Facebook macht Ernst in Sachen Audio
Was ist
Facebook hat eine Reihe neuer Audio-Features vorgestellt. Darunter ein Tool, um Audio aufzunehmen, ein neues Audio-Posting-Format mit dem Namen Soundbites, einen Clubhouse-Klon für Facebook und Messenger sowie eine weitgreifende Partnerschaft mit Spotify, die den Konsum von Podcasts und Musik innerhalb von Facebook ermöglicht.
Warum ist das interessant?
Audio boomt. Bereits seit vielen Monaten zirkuliert der folgende Witz:
"Immer wenn ich einen alten Bekannten länger nicht gesprochen habe, gratuliere ich zum gelungenen Podcast. Bislang lag ich noch nie daneben."
Fast 2 Millionen Podcasts listet allein Apples Podcast Library. Und nicht nur Podcasts liegen voll im Trend. Mit dem Start von Clubhouse steht das Thema Social Audio sehr viel grundsätzlicher im Fokus. Außer TikTok und Snapchat tüfteln derzeit alle etablierten Plattformen an eigenen Clubhouse-Varianten. Facebook hat jetzt die umfassendste Roadmap vorgelegt, wie das Thema Social Audio angegangen werden soll.
Was Facebook plant
- Audio Creation Tools: Facebook arbeitet an Tools, die es jedem ermöglichen sollen, gut klingendes Audio zu posten. Zudem soll es möglich sein, Audio-Aufnahmen mit Musik aus Facebooks Sound Collection zu hinterlegen. Ferner möchte Facebook diverse Audio-Effekte zur Verfügung stellen – think Filter für Audio.
- Soundbites: Dass Facebook nicht nur kopieren sondern auch innovativ sein kann, beweisen sie mit der Einführung des neuen Audio-Posting-Formats „Soundbites“. Was TikTok für Video ist, könnte Facebook Soundbites für Audio werden. Das Unternehmen beschreibt Soundbites wie folgt:
"Short-form, creative audio clips for capturing anecdotes, jokes, moments of inspiration, poems, and many other things we haven’t yet imagined."
- Podcasts bei Facebook: Bislang mussten Facebook-Nutzerïnnen die App verlassen, um Podcasts zu hören. Durch eine erweiterte Partnerschaft mit Spotify wird sich das grundsätzlich ändern. Künftig können Nutzerïnnen Podcasts und Musik direkt innerhalb der Facebook-App hören (The Verge).
- Live Audio Rooms: Darüber hinaus plant Facebook den Launch von sogeannten Live Audio Rooms bei Facebook und Messenger – quasi Facebooks Antwort auf den Hype um Clubhouse.
Was von Facebooks Plänen zu halten ist
- Roadmap: Zunächst einmal ist erstaunlich, wie umfangreich die Roadmap ist, die Facebook in Sachen Audio vorlegt. Viele Beobachterïnnen sind davon ausgegangen, dass Facebook schnell einen Clubhouse-Klon präsentieren würde. Keine Überraschung an dieser Stelle. Dass Facebook aber so viel mehr in Sachen Audio plant, dürfte viele erstaunen.
- Innovation: Die Einführung von Soundbites als eine Art TikTok für Audio ist wirklich smart. Bislang galt Zuckerbergs Laden vielen vor allem als dreistes Kopierwerk. Mit Soundbites legen sie ein Posting-Format vor, dass es so an keiner anderen Stelle gibt. Hut ab! Ohren auf!
- Convenience und Discoverability: Eine Verzahnung von Spotify und Facebook scheint überfällig. Dass Nutzerïnnen künftig auf das Angebot von Spotify innerhalb von Facebook zugreifen können, ist für viele Nutzerïnnen sicherlich bequem. Für Künstlerïnnen bedeutet es aber vor allem eine bessere Auffindbarkeit, ergo mehr Sichtbarkeit und mehr Plays. Gute Sache!
- Clubhouse nur ein Feature? Facebook setzt darauf, dass eine Integration von Social Audio viele davon abhalten wird, zu Clubhouse zu wechseln. Unserer Einschätzung nach wird das gelingen. Warum sollte z.B. eine gut funktionierende Facebook-Gruppe nicht direkt auf die Social-Audio-Funktionalitäten zurückgreifen, die die Plattform eh bietet? Es gibt keinen Grund, dafür eine andere App zu wählen.
Wo es noch hakt
- Monetarisierung Mark Zuckerberg erklärt im Talk mit Casey Newton (Soundcloud), wie viel ihm Creator bedeuten würden. Schnief, da kommen einem glatt die Tränen. Warum Facebook gar nicht drum herum kommt, Creator stärker zu umgarnen, haben wir hier, hier und hier ausführlich erklärt. Die vom Unternehmen nun angekündigten Optionen (Facebook Stars, Einmalzahlungen, Subscriptions), mit Audio-Inhalten Geld verdienen zu können, klingen durchaus vielversprechend. Was am Ende wirklich beim Creator landet, bleibt allerdings abzuwarten. Bislang ist Facebook nicht das Mittel der Wahl, um mit kreativen Inhalten im Internet Geld zu verdienen. Im Gegenteil: Bislang galt für Facebook stumpf „alle gegen alle“ – Kollateralschäden inbegriffen.
- Content Moderation: Wer in der Kantine ein Gespräch zwischen Kollegïnnen mitbekommt, in dem es um die eine oder andere Verschwörungsideologie geht, würde vermutlich nicht darauf kommen, die Unterhaltung direkt bei der Polizei zu melden. Wie aber sollte Facebook vorgehen, wenn in einer Gruppe ähnliches geschieht? Direkt die Unterhaltung runternehmen? Die Nutzerïnnen gar sperren? Das Thema Content Moderation betritt mit Social Audio eine neue Dimension. Wie Facebook (und all die anderen Unternehmen in diesem Feld) hier für „Ordnung“ sorgen möchte, ist gänzlich ungeklärt.
