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Warum wir (noch) nicht an Twitter Blue glauben | Politische Werbung bei TikTok | Facebooks neues Newsletter-Tool

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Warum wir (noch) nicht an Twitter Blue glauben

Was ist

Nach vielen Gerüchten und Leaks hat Twitter sein erstes kostenpflichtiges Produkt lanciert. Twitter Blue startet zunächst nur in Australien und Kanada, kostet drei Dollar pro Monat und bringt eine Reihe mehr oder weniger nützlicher Zusatzfunktionen mit (Twitter-Blog). Wir erklären, warum uns das Angebot noch nicht überzeugt – und wie Twitter das ändern könnte.

Warum das wichtig ist

Twitter Blue ist ein spannendes Experiment. Als erste größere Social-Media-Plattform versucht Twitter, Nutzerïnnen zu überzeugen, regelmäßig zu bezahlen. WhatsApp hat einst einen symbolischen Dollar pro Jahr verlangt, Google bietet YouTube Premium an – aber die WhatsApp-Jahresgebühr wurde nie ernsthaft eingezogen, und ein Abo für Inhalte und Werbefreiheit, wie es auch Spotify und Netflix anbieten, lässt sich nicht mit Twitter vergleichen.

Auch Facebook dachte schon 2012 über ein kostenpflichtiges Abo-Modell nach (The Information) und ließ immer wieder Umfragen durchführen (Bloomberg), ob Menschen bereit wären, für Werbefreiheit Geld zu zahlen. Twitter Blue dürfte ein Testlauf sein, den das halbe Silicon Valley ganz genau beobachtet.

Was Twitter Blue beinhaltet

Zum aktuellen Zeitpunkt lockt Twitter mit vier Vorteilen, die wir hier vorstellen und kurz einordnen.

1. Undo Tweet

2. Reader Mode

3. Bookmark Folders

4. Optische Goodies und Premium-Support

Was Twitter Blue besser machen könnte

Es war schwer zu überlesen: Wir sind eher skeptisch. Das ist aber nicht nur unsere Privatmeinung, sondern deckt sich mit der Einschätzung der meisten Journalistïnnen, die über Twitter Blue geschrieben haben. Auch die Analystïnnen an der Wall Street reagierten unbeeindruckt: Auf den Kurs der Twitter-Aktie hatte die Ankündigung kaum einen Einfluss (The Information).

Wir wollen aber nicht nur meckern, sondern ein paar Ideen anreißen, wie ein Abo-Modell aussehen könnte, für das wir bezahlen würden. Das ist natürlich subjektiv, aber da sich Twitter Blue an Poweruser wie uns richtet, gehen wir davon aus, dass andere potenzielle Abonnentïnnen ähnliche Bedürfnisse haben. Unsere Vorschläge:

Warum Twitter mit Abos experimentiert

Kostenloskultur? Pah! Das halbe Netz will einem Musik, Filme, Journalismus, Apps, Videokonferenzen, Office-Software oder digitale Dienste andrehen. Mal als Einmalkauf, immer öfter aber gegen regelmäßige Zahlungen. Im vergangenen November erklärten wir, wie auch Google, der größte Anzeigenverkäufer der Welt, zu einem Aboverkäufer wird (#684). Seit Anfang Juni verlangt Google nun Geld für Speicherplatz bei Google Fotos (SZ) und versucht, möglichst vielen Menschen ein Google-One-Abo schmackhaft zu machen.

Gleichzeitig geraten rein werbefinanzierte Geschäftsmodelle unter Druck. Apple schränkt mit iOS 14.5 das Tracking ein, auch Google geht mit Android und Chrome zumindest Trippelschritte in diese Richtung. Noch immer lassen sich Dutzende Milliarden damit verdienen, Daten zu sammeln und das Versprechen zu verkaufen, angeblich hochgradig personalisierte Anzeigen zu schalten. Die Werbegiganten sitzen auf gewaltigen First-Party-Datenschätzen, doch Twitter kann in dieser Hinsicht nicht mit Google oder Facebook mithalten.

Da ist es nachvollziehbar, dass auch Twitter ein paar Krümel des Subscription-Streuselkuchens abhaben will. Vor knapp einem Jahr sagte Dorsey beim Earnings Call (CNN), dass Twitter nach Möglichkeiten suche, sich unabhängiger von den Werbeerlösen zu machen – die bei Twitter im Vergleich zu den anderen Plattformen ohnehin deutlich kleiner ausfallen:

I have a really high bar for when we would ask consumers to pay for aspects of Twitter.(…) We want to make sure any new line of revenue is complementary to our advertising business. We do think there is a world where subscription is complementary, where commerce is complementary, where helping people manage paywalls … we think is complementary.

Damals kündigte Dorsey auch ein ambitioniertes Ziel an: Der Umsatz soll sich von 3,7 Milliarden Dollar im Jahr 2020 binnen drei Jahren verdoppeln. Um 2023 7,5 Milliarden Dollar umzusetzen, braucht Twitter also neue Einnahmequellen. Bislang nimmt Twitter rund 4,30 Dollar pro User pro Quartal ein (CNBC). Ein Abo für drei Dollar pro Monat könnte den Umsatz ankurbeln, selbst wenn es nur ein Bruchteil der Nutzerïnnen abschließt.

Warum Twitter Blue wohl nur der Anfang ist

Nur in Australien und Kanada, ausschließlich für iOS-Nutzerïnnen: Twitter Blue ist eindeutig in einer Testphase. Das stellt Twitter auch selbst klar:

Starting today, we will be rolling out our first iteration of Twitter Blue in Australia and Canada. Our hope with this initial phase is to gain a deeper understanding of what will make your Twitter experience more customized, more expressive, and generally speaking more 🔥.

Das Produkt richtet sich eindeutig an Poweruser, also jene rund zehn Prozent, die zumindest in den USA mehr als 90 Prozent aller Tweets absetzen (Pew Research Center). Twitter möchte herausfinden, was diese besonders aktiven Nutzerïnnen brauchen und wofür sie bereit wären zu bezahlen.

Auch wenn uns die bisherigen Funktionen nicht vom Hocker reißen, freuen wir uns, dass Twitter experimentiert. Und falls jemand von Twitter mitliest: Da oben stehen ein paar Ideen, könnt ihr gratis haben, nichts zu danken.

Be smart

Neben Twitter Blue schraubt Twitter an weiteren Monetarisierungs-Möglichkeiten. In Briefing #704 stellten wir Super Follows vor, mit denen einzelne Nutzerïnnen ihre Tweets zu Paid Content erklären können: Man muss zahlen, um zu lesen.

Dieses Programm könnte bald starten. Jane Manchun Wong, deren Leaks meist sehr akkurat sind, hat jedenfalls ein paar Details und Anforderungen veröffentlicht (The Verge): mindestens 10.000 Follower, mindestens 25 Tweets in den vergangenen 30 Tagen, nur für Volljährige. Während Twitter bei seiner Tipping-Funktion (bislang) nichts einstreicht, dürfte bei den Super Follows eine Provision fällig werden.


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Header-Foto von canweallgo bei Unsplash