Status Quo der Passion Economy
Was ist
Die Risikokapitalfirma SignalFire hat einen interessanten Report zur Passion Economy publiziert. Die Hauptbotschaft lautet: Kreative werden immer mehr zu Unternehmern in eigener Sache. Dabei verlassen sie sich nicht mehr allein auf Einnahmen, die sie auf YouTube, Instagram und Co erzielen – etwa über eine Beteiligung an Werbeeinnahmen oder Brand Deals. Vielmehr stellen sie sich breiter auf, um ihre Abhängigkeit von den Plattformen zu minimieren und ihre Einnahmequellen zu diversifizieren.
Warum ist das interessant?
- SignalFire geht davon aus, dass es weltweit etwa 50 Millionen Kreative gibt, die mit ihren Inhalten auf Plattformen wie YouTube, Instagram und TikTok Geld verdienen.
- 2 Millionen davon produzieren Inhalte hauptberuflich.
- 47 Millionen verdienen auf die eine oder andere Art mit ihren Inhalten Geld, arbeiten aber nicht hauptberuflich als Kreative.
- Laut Influencer-Agentur Mediakix beläuft sich der TAM (insgesamt adressierbarer Markt) derzeit auf rund 8 Milliarden Dollar. Es wird erwartet, dass er bis 2022 auf 15 Milliarden Dollar anwachsen wird. Manche sagen sogar, die gesamte Branche käme bereits auf ein Volumen von 38 Milliarden Dollar.
- Zudem lässt sich festhalten, dass Kreative für Gen Z schon jetzt die neuen Stars sind, traditionelle Promis aus Film, Funk und Fernsehen™ längst abgelöst haben. (Siehe dazu auch: Spotifys „Culture Next“-Studie)
Welche Kreativen sind gemeint?
- Die Passion Economy umfasst unabhängige Content-Creator, Social-Media-Stars, Influencerïnnen, Blogger, Vlogger, Podcaster, etc.
- Der Begriff Passion Economy unterscheidet sich etwa von der Gig Economy (Amazons Mechanical Turk oder Uber) vor allem durch drei Dinge:
- Individualität wird als Feature und nicht als Bug betrachtet.
- Erfolg kann auch in der Nische liegen.
- Kreative können mit ihrem Publikum dauerhafte, finanzielle Verbindungen eingehen.
- Li Jin hat im Blog der Investmentfirma a16z aufgeschrieben, was die Passion Economy ausmacht.
- Das Konzept geht zurück auf einen Aufsatz von Kevin Kelly, der bereits 2008 davon träumte, dass Kreative künftig nur 1000 echte Fans bräuchten, um von ihrem Schaffen leben zu können.
Wie groß ist der Markt?
Professional Individual Creators
- YouTube: Von den 31 Millionen Kanälen auf YouTube haben ca. 1 Million mehr als 10.000 Subscriber (Tubics)
- Instagram: Von den mehr als einer Milliarde Accounts bei Instagram haben rund 500.000 über 100.000 Follower. (Mention)
- Twitch: Von den 3 Millionen Streamern bei Twitch haben knapp 300.000 den sogenannten Partner- bzw. Affiliate-Status. (Twitch)
- Andere: Zu den anderen Kreativen, die ihre Arbeit in Vollzeit verrichten, zählen z.B. Illustratoren, Podcaster und Autoren.
Amateur Individual Creators
- YouTube: Von den 31 Millionen Kanälen bei YouTube gibt es rund 12 Millionen mit 100.000 bis 10.000 Abonnenten (source)
- Instagram: Von den eine Milliarde Accounts bei Instagram haben rund 30 Millionen zwischen 50.000 und 100.000 Followern. (source)
Wie können Kreative Geld verdienen?
Auf Plattformen wie YouTube, Instagram, Snapchat, Twitch und TikTok konnten Kreative bis vor einiger Zeit vor allem auf folgende Arten Geld verdienen:
- Beteiligung an Werbeeinnahmen, die von der Plattform erzielt werden.
