Zehn Erkenntnisse aus dem Reuters Digital News Report

Was ist

Es gibt zwei Studien, über die wir jedes Jahr berichten: die ARD/ZDF-Onlinestudie und den Digital News Report des Reuters-Institutes der Universität Oxford. Es sind die umfassendsten und methodisch besten Untersuchungen zur Nutzung klassischer und sozialer Medien.

Der Oktober ist Onlinestudien-Zeit, im Juni erscheint der DNR. Wir haben den Großteil der 164 PDF-Seiten gelesen, die Deutschland-spezifischen Ergebnisse betrachtet, uns durch Slides geklickt und uns mit anderen Journalistïnnen ausgetauscht.

Jetzt fassen wir zehn Erkenntnisse zusammen und vergleichen dabei globale und deutsche Resultate. Natürlich gibt der DNR noch mehr her, das sprengt aber den Rahmen dieses Briefings und auch unser Zeitbudget. Wir empfehlen, sich unabhängig von unserem Newsletter mit der Studie zu beschäftigen.

Was war

Falls du die Ergebnisse mit denen der vergangenen Jahre vergleichen willst, verlinken wir hier unsere entsprechenden Newsletter:

Wo sich das nachlesen lässt

Der Reuters-Report ist nicht nur informativ, er ist auch hervorragend aufbereitet und setzt jedes Jahr neue Standards für Interaktivität und Zugänglichkeit. Klar, da stecken auch enorme Ressourcen dahinter – aber manche Universität könnte einsehen, dass es wenig bringt, viel Zeit und Geld für Forschung auszugeben, um die Ergebnisse dann in einem unübersichtlichen, schwer auffindbaren PDF-Dokument zu verstecken.

Die wichtigsten Anlaufstellen im Überblick:

Wer gefragt wurde

Den Großteil der Befragungen hat das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Januar und Februar 2021 durchgeführt. Insgesamt fließen in den Bericht die Antworten von mehr als 92.000 Menschen aus 46 Ländern ein. Neu dazugekommen sind Indien, Indonesien, Thailand, Nigeria, Kolumbien und Peru. Zusätzlich wurden Fokusgruppen-Interviews durchgeführt, unter anderem in Deutschland.

Die Ergebnisse sind für fast jedes Land repräsentativ, auch für Untergruppen (Alter, Geschlecht, Region, Bildung) soll die Stichprobe nach Angaben der Forscherïnnen noch groß genug sein. In vier Ländern (Indien, Kenia, Nigeria, Südafrika) wurden nur jüngere, Englisch sprechende Menschen erreicht, dort spiegeln die Resultate also nicht die Gesamtbevölkerung wider.

Es gibt eine wichtige Einschränkung: Da es sich um eine Online-Befragung handelt, fließen nur Rückmeldungen von Menschen ein, die online sind – ältere und schlechter gebildete Gruppen könnten unterrepräsentiert sein. Auch deshalb ist der direkte Vergleich zwischen Ländern schwierig: In Norwegen und Dänemark sind 98 Prozent der Bevölkerung online, in Südafrika und Indien nur gut die Hälfte.

Für Deutschland ergibt sich aus der Befragungsmethode jedenfalls keine Verzerrungsgefahr. Bei einer Onliner-Quote von 96 Prozent dürften die 2011 Befragten recht repräsentativ sein.

Was dabei herauskam

Wir konzentrieren uns auf zehn Ergebnisse, die wir wichtig finden oder die uns überrascht haben. Das heißt aber nicht, dass es auch die Erkenntnisse sind, die für dich am relevantesten sind. Wir beschränken uns nicht ausschließlich auf Social Media, da dieses Briefing auch viele Journalistïnnen lesen.

