Salut und herzlich Willkommen zur 502. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute haben wir einen Video-Schwerpunkt im Programm. Zunächst blicken wir auf eine YouTube-Studie, die aufzeigt, dass YouTube seine Nutzer gern zu immer längeren Inhalten führt. Zudem widmen wir uns dem schon jetzt legendären, weil mutmaßlich gefälschtem, Video von Trumps-Pressekonferenz im Anschluss an die Midterms. Ferner berichten wir über zwei neue Apps, die TikTok Konkurrenz machen sollen. Herzlichen Dank für das Interesse und eine gewinnbringende Lektüre, Martin

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YouTube präferiert längere Inhalte

Was ist: Eine neue YouTube-Studie von PEW zeigt, dass YouTubes Empfehlungs-Algorithmus Nutzer bevorzugt zu immer längeren Inhalten hinführt.

Warum ist das interessant? Nutzer mögen zwar mit Absicht ein Video bei YouTube angeschaut haben. Satte 70 Prozent der Zeit, die Nutzer auf YouTube-Videos verwenden, werden allerdings durch YouTubes Empfehlungs-Algorithmen gesteuert. (c|net)

Warum werden nun längere Videos bevorzugt empfohlen ?

  • YouTube verspricht sich von längeren Inhalten schlichtweg mehr Werbeeinahmen.
  • Um Kreative dazu zu bringen, längere Inhalte zu produzieren, hatte YouTube im Januar diesen Jahres die Metrik umgestellt, nach der Kreative entlohnt werden (YouTube Creators Blog). So können seitdem nur Kanäle von YouTubes Werbeeinnahmen profitieren, die 1000 Abonnenten aufweisen und 4000 watch-hours im Jahr nachweisen können.
  • So wie es aussieht, haben sich zahlreiche Kreative darauf eingestellt und posten liebend gern ewig lange Videos. (Wired)

Was steht noch in der Studie?

  • Der Empfehlungs-Algorithmus führt Nutzer gern zu populären Inhalten
  • Satte 87 Prozent der YouTube-Nutzer geben an, dass How-To-Videos für sie ein elementarer Grund dafür sind, die Plattform zu nutzen.
  • Eine große Mehrheit der Eltern (81 Prozent) lässt ihre Kids Inhalte auf YouTube schauen.
  • Fast Sieben von Zehn (68 Prozent) nutzen die Plattform, um Zeit totzuschlagen.
  • Etwa die Hälfte (54 Prozent) gibt an, dass ihnen YouTube dabei hilft, Kaufentscheidungen zu treffen.
  • Fast jeder Dritte der Power-User (also jene, die YouTube mehrmals am Tag besuchen) gibt an, dass YouTube für sie sehr wichtig wäre, um zu verstehen, was in der Welt passiert.

Was bedeutet das für Medienschaffende?

  • YouTube ist als zweitgrößte Suchmaschine der Welt eine extrem wichtige Plattform, um mit eigenen Inhalten beim Publikum zu landen. Die Studie unterstreicht einmal mehr, welche Themen bei YouTube am besten funktionieren.
  • Um insbesondere das Feld der Informationsvermittlung nicht nur Laien und politisch motivierten Akteuren zu überlassen, sollten Nachrichtenanbieter schauen, dass sie auf YouTube nach Möglichkeit ebenfalls aktiv sind.
  • Dass YouTube aktuell längere Inhalte bevorzugt, kann sich nächste Woche womöglich schon wieder ganz anders darstellen. Es bietet sich nie an, solche Studien direkt als Arbeitsauftrag zu verstehen. Sehr wohl aber bietet es sich an, einmal sowohl längere als auch kürzere Videos zu testen und aus den Ergebnissen zu lernen.

Be smart: Auch wenn solche Studien einen Einblick geben, wie YouTubes Algorithmus funktioniert, stehen wir letztlich vor einer gigantischen Black Box. Nur YouTube selbst versteht wirklich, welche Inhalte aus welchem Grund welchen Personen zu welcher Zeit angezeigt werden. Als Journalisten und Zivilgesellschaft gilt es deshalb, genau dieses Prozedere kontinuierlich weiter zu hinterfragen.