- Sponsored content
- Product placement
Da dies oft nicht ausreicht, um hauptberuflich Inhalte für die Plattformen zu produzieren, haben die Unternehmen nachgebessert und immer wieder neue Features ausgerollt – etwa:
- Shout-outs
- Spenden / Trinkgeld
- Paid Subscriptions
- Digital Content Sales
- Merchandise
- Virtuelle Live-Events
- VIP-Meetups
- Fan-Clubs
Allerdings löst dies immer noch nicht das Problem, dass Kreative häufig stark von den Algorithmen der Plattformen abhängig sind – vor allem davon, wie oft und an wen ihre Beiträge ausgespielt werden.
Deshalb versuchen Kreative auf anderen Wegen Geld zu verdienen – etwa indem sie Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Product Hunt hat einige Tools aufgelistet, die dabei helfen können, Inhalte zu Geld zu machen. SignalFire nennt folgende Optionen:
- Premium Content
- Merchandise
- Bücher / Ebooks
- Newsletter
- Fan-Treffen
- Coaching
- Consulting
- Speaker-Gigs
Die Diversifizierung der Einnahmen ermöglicht ihnen, sich stärker auf ihre Inhalte zu konzentrieren. Nur durch diese unabhängigen Einnahmen ist es möglich, sich Nischeninhalten zu widmen.
Be smart
Während YouTube für die meisten Kreativen die Möglichkeit bietet, hauptberuflich tätig zu sein, ist Instagram die populärste Plattform, um mit kreativen Inhalten ein wenig Geld nebenbei zu verdienen. Ob das künftig auch so sein wird, weiß niemand. Was allerdings sicher ist:
„Being a creator today requires evolving from being an artist to being a founder.“
YourNews
Was ist
Das Pew Research Center hat eine spannende Studie zum Thema YouTube & Nachrichtenkonsum veröffentlicht.
- Demnach kommen 26 Prozent aller YouTube-Nutzerïnnen auf der Plattform mit Nachrichten in Kontakt.
- Zwar erklären nur die allerwenigsten User, dass YouTube ihre primäre Nachrichtenquelle sei.
- Sehr wohl sagen aber 72 Prozent aller US-Amerikanerïnnen, dass YouTube ein wichtiger Kanal ist, um Nachrichten zu konsumieren.
Warum ist das interessant?
- 23 Prozent der YouTube-Nutzerïnnen kommen auf der Plattform häufig mit Nachrichten von traditionellen Angeboten wie CNN oder Fox News in Berührung.
- Genauso viele Nutzerïnnen (23 Prozent) erhalten aber auch Nachrichten von unabhängigen Kreativen.
- Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass das Abrufen von Nachrichten bei YouTube mit einigen Fallstricken verbunden ist. Was genau diese Fallstricke sind, hängt stark davon ab, aus welchem politischen Lager sie stammen:
- Republikaner und Rechtsgerichtete zeigen sich besorgt über Zensur, Demonitarisierung von Kreativen und politische Voreingenommenheit.
- Demokraten und Linksgerichtete sorgen sich um Desinformationen, Belästigungen und Beleidigungen.
Be smart
Knapp die Hälte der populärsten News-Kanäle stuft Pew Research als persönlichkeitsgetrieben ein. Bei den unabhängigen Kanälen ist dies noch stärker ausgesprägt. Der Siegeszug der Kreativen (Influencer, etc.) macht also auch vor dem News-Geschäft nicht halt.
Nun gibt es die fatalistische Sicht der Dinge, die da lautet: Schlümm, schlümm, schlümm! Wenn da jetzt jeder Nachrichten machen kann, wo kommen wir denn dahin? Und ja, diese Sichtweise hat ihre Berechtigung. Wie wir nicht zuletzt mit Blick auf unsere eigene Berichterstattung zu den Themen Desinformation, Rabbit Hole & Co wissen.