1. Das Vertrauen in Medien ist gestiegen

  • Die Pandemie hat vielen Online-Medien starke Reichweiten-Zuwächse beschert – und offenbar sind viele Menschen zufrieden mit dem, was sie dort gesehen haben.
  • Weltweit vertrauen 44 Prozent Menschen den Nachrichten, das sind sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Der Wert liegt damit wieder auf dem Niveau von 2018. Trotz des positiven Trends ist es aber beunruhigend, dass weniger als die Hälfte der Befragten die Frage bejaht.
  • In Deutschland geben 53 Prozent der erwachsenen Onliner an, den Nachrichten im Allgemeinen zu vertrauen (2020: 45 %). Vor allem bei den 18-24-Jährigen ist das Vertrauen stark gestiegen: von 31 auf 48 Prozent.
  • Der vergleichsweise hohe Wert passt zu anderen Befragungen wie etwa der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen aus dem vergangenen Jahr.
  • Auch das Interesse an Nachrichten ist in Deutschland auf einem vergleichsweise hohen Niveau. 92 Prozent der Befragten konsumieren mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten. Zwei Drittel geben an, sie seien sehr oder überaus an Nachrichten interessiert. 2016 lag dieser Wert allerdings noch bei 84 Prozent.
  • Interessant: 62 Prozent vertrauen den Nachrichten, die sie selbst lesen, sehen und hören. Das Misstrauen richtet sich also eher gegen Medien, mit denen man nicht in Berührung kommt.
  • Global und in Deutschland haben vor allem Medienmarken an Reichweite gewonnen, die hohes Vertrauen genießen. Die Corona-Krise scheint also das Bedürfnis nach verlässlichen Informationen erhöht zu haben.

2. Ganze Bevölkerungsgruppen fühlen sich nicht ausreichend repräsentiert

  • Vor allem in den USA wollen Teile der Bevölkerung nichts mehr von Medien wissen. Der Anteil der Rechten und Konservativen, die sich für Nachrichten interessieren, ist um 17 Prozentpunkte gefallen. Das hängt mit der US-Wahl und der Niederlage Donald Trumps zusammen.
  • Das Problem trifft aber nicht nur die USA. Auch in Deutschland fühlen sich bestimmte Gruppen nicht repräsentiert: Ostdeutsche, Rechte und Jüngere.
  • Ein Viertel ist unzufrieden mit dem Umfang der Berichterstattung bezüglich des eigenen Wohnorts. Besonders hoch liegt dieser Anteil in den ostdeutschen Bundesländern.
  • Auch hierzulande haben insbesondere Menschen an den Rändern des politischen Spektrums den Eindruck, dass ihre Ansichten in den Medien nicht angemessen widergespiegelt werden. Nur 19 Prozent der Befragten, die sich in der politischen Mitte verorten, sind dieser Meinung – aber 27 Prozent der Linken und 41 der Rechten.
  • Der dritte wichtige Faktor ist das Alter: Fast drei von zehn Befragten glauben, dass Inhalte für ihre Altersgruppe zu selten in den Medien auftauchen. Am zufriedensten ist die Altersgruppe der 45-54-Jährigen, am meisten auszusetzen haben die Jüngsten: 42 Prozent der 18-24-Jährigen sagen, dass Berichterstattung über Menschen in ihrem Alter zu kurz kommt.