Lese-Empfehlungen zum Thema:

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Vorgeschmack auf Deep Fakes

Was ist: Im Anschluss an die US-Midterms kam es zu einem denkwürdigen Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und CNNs White-House-Chefkorrespondenten Jim Acosta. Die anschließende Debatte wird als Vorbote dystopischer Zeiten gewertet.

Was ist genau passiert?

  • Bei der Pressekonferenz zum Ausgang der US-Midterms geht CNN-Reporter Jim Acosta US-Präsident Donald Trump gewohnt scharf an. Dieser lässt sich die Fragen von Acosta nicht gefallen und verurteilt ihn als „fake news“, fordert ihn gar auf, das Mikrofon abzugeben. Acosta aber fragt weiter.(CSPAN / YouTube)
  • Eine Mitarbeiterin des Weißen Hauses versucht daraufhin, Acosta das Mikrofon wegzunehmen, wirkt sogar ungeschickt übergriffig dabei. Zunächst insistiert Acosta, weiter Fragen zu dürfen, letztlich gibt Acosta das Mikro frei.
  • Als Reaktion auf den Vorgang wird Acosta vom Weißen Haus die Akkreditierung entzogen.
  • Untermauert wird diese Entscheidung seitens des Weißen Hauses durch ein Video, das von einem Info-Wars-Mitarbeiter auf Twitter initial geteilt wurde (PrisonPlanet / Twitter) und die Situation anders erscheinen lässt als sie sich bei der eigentlichen Live-Übertragung dargestellt hatte: im Video, das von White House Press Secretary Sarah Sanders geteilt wird (Twitter), sieht es so aus, als würde Acosta die Mitarbeiterin des Weißen Hauses körperlich angehen.
  • Eine Debatte entfacht darüber, ob das Weiße Haus ein absichtlich manipuliertes Video teilt.

Was hat es mit dem Video denn nun auf sich?

  • Um es vorwegzunehmen: Es gibt, soweit ich das mitbekommen habe, keine eindeutigen Beweise dafür, dass das fragliche, vom Weißen Haus geteilte Video, absichtlich manipuliert wurde.
  • Sehr wohl aber konnte herausgearbeitet werden, dass das initial vom Info-Wars-Mitarbeiter Paul Joseph Watson auf Twitter geteilte Video einige Frames weniger aufzeigt als der Original-Mitschnitt von CSPAN. Dadurch wirkt es in der Tat so, als würde Acosta den Arm von der Mitarbeiterin des Weißen Hauses arg ruppig wegdrücken.
  • Es stellt sich nun die Frage, ob die Frames mit Absicht herausgeschnitten wurden oder ob es bei der Konvertierung des Videos die Frames „verloren“ hat – was rein technisch betrachtet durchaus plausibel ist.
  • Hier, hier und hier melden sich Video-Experten zu Wort, die das Video ausführlich untersucht haben.

Warum ist das so interessant? Die gesamte Geschichte ist ein ziemlich perfektes Beispiel für ein Szenario, vor dem Desinformationsexperten seit Monaten warnen: die bloße Bedrohung durch Videomanipulation kann bereits zu einer Verwischung der Realität führen.

Be smart: Sogenannte Deep Fakes haben das Potential für politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sprengstoff – selbst dann, wenn sie vielleicht am Ende gar keine sind.

Stärker ins Thema einsteigen:

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Neue Apps für noch mehr Video-Inhalte

Vine-Gründer bald mit neuer App: Der Gründer der extrem populären, aber leider wirtschaftlich wenig erfolgreichen App Vine hat angekündigt, im kommenden Jahr eine neue App mit dem Namen Byte launchen zu wollen. Die App würde sich erneut kurzen, Videos widmen, die in Dauerschleife laufen, so Hofmann via Twitter. Hier gibt es mehr Infos zum Launch von Byte. (CNBC)

Launch von TikTok-Klon: Einige Entwickler bei Facebook mussten wieder einmal über mehrere Monaten ihren Stolz am Eingang abgeben und eine App klonen: das Ergebnis hört auf den Namen Lasso und soll als Konkurrenz zu TikTok ins Feld geschickt werden. Spannenderweise hat Facebook zum Launch überhaupt keinen Wind gemacht, ja noch nicht einmal eine Pressemitteilung rumgeschickt. Einzig der Produktmanager lässt via Twitter mitteilen, dass es die App gibt. Selbst auf dem Lasso-Twitter-Account (@lassovideos) ist überhaupt nix los. Sehr, sehr komisch, das alles. Vielleicht ja auch deshalb, weil es zeitlich mit der Ankündigung des Vine-Nachfolgers zusammenfiel?

