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TikToks Siegeszug, Politische Werbung, Twitter und Journalisten, Facebook in Bedrängnis

TikToks Siegeszug, Politische Werbung, Twitter und Journalisten, Facebook in Bedrängnis

Salut und herzlich Willkommen zur 590. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Nach unserer ausführlichen Ausgabe am Montag mit Deepdives zu politischer Werbung und Facebook News versuche ich in dieser Ausgabe, alle wichtigen Ereignisse der Woche zusammenzufassen. Es geht unter anderem um TikToks Probleme in den USA, Facebooks Probleme auf der ganzen Welt und einen Chefredakteur, der nicht mehr twittern will. Ein Schritt, der für mich nicht in Frage kommt: Im Briefing erkläre ich an einem Beispiel, warum Twitter mein Lieblings-Netzwerk ist. Allen ein wunderbares Wochenende, vielen Dank für die Wertschätzung unserer Arbeit, Simon

Der Siegeszug von TikTok gerät ins Stocken

Was ist: Keine andere Plattform ist im vergangenen Jahr schneller gewachsen als TikTok. Offenbar ist das der US-Regierung nicht ganz geheuer: Sie untersucht, ob der chinesische Eigentümer ByteDance ein Sicherheitsrisiko darstellt. Außerdem steigt der Konkurrenzdruck, weil immer mehr Unternehmen TikTok kopieren.

Worum es bei der Untersuchung geht: 2017 kaufte ByteDance die App Musical.ly, aus der später TikTok wurde. Das Committee on Foreign Investment überprüft jetzt, ob diese Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen die nationale Sicherheit der USA gefährdert (Reuters). Einen guten Überblick mit möglichen Konsequenzen gibt es bei der BBC(https://www.bbc.com/news/technology-50319690).

Was dahintersteckt: Hier prallen zwei Welten aufeinander: Zum ersten Mal ist eine chinesische App im Westen so erfolgreich und macht dem Silicon Valley Konkurrenz. Vor allem in den USA weckt das Misstrauen: Analog zu Huawei wird TikTok als potenzielles Einfallstor für chinesische Spionage angesehen.

Einerseits ist das nachvollziehbar: Die beiden Länder stehen in hartem Wettbewerb, Trumps Handelspolitik hat die ohnehin unterkühlten Beziehungen weiter abgekühlt. Und die Vergangenheit zeigt, dass China inländische Unternehmen im Zweifel einfach zwingt, Daten herauszugeben, wenn sie nicht freiwillig kooperieren. Wobei ByteDance durchaus freiwillig kooperiert (New Yorker) und etwa Videos aus Hong Kong zensiert (Guardian).

Andererseits gibt es bislang keine eindeutigen (öffentlichen) Beweise für chinesische Spionage. TikTok selbst verteidigt sich in seinem Blog gegen die Vorwürfe und beteuert, dass man sich an US-Datenschutzstandards halte und Inhalte nicht auf Geheiß der chinesischen Regierung moderieren oder zensieren werde. Eine Vorladung zu einer Anhördung des US-Kongress zu diesem Thema hat TikTok aber abgesagt (Washington Post).

Der politische Druck wächst: Ein neuer Bericht der Washington Post zitiert sechs ehemalige TikTok-Mitarbeiterïnnen, deren Aussagen dem Unternehmen schaden dürften. Einer von ihnen sagt:

They want to be a global company, and numbers-wise, they’ve had that success. But the purse is still in China: The money always comes from there, and the decisions all come from there.

Bei der erwähnten Anhörung im US-Kongress bezog sich Senator Josh Hawley unter anderem auf diesen Bericht:

TikTok claims they don’t take direction from China. They claim they don’t censor … But that’s not what former employees of TikTok say.

Der Konkurrenzdruck wächst: Allein in diesem Jahr hat TikTok 500 Millionen neue Nutzerïnnen hinzugewonnen – doch erstmals hat sich das Wachstum verlangsamt (Bloomberg). Start-ups wie Triller kopieren das Erfolgsrezept und sammeln Risikokapital (Billboard). Auch aus China kommt Konkurrenz: Alibaba hat 100 Millionen Dollar in VMate investiert (Tubefilter), das vor allem in Indien erfolgreich ist.

Natürlich schaut auch das Silicon Valley nicht nur tatenlos zu. Facebook, Google und Snapchat beobachten genau, was TikTok macht – und sind bereits dabei, Funktionen nachzubauen (New York Times).