3. Konservative erwarten Meinungspluralismus, ein Teil der Jüngeren Aktivismus

  • Zugegeben: Die Überschrift ist überspitzt. Wir möchten an dieser Stelle keine Grundsatzdebatten über angebliche Objektivität und das Für und Wider von "Haltungsjournalismus" führen. Aber die Tendenz ist eindeutig.
  • Weltweit und in Deutschland wünschen sich rund drei Viertel der Befragten, dass Medien eine Bandbreite unterschiedlicher Meinungen abbilden und es den Menschen selbst überlassen sollten, eine Entscheidung zu treffen.
  • Jeweils rund zwei Drittel sagen, dass Nachrichtenmedien versuchen sollten, bei jedem Thema neutral zu bleiben und jeder Position die gleiche Zeit einzuräumen.
  • Auffällig sind erneut die Unterschiede in Abhängigkeit von Alter und politischer Orientierung: Jüngere und Linke sind eher der Meinung, dass es keinen Sinn ergibt, bei bestimmten Themen neutral zu bleiben.
  • Das sagen in Deutschland 34 Prozent der 18-24-Jährigen und 36 Prozent der Befragten, die sich links der Mitte verorten – aber nur 19 Prozent der Generation Ü55 und 13 Prozent der Konservativen und Rechten.
  • Global fällt die Differenz sogar noch deutlicher aus. In den USA glauben etwa 54 Prozent der Linken, aber nur 11 Prozent der Rechten, dass Medien nicht immer neutral bleiben sollten.
  • Wenn wir diese Zahlen sehen, fragen wir uns aber, was ein Teil der Befragten unter Objektivität und Neutralität versteht. Sender wie Fox News sind schließlich das Gegenteil von überparteilich und ausgewogen. Auch in Deutschland lassen sich auf beiden Seiten des Meinungsspektrums vergleichbare Medien finden.
  • Aus unserer eigenen Erfahrung können wir sagen, dass viele Menschen vielleicht die theoretische Idee von Neutralität und Meinungspluralismus unterstützen. Wenn man es aber an konkreten Beispielen festmacht, wollen sie lieber ihre eigenen Ansichten bestätigt bekommen.

4. Die Rolle von Social Media für den Nachrichtenkonsum verändert sich

  • Bei diesem Punkt fokussieren wir uns vor allem auf Deutschland, weil die Antworten je nach Land teils komplett unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Social Medial weltweit eine tendenziell größere Rolle spielen als hierzulande. Vor allem in Asien sind Aggregatoren stark verbreitet, während im Globalen Süden besonders viele Menschen über Messenger mit Nachrichten in Kontakt kommen.
  • In Deutschland bleiben WhatsApp, YouTube und Facebook die Kanäle, die Menschen am häufigsten nutzen, um Nachrichten zu lesen, zu teilen oder darüber zu diskutieren. Analog zur sinkenden Verbreitung hat aber auch Facebooks Bedeutung für den Nachrichtenkonsum über die Jahre stark nachgelassen.
  • Facebook bleibt zwar die Plattform, die am meisten Menschen für Nachrichten nutzen. Mit 18 Prozent liegt es aber ungefähr gleichauf mit WhatsApp (17 %) und YouTube (16 %). Vor fünf Jahren lag Facebooks Anteil noch doppelt so hoch wie der anderer Dienste.
  • Wenn man Menschen nach ihrer Motivation fragt, bestimmte Plattformen für Nachrichten zu nutzen, fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus. Auf Facebook kommt fast ein Drittel der Befragten eher zufällig mit Nachrichten in Kontakt, weil sie dort eigentlich aus anderen Gründen unterwegs sind. Dagegen schätzt ein Viertel der Menschen, die Twitter nachrichtenbezogen nutzen, die Diskussionen und Kommentar. Und im Fall von Instagram sagen 23 Prozent, dass Nachrichten einen "kurzweiligen und unterhaltsamen Zeitvertreib" darstellten.
  • Vor allem die Altersgruppe 18-24 setzt auf Instagram: Ein Viertel der Befragten nutzt die App als Nachrichtenquelle. In der erwachsenen Gesamtbevölkerung sind es nur sieben Prozent.
  • Bei einer Frage sind sich Junge und Ältere aber einig: Nur 14 Prozent sagen, man könne Nachrichten in sozialen Medien meistens Vertrauen. Ein gutes Drittel ist unentschieden, die Hälfte misstraut Nachrichten, auf die sie über Social Media stoßen.
  • Ähnlich wie beim dritten Punkt glauben wir aber, dass soziale Erwünschtheit bei dieser Frage eine Rolle spielt. Wenn man sich anschaut, wie schnell sich Falschmeldungen in sozialen Medien verbreiten, kommt es uns so vor, als seien viele Menschen leichtgläubig, sobald eine Nachricht in ihr Weltbild passt. Das gilt übrigens ausdrücklich nicht nur für Rechte, wie jüngst etwa die absurde Aufregung über eine angeblich rassistische Geste (NYT) bei der US-Show Jeopardy! zeigte.