Aber das ist eben auch nur die eine Seite der Medaille. Neben den schwarzen Schafen und den technologischen Problemen gibt es viele wunderbar ambitionierte, sich an journalistische Standards haltende Ein-Personen-Shows, die es schaffen, auf Themen aufmerksam zu machen, über die oftmals in weiten Teilen der traditionellen Medien nichts zu finden ist.
Es ist uns wichtig, beide Seiten bei der Bewertung dieser Nachricht im Blick zu behalten.
#USELECTION2020
Es sind noch genau 34 Tage bis zur Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten. Da soziale Medien bei dieser Wahl eine besondere Rolle spielen, werden wir in den kommenden Briefings an dieser Stelle gesondert über die wichtigsten News und Debatten rund um die US-Wahl berichten. Zum einen sammeln wir hier interessante Artikel. Zum anderen wird es von uns einige Deep Dives geben, die die Rolle der sozialen Medien bei der US-Wahl beleuchten. Heute zunächst einmal nur spannende Artikel. Here we go:
- YouTube Tries Again to Amplify Accurate Voting Information (New York Times)
- Trump Facebook Ads With ‚Real People‘ Actually Feature GOP Political Operatives (Gizmodo)
- What Will Facebook Do if Trump Tries to Steal the Election? (Slate)
- Propaganda, Hetze und Manipulation (Golem)
- Facebook critics take on its Oversight Board (Axios)
- Google is banning election ads after polls close on November 3rd (The Verge)
- Facebook’s Power This Election (New York Times)
- Why the right wing has a massive advantage on Facebook (Politico)
- How Gen Z activists are using tech and TikTok to promote voting (Axios)
- Facebook erlaubte hunderte Werbeanzeigen mit irreführenden Aussagen über Joe Biden (Netzpolitik)
- Putin’s Troll Farm Busted Running Sprawling Network of Facebook Pages (The Daily Beast)
- Cambridge Analytica database identified Black voters as ripe for ‘deterrence,’ British broadcaster says (Washington Post)
- What’s the Plan if Trump Tweets That He’s Won Re-election? (New York Times)
- The Biden campaign wants to take back YouTube (The Verge)
- ‘Taking a bite’: Major political and news headlines are sucking up all the oxygen on Facebook (Digiday)
Today in TikTok-News
- TikTok-Ban aufgehoben: Ein Richter hat das von US-Präsident Trump verhängte Download-Verbot aufgehoben. TikTok kann in den USA also weiter wie gewohnt über Apple und Google heruntergeladen werden. Zumindest bis zum 12.11.2020. Dann muss eine finale Lösung für den Deal zwischen ByteDance und Oracle her.
- ByteDance buhlt um Lizenz: Damit der Deal realisiert werden kann, hat ByteDance entsprechend der neuen, chinesischen Export-Regeln um eine Lizenz gebeten (Reuters), die es gestatten würde, geschützte Technologien exportieren zu dürfen. Ob es sich dabei um die Absicht handelt, „den“ Algorithmus zu exportieren, bleibt offen.
- China möchte die Kontrolle behalten: Das Wall Street Journal berichtet unterdessen, die chinesische Regierung betrachte TikToks Algorithmus als „Kerninteresse“ Chinas. Ein Export wird damit immer unwahrscheinlicher.
- Deal mit Manchester City: Ungeachtet der Streitigkeiten mit den USA schreitet ByteDance munter voran und schmiedet neue Allianzen. Der neueste Clou: Ein 2-Jahres-Deal mit Manchester City, der für TikToks chinesische Schwesterapp Douyin exklusive Inhalte wie Interviews, Spiel-Highlights und Mini-Dokumentationen vorsieht. Was wir nicht wussten: Bayern München hat bereits im Mai eine ähnliche Partnerschaft eingetütet.
- Globaler Transparenzbericht: TikTok hat einen Transparenzbericht für das erste Halbjahr 2020 vorgelegt. Darin erklärt TikTok, das Unternehmen habe 104.543.719 Videos entfernt, weil sie gegen die Community-Richtlinien, bzw. gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen hätten – was lediglich 1 Prozent der hochgeladenen Videos entspräche. Wir hatten noch keine Chance, den Bericht genauer zu studieren und verlassen uns daher auf die Einschätzung der Slate-Kollegin:
But I hope that the company continues to follow industry best practices and norms around transparency and accountability, while also setting some of its own—something that is uncommon among nascent and smaller internet platforms.