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Eingeständnis der Woche

„I think showing follower counts was probably ultimately detrimental. It really put in your face that the game was popularity.“ – Ev Williams

Ev Williams, Mitbegründer und Vorstandsmitglied von Twitter, gibt zu Protokoll, dass es im Nachhinein keine gute Idee gewesen wäre, Follower-Zahlen in den Profilen der Nutzer zu zeigen. Auch wären die Listen mit den empfohlenen Nutzern wenig sinnvoll gewesen. Gerade den zweiten Punkt kann ich unterstreichen – diese Praxis hat noch bis heute Auswirkungen, führte sie doch auch in Deutschland zu einem extremen Ungleichgewicht in der deutschen Twitter-Landschaft. (Recode)

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Social Media und Journalismus

Wenn der Kontext fehlt: Kollege Martin Hoffmann hatte vor ein paar Wochen seinen Unmut über Zitat-Grafiken geäußert, die ent-kontextualisiert Inhalte von Politikern in die sozialen Netze spülen. Daniel Bouhs hatte das Thema für NDR Info aufgegriffen. So ziemlich die gleichen Fragen darf man sich wohl auch hinsichtlich der Übernahme von maximal fragwürdigen Aussagen in Überschriften (bei Social-Media-Posts) stellen – etwa wenn Trump ungeniert Unwahrheiten verbreitet, diese dann im Wortlaut in Überschriften und ohne entsprechenden Kontext verbreitet werden. Zeit also, sich über Überschriften Gedanken zu machen, findet Media Matters.

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Der Wert von Instagram Stories

Was ist: Instagram Stories sind für deutsche Publisher längst zu einem Werkzeug geworden, das derzeit aus der täglichen Social-Media-Arbeit nicht mehr wegzudenken ist.

Welchen (Mehr-) Wert haben Stories?

  • Klar ist, dass durch Instagram-Stories die Reichweiten-Verluste, die beim Facebook News Feed vielerorts zu verzeichnen sind, nicht einmal im Ansatz wett gemacht werden können. Sehr wohl aber werden Stories von Publishern geschätzt, weil sie die Möglichkeit bieten, viel Aufmerksamkeit auf ganz ausgewählte Geschichte zu lenken.
  • So mögen die reinen Klicks marginal sein: in aller Regel erreichen die Publisher mittlere dreistellige Swipe-Ups…
  • … die „Klicks“ werden jedoch als sehr viel wertvoller erachtet. Bei der BILD etwa führen sie laut Morten Wenzek (Verantwortlicher Redakteur Neue Plattformen, BILD) sogar zum Verkauf von Plus-Inhalten (Twitter).

Der größere Zusammenhang: Auch für Werber scheinen Instagram Stories derzeit lukrativ, erzielen doch einige die meisten Umsätze mit Werbung in Stories. (Digiday)

Be smart: Wer begrenzte Ressourcen hat, sollte sich sehr genau überlegen, ob wirklich weiter der Facebook News Feed permanent bespielt werden muss (inklusive der Zeit- und Nerven-aufreibenden Kommentar-Moderation) oder ob es nicht vielleicht aktuell viel spannender und gewinnbringender sein könnte, Instagram Stories mit echten Highlight-Geschichten zu bauen.

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One more thing

500 Newsletter-Ausgaben: Beim VOCER Innovation Day in Hamburg durfte ich am vergangenen Wochenende über die Arbeit beim Social Media Watchblog sprechen. Damit das Wissen nicht nur in den heiligen Hallen des SPIEGEL Verlags bleibt, habe ich einen kleinen Blogpost geschrieben, den ich gern hier an dieser Stelle teilen möchte: Was ich nach 500 Newsletter-Ausgaben gelernt habe.

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Die letzten drei Briefings

  • Panikmache bei YouTube um Artikel 13, Facebooks Rolle in Myanmar, TikTok Downloads | Ausgabe #501
  • Abschied vom News Feed, Social Media und Midterms, Gab is back | Ausgabe #500
  • Facebooks Zukunft, Snapchats Probleme, politische Werbung | Ausgabe #499