5. Auf neuen Plattformen sind die alten Gatekeeper chancenlos

  • Facebook, Twitter und YouTube werden alle bald volljährig – und sind damit in der Netz-Zeitrechnung richtig alt. Entsprechend spielen dort klassische Medienmarken eine vergleichsweise große Rolle für den Nachrichtenkonsum.
  • Weltweit sind etablierte Medien und/oder Journalistïnnen die wichtigste Quelle für Nachrichten, wenn Menschen auf diesen Plattformen nach Informationen suchen. Auf Twitter spielen außerdem Politikerïnnen eine große Rolle.
  • In der Altersgruppe U35 und auf jüngeren Plattform sieht das aber völlig anders aus. Dort dominieren "Internet personalities", also Prominente und Influencerïnnen. Auf Instagram (36 %), Snapchat (37 %) und TikTok (40 %) prägen sie den Nachrichtenkonsum der Jüngeren mit Abstand am stärksten. Klassische Medien spielen eine deutlich geringere Rolle, auf TikTok sind sie nur für zwölf Prozent der Befragten wichtig.
  • Für Deutschland liegen leider keine altersspezifischen Daten vor. Auch über alle Altersgruppen hinweg erscheint uns das Sample zu klein, um annähernd sinnvolle Rückschlüsse daraus zu ziehen. Zu Instagram und Twitter wurden etwa jeweils weniger als 100 Menschen befragt. Deshalb gehen wir auf diese Zahlen nicht näher ein.
  • Unabhängig von der Plattform ist aber zu beobachten, dass insbesondere Jüngere die Bindung zu bestimmten Medienmarken verlieren. Für gerade einmal 19 Prozent der 18-24-Jährigen ist der Direktzugriff über eine Webseite oder App der wichtigste Zugangsweg zu Online-Nachrichten. Mit 24 Prozent spielen soziale Medien in dieser Altersgruppe die größte Rolle.
  • In der Gesamtbevölkerung verteilt es sich anders: 36 Prozent greifen hauptsächlich direkt auf Medien zu, zwölf Prozent stoßen in erster Linie über Social Media darauf.

6. Digitaler Journalismus ist mobil

  • Zur großen Überraschung von exakt niemandem ist der Anteil der mobilen Nachrichtennutzung weiter gestiegen. Deutschland hängt der weltweiten Entwicklung hinterher, aber auch hierzulande nutzen mittlerweile 61 Prozent Smartphones, um Nachrichten zu konsumieren – und weniger als die Hälfte Laptops oder PCs.
  • Lediglich bei den Über-55-Jährigen sind die Werte gleich groß (jeweils 54 %), bei den Jüngeren fällt der Unterschied besonders groß aus (76 zu 42 %).
  • Tablets (21 %) und Smart-TVs (17 %) sind zumindest für eine signifikante Minderheit relevant. Smart Speaker bleiben für den Informationskonsum dagegen ein Nischenprodukt: Nur vier Prozent fordern Alexa, Siri oder Google auf, ihnen Nachrichten vorzutragen.
  • Unsere anekdotische Evidenz zeigt, dass die veränderten Nutzungsgewohnheiten immer noch nicht komplett in vielen Newsrooms angekommen sind. Zwar wissen alle Journalistïnnen, dass Nachrichten mobil konsumiert werden, doch sie produzieren weiter am Desktop – und denken deshalb oft zuerst an die Ansicht auf einem großen Monitor, vor dem sie sitzen, statt die mobile Version zuerst zu optimieren.

7. Fernsehen feiert zweiten Frühling, Print stirbt

  • Lineares Programm ist tot? Von wegen! Sieben von zehn Befragten in Deutschland schauen mindestens einmal pro Woche fern, um Nachrichten zu konsumieren. Für 44 Prozent ist TV sogar die wichtigste Nachrichtenquelle (2020: 42 %). Vor allem bei Jüngeren ist dieser Anteil stark gestiegen.
  • Das dürfte aber in erster Linie der Corona-Pandemie zuzuschreiben sein. Menschen verbringen deutlich mehr Zeit zu Hause, also steigt die Bedeutung des Fernsehers, der dort in den meisten Haushalten steht.
  • Ein anderes etabliertes Medium hat dagegen gar nicht profitiert: die gedruckte Zeitung. Nur noch ein Viertel liest regelmäßig Nachrichten auf Papier, bei den Jüngeren sind es gerade einmal zwölf Prozent. Auch in der Altersgruppe der 35-44-Jährigen beträgt der Anteil nur 15 Prozent. Lediglich in der Generation Ü55 nimmt noch mehr als ein Drittel mindestens einmal pro Woche eine Zeitung in die Hand.