Be smart
Social Audio ist here to stay. Ohne jede Frage! Facebook hat das erkannt und schreitet voran. Durchaus ungewöhnlich für das Unternehmen. Wir selbst betrachten Social Audio als Feature und sind weiterhin nicht all zu bullish was Clubhouse angeht. Den neuen Features von Facebook räumen wir daher gute Chancen ein, von den Nutzerïnnen angenommen zu werden. Die Hype-App Clubhouse dagegen erinnert immer stärker an Medium – einst dafür angetreten, Blogging zu revolutionieren, dann aber sehr schnell zum Medium der Wahl eines sehr speziellen Klientels geworden. Clubhouse droht trotz neuer, millionenschwerer Finanzierungsrunde ein ähnliches Schicksal. Wer aktuell an der eigenen Audio-Strategie feilt, sollte sich unserer Meinung nach nicht all zu sehr auf eine Plattform festlegen, sondern weiterhin vor allem im Blick behalten, wo die Zielgruppe unterwegs ist. Denn Audio ist bald überall.
Weitere Texte zum Themenkomplex
- Can Clubhouse keep the party going? (The Verge)
- How Clubhouse Can Thrive: Lessons from Live Video (Peter Yang)
- Clubhouse’s Inevitability (Stratechery)
- Reddit Talk is a Clubhouse competitor for subreddits (The Verge)
Social Media & Politik
Facebook soll Pläne für ein Kinder-Instagram beerdigen
In einem internen Memo hatte Instagrams Vice President of Product, Vishal Shah, vor ein paar Wochen erklärt, dass das Unternehmen an einer Art Instagram für Kinder unter 13 Jahren arbeitet. BuzzFeed berichtete. In einer gemeinsamen Erklärung (New York Times) haben nun 35 Kinder- und Verbraucherschutzgruppen Instagram dazu aufgefordert, diese Pläne nicht weiter zu verfolgen. In einem Brief an Mark Zuckerberg warnt der Zusammenschluss der Schutzorganisationen, dass auch eine Kinderversion der App nicht vor sexuellen Übergriffen und Mobbing schützen werde. Zudem kritisieren die Verbraucherschützerïnnen, dass ein Kinder-Instagram die Anfälligkeit für Manipulation bei Kindern leicht ausnutzen könnte.
Weitere Schlagzeilen
- Facebook Oversight Board braucht noch ein paar Wochen, um zu entscheiden, ob Donald Trump seine Aktivitäten auf Facebook wieder aufnehmen darf (Politico)
- Twitter will sich anschauen, welchen Schaden sie IRL anrichten (Engadget)
- Wie sich YouTube für Alt-Right-Hass ausnutzen lässt (New York Times)
- Parler darf zurück in Apples App Store (The Verge)
Social Media & Journalismus
TikTok finanziert NowThis-Serie
TikTok erweitert sein Programm der direkten Finanzierung und Förderung von geplanten Inhalten um die Serie „VIRAL“ von NowThis. Zwar wurden auch zuvor einzelne Content Creatorïnnen über das sogenannte Instruktive Accelerator Programm finanziell gefördert. Die Kooperation mit NowThis (Techcrunch) hat aber eine andere Qualität. Zudem geht TikTok mit dieser Zusammenarbeit neue Wege: Anstatt Informationen lediglich zu überprüfen und auf offizielle Quellen zu verweisen, beteiligt sich TikTok mit der Finanzierung von „VIRAL“ aktiv an der Produktion öffentlichkeitswirksamer Inhalte. 👀
Follow the money
Facebook testet neues Feed-Feature in USA
Facebook möchte noch mehr über seine Nutzerïnnen wissen und testet daher ein neues News-Feed-Features (Techcrunch): Ausgewählte US-Userïnnen können unter Anzeigen und Beiträgen auf Themen klicken, die sie interessieren, um verwandte Geschäfte zu entdecken. Das Unternehmen verspricht sich dadurch mittelfristig ein neues Anzeigenformat.
- New Ways to Get Discovered, Save Time and Connect with Customers (Facebook for Business)
- New Facebook Business Suite Features Include Scheduling Stories and Editing Scheduled Posts (Facebook for Business)
Weitere Schlagzeilen
- ByteDance peilt märchenhafte Umsätze an (Bloomberg)
- Triller kriegt neuen CEO nachdem bekannt wurde, dass die Stats aufgebläht waren (Techcrunch)
- Die Messaging-App WIRE sammelt frisches Geld ein (Techcrunch)
- Die Social-App IRL könnte bald eine Milliarde Dollar wert sein. (The Information)
Schon einmal im Briefing davon gehört
Facebook Dating eher lame
Seit der Einführung von Facebook Dating 2018 in Kolumbien und 2019 in den USA ist es weitgehend still um die Plattform geworden. Zwar gibt es die Dating-Funktion mittlerweile auch auf dem europäischen Markt, so richtig in Fahrt kommt Facebook Dating aber nicht (The Verge).
Neue Features bei den Plattformen
- Mehr Interoperabilität wagen: Wer mag, kann seine text-basierten Facebook-Posts jetzt bei WordPress, Google Docs oder Blogger importieren. Erst einmal nur ein kleiner Schritt, aber definitiv einer in die richtige Richtung.
Header-Foto von KAL VISUALS bei Unsplash
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