die eigenständige Medienproduktion wird die redaktionelle Produktion aufgrund der positiven Auswirkungen der Zusammenarbeit nicht ersetzen. Allerdings könnte sich die traditionelle Ordnung ändern. Durch die zunehmende Verlagerung der unternehmenszentrierten Sichtweise zu einer individualisierten Anschauung, sind mehr Zusammenschlüsse einzelner Creator zu erwarten, welche zur Entflechtung der großen Verlagsstrukturen und folglich zu einer Dezentralisierung der journalistischen Aussagenproduktion führen könnte. Zweifellos trägt die Creator Economy zur Fragmentierung der Medienlandschaft bei. Sie bringt thematische Nischen hervor, die zu mehr Vielfalt im Journalismus führen. Außerdem steigen die Partizipationsmöglichkeiten der Nutzer und Nutzerinnen, die eine zunehmende Demokratisierung des Journalismus im Allgemeinen bewirken.


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