8. Der Audio-Boom hat sich deutlich verlangsamt

  • Podcasts waren das Trend-Thema der vergangenen Jahre – und eine große Hoffnung für viele Verlage, neue Zielgruppen anzusprechen und Reichweite monetarisieren zu können. Die Einnahmen durch klassische Bannerwerbung sinken kontinuierlich, Audio-Inhalte bieten andere Möglichkeiten.
  • Das Wachstum hat sich im Corona-Jahr aber stark abgeschwächt. Ein Viertel der Befragten in Deutschland hört mindestens einen Podcast pro Monat, nur ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr. Menschen pendeln kaum noch, entsprechend bleibt weniger Zeit für Audio.
  • Die Werte hängen stark vom Alter ab: Mehr als die Hälfte der 18-24-Jährigen hört regelmäßig Podcasts, aber nur 14 Prozent der Über-55-Jährigen.
  • Im internationalen Vergleich spielen Podcasts in Deutschland eine geringe Rolle. In vielen Ländern hören mehr als ein Drittel der Befragten aller Altersgruppen regelmäßig Podcasts, in Irland sind es sogar 41 Prozent.
  • Spotify, Amazon und Google haben viel Geld in Podcasts investiert, und das scheint sich auszuzahlen. Einst dominierte Apple den Markt, davon ist nichts mehr übrig. In Deutschland nutzen nur noch acht Prozent Apple Podcasts, es dominieren Spotify (29 %) und YouTube (22 %). Auch die ARD Audiothek (15 %), Audible (10 %) und Google Podcasts (9 %) haben größere Marktanteile.
  • Wir glauben aber, dass man mit diesen Zahlen vorsichtig sein sollte. Der Anteil der Apple-Nutzerïnnen ist in Deutschland recht gering. Wer ein Android-Handy hat, nutzt zwangsläufig eine andere App.
  • Zudem vermuten wir, dass Menschen mit iPhones eher aktive Podcast-Hörerïnnen sind. Diese Gruppe gibt auch deutlich mehr Geld für Apps, digitale Inhalte und Journalismus aus als Android-Nutzerïnnen.
  • Um aussagekräftige Zahlen zu erhalten, müsste man die Nutzungsdauer der jeweiligen Plattformen vergleichen. Unsere These: Apple Podcasts liegt dann bei deutlich mehr als acht Prozent Marktanteil, YouTube, die ARD Audiothek und Google Podcasts verlieren.

9. Die Sorge vor Desinformation ist global sehr unterschiedlich verteilt

  • Wir haben schon knapp 20.000 Zeichen über den DNR geschrieben und bislang kein einziges Wort über Desinformation verloren. Das liegt daran, dass die Zahlen zu diesem Thema zumindest in Deutschland unspektakulär sind.
  • Im vergangenen Jahr wurde viel vor einer Infodemie im Zuge der Corona-Pandemie gewarnt. Das spiegelt sich in den Ergebnissen wider: 46 Prozent geben an, mit falschen oder irreführenden Informationen über das Coronavirus in Kontakt gekommen zu sein.
  • Insgesamt liegen die Zahlen aber ziemlich genau auf dem Niveau des Vorjahrs. Rund ein Drittel hat Bedenken, ob sie in der Lage sind, Falschmeldungen von Fakten zu unterscheiden. Jüngere trauen ihrer Nachrichtenkompetenz dabei eher als Ältere.
  • Global sieht es anders aus. In Brasilien liegt dieser Wert etwa bei 82 Prozent, auch in afrikanischen Ländern, Asien und Osteuropa machen sich viele Menschen Sorgen über Desinformation.
  • Das größte Misstrauen wird dabei meist Facebook entgegengebracht, insbesondere auf den Philippinen, in Großbritannien und den USA. Im Globalen Süden fürchten Menschen dagegen eher Messenger wie WhatsApp. In Brasilien, Indonesien, Indien und Nigeria sagt jeweils rund ein Drittel, dass sie darüber Covid-19-Falschmeldungen erhalten hätten.