- Global Coalition to Protect Against Harmful Content: TikTok hat neun Mitbewerbern Vorschläge unterbreitet, wie sie gemeinsam besser gegen Hass- und Gewaltvideos vorgehen könnten. Das ist an sich sehr lobenswert. Interessanterweise gibt es aber bereits eine solche Initiative von Microsoft, Facebook, Twitter und YouTube. Warum hat sich TikTok nicht einfach dieser Initiative angeschlossen?
Follow the money
- Soundcloud goes Merch: In Ausgabe #665 berichteten wir, dass TikTok neuerdings auch Merchandise im hauseigenen Store verkauft. Was zunächst nach reiner PR aussah, mausert sich langsam zum Trend: Auch Soundcloud bietet nun in Kooperation mit ausgewählten Künstlern Merch an (highsnobiety).
- Quibi sucht einen Käufer: Wir haben beim Social Media Watchblog häufig über Quibi berichtet. Es handelt sich bei der App um kein Social-Media-Angebot. Wir haben aber mit großem Interesse verfolgt, ob es das Unternehmen schafft, den Video-Markt umzukrempeln. Sechs Monate nach Launch steht fest: Nope, das war wohl nix. Über die Gründe wurde bereits vielfach geschrieben – am eindrücklichsten bei Vulture: Is anyone watching Quibi? Vox erklärt, warum Quibi jetzt einen Käufer sucht.
- Spotify will aus Podcasts TV Shows machen: Spotify hatte sich ja bekanntlich im Frühjahr 2019 die Rechte an zahlreichen Podcasts gesichert (Briefing #522). Jetzt geht das Unternehmen einen Schritt weiter und verkündet eine Zusammenarbeit mit Chernin Entertainment (Wall Street Journal). Das Ziel: Podcasts in TV-Shows verwandeln und aus TV-Shows Podcasts machen.
Schon einmal im Briefing davon gehört
- Neue Social-Media-Plattform: Telepath: Wer bereits seit acht Jahren einen Newsletter über Social Media schreibt, hat viele Apps kommen und gehen sehen. Wir sparen uns hier die Auflistung all jener Angebote, die es leider (und manches mal auch völlig zurecht) nicht mehr gibt, und lenken den Blick auf ein neues Angebot: Telepath ist eine Mischung aus Twitter und Reddit und macht vor allem mit dem Versprechen, in Sachen Content Moderation rigide durchzugreifen, auf sich aufmerksam. Da die App bislang noch in einer geschlossenen Beta ist, konnten wir uns noch nicht selbst einen Überblick verschaffen. Gern verweisen wir daher auf die Berichte bei Bloomberg und Protocol.
Neue Features bei den Plattformen
- Erst lesen, dann retweeten: Twitter testet einen neuen Hinweis (Techcrunch), um Quatsch & Desinformationen vorzubeugen. Wir sind gespannt, wie das in der Praxis funktionieren wird.
Tipps, Tricks und Apps
Im wunderbaren Newsletter von Marcus Bösch haben wir folgende Tipps gefunden:
- TikTok-Handbuch: Je größer TikTok wird, desto mehr wird es auch Spielfläche von politischen Akteuren – etwa von Institutionen, Parteien, Politikern, Think Tanks oder NGOs. Wer auch in dieser Welt unterwegs ist (looking at you Auswärtiges Amt), kann bestimmt mit diesem Handbuch bei Medium etwas anfangen: Handbook for TikTok for non-profits and digital diplomacy.
- Wer nutzt TikTok? Eine passende Übersicht zu all den Institutionen, die aus der Welt der Politik stammen und bereits auf TikTok aktiv sind, gibt es in diesem Google Doc.
Header-Foto von Gayatri Malhotra bei Unsplash
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