Be smart: TikTok wird mit 78 Milliarden Dollar bewertet. Es hat gerade sein erstes eigenes Smartphone in China auf den Markt gebracht (Abacus News). Dieses Unternehmen ist gekommen, um zu bleiben. Aber wenn es ByteDance nicht gelingt, die Bedenken der USA zu zerstreuen, wird 2020 ein verdammt ungemütliches Jahr. Denn sobald es um angeblich bedrohte nationale Sicherheit geht, hört der Spaß schnell auf. Noch mehr zur Zukunft von TikTok steht in Briefing #587.

Politische Werbung: Es bewegt sich was

Im vergangenen Briefing #589 haben wir ausführlich analysiert, wie Twitter und Facebook mit politischer Werbung umgehen. Deshalb gehe ich nicht erneut auf Hintergründe und Details ein, sondern gebe nur einen kurzen Überblick der neuen Entwicklungen:

Social Media für Journalistïnnen

Warum Social Media nutzen: Am Mittwoch habe ich einen Tag an meiner alten Journalistenschule unterrichtet, der DJS in München. Dort findet gerade eine ganze Woche zum Thema Social Media statt. Ich sollte den Schülerïnnen etwas darüber erzählen, wie sie sich selbst auf Twitter, Instagram und anderen Plattformen präsentieren. Im Vorfeld habe ich auf Twitter neun Fragen gestellt:

Rund zwei Dutzend Kollegïnnen haben unter dem Tweet geantwortet, mehrere haben mir E-Mails geschrieben oder DMs geschickt. Die Antworten sind klug, teilweise witzig und erstaunlich unterschiedlich. Marcus Engert hat einen halben Roman geschrieben, der am Ende auf meinen Folien gelandet ist:

Für mich zeigt das: Twitter hat 1001 Probleme – aber es ist das einzige Netzwerk, auf das ich auf keinen Fall verzichten möchte. Danke an alle, die sich beteiligt haben!

Facebook in Bedrängnis

Ein neues Briefing – drei schlechte neue Nachrichten für Facebook:

    1. Herausgabe von Dokumenten: Der Generalstaatsanwalt von Kalifornien hat ein Gericht beauftragt (Washington Post), Facebook zu zwingen, eine Reihe von Dokumenten herauszugeben. Es geht – natürlich – um mutmaßliche Datenschutzverstöße. Angeblich habe Facebook zuvor 25 Aufforderungen nicht beantwortet oder abgelehnt (Reuters). In mehreren anderen US-Staaten laufen ähnliche Prozesse.

 

    1. Geleakte Dokumente: Parallel veröffentlicht NBC News knapp 7000 Seiten geleakter Facebook-Dokumente, die unter anderem interne E-Mails und Präsentationen enthalten. Allerdings klingt das spektakulärer, als es ist: Über die wichtigsten Inhalte hatten Medien bereits Ende 2018 (SZ) und im April 2019 (NBC) berichtet. Auch wenn ein Großteil der Erkenntnisse nicht neu ist, trägt die Veröffentlichung sicher nicht dazu bei, dass der politische Druck auf Facebook nachlässt.

 

  1. Falschinformationen: Dasselbe lässt sich über einen Bericht sagen, den Avaaz am Mittwoch veröffentlicht hat (PDF). Angeblich erreichen gezielte Desinformation und Propaganda auf Facebook mehr Menschen als je zuvor. Facebook schaffe es nicht, die Falschinformationen zu löschen. In seinem (sehr empfehlenswerten) Newsletter Popular Information fasst Judd Legum die wichtigsten Fakten zusammen. Politico titelt mit einem Zitat aus dem Bericht: „False attacks on Facebook could bring ‚a Titanic-sized disaster‘ in 2020

Be smart: Ich hatte noch keine Zeit, mir den Bericht und die zugrundeliegende Methodik in Ruhe anzusehen. In der Vergangenheit gab es ähnliche Untersuchungen, die ich bei genauerem Hinsehen als dünn bis fragwürdig empfunden habe. Deshalb rate ich erstmal zu Zurückhaltung – zumal die Tatsache, dass angeblich viele Menschen irreführende Dinge lesen, noch nicht bedeutet, dass sie auch alles davon glauben.

Facebook selbst sagt, dass es die Zahl von „Fake News“ (ich wundere mich, dass sie in ihrem Statement diesen Begriff verwenden, den Facebook sonst aus guten Gründen meidet) seit der Wahl 2016 um mehr als die Hälfte reduzieren konnte.

Abteilung Datenschutz und Sicherheit

Studien & Statistiken

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Header-Foto von Steven Roe bei Unsplash