10. Finanzierung bleibt ein Fragezeichen

  • Viele Zeitungen kämpfen ums Überleben, die Corona-Krise hat die Situation verschärft. Online wurden im vergangenen Jahr zwar Reichweiten-Rekorde erzielt und neue Digitalabonnentïnnen gewonnen, doch das kann die Verluste bei der gedruckten Auflage nur für wenige Verlage ausgleichen.
  • Für Menschen, die in der Medienbranche arbeiten, ist das keine Neuigkeit – für viele andere aber offenbar schon. Weltweit glaubt ein Fünftel der Befragten, dass Medien heute profitabler arbeiten als vor zehn Jahren. Mehr als ein Drittel gibt an, nichts darüber zu wissen.
  • In Deutschland sind nur 23 Prozent besorgt über die finanzielle Situation von Medien. Der Wert fällt bei Menschen, die sich stark für Nachrichten interessieren, genauso hoch aus wie bei Menschen mit geringem Interesse. Im Rest der Welt sieht das komplett anders aus. In den USA machen sich etwa vier von zehn Nachrichteninteressierten Sorgen, aber nur 14 Prozent der Befragten, die sich kaum um Nachrichten kümmern.
  • Die Differenz ist so krass, dass wir an der Aussagekraft der Zahlen zweifeln. Da bei dieser Frage jeweils nur eine Untergruppe des gesamten Panels relevant ist, fällt das Sample klein aus. In Deutschland zählen jeweils nur rund 600 Befragte zu den beiden Gruppen. Deshalb fällt die statistische Schwankungsbreite größer aus. (Das ist unsere Erklärung, nicht die der Forscherïnnen.)
  • In den USA und vor allem in Skandinavien sind digitale Abos weit verbreitet. In Norwegen zahlen etwa 45 Prozent der Befragten für Online-Medien.
  • In Deutschland bleibt der Anteil aber erschreckend gering. Nur neun Prozent haben im vergangenen Jahr Geld für Journalismus im Netz ausgegeben. Wenn überhaupt, schließen Menschen ein einziges Digitalabo ab, und das meist bei einer der bekannten Medienmarken. Diese Tendenz ist weltweit zu beobachten.
  • Rasmus Kleis Nielsen, der Leiter des Reuters-Institutes, beobachtet eine "Winner takes most"-Dynamik. Nur in wenigen Ländern leisten sich Menschen ein zweites Abo für ihre Heimatzeitung oder Nischeninteressen wie Sport. Stattdessen sacken die etablierten Verlage das Gros des Geldes ein.
  • Das sind schlechte Nachrichten für Lokal- und Regionalzeitungen, deren Print-Leserschaft ausstirbt. Wenn deutsche Verlage ein ähnliches Zeitungssterben wie in den USA verhindern wollen, müssen sie in den kommenden Jahren noch mehr in die digitale Transformation investieren. Vor allem brauchen sie exklusive, zielgruppengerechte Inhalte, für die Menschen Geld ausgeben wollen.
  • Ursprünglich wollte die Bundesregierung im laufenden Jahr 180 Millionen Euro investieren, um deutsche Medien zu unterstützen. Die geplante Presseförderung war aber umstritten, weil reine Digital-Angebote ausgenommen werden sollten. Wohl auch deshalb scheiterte das Vorhaben (Deutschlandfunk).
  • Diese Entscheidung dürften die meisten Befragten goutieren. Nur 21 Prozent sind der Meinung, dass die Regierung kommerzielle Nachrichtenmedien unterstützen sollte, die ohne Hilfe nicht genug Geld verdienen. Die Hälfte lehnt das ab.
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Header-Foto von Mercedes Mehling bei Unsplash