Salut und herzlich Willkommen zur 526. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Bevor wir uns den Themen des heutigen Newsletters widmen, möchte ich darauf hinweisen, dass ich jetzt auch bei LinkedIn bin und mich freue, wenn wir uns dort verbinden – hier geht es zu meinem Profil: linkedin.com/in/martinfehrensen.
Zudem habe ich mir die Tage einmal Zeit genommen, um zu verstehen, wer eigentlich alles so meinen Newsletter liest. Das Ergebnis macht mich stolz und ängstlich zugleich. Bin mir nicht sicher, ob ich wirklich jemals wieder auf den Send-Button drücken kann. Aber hilft ja nix. Auf zur 526. Ausgabe!
Heute beschäftigen wir uns mit wirklich problematischen Inhalten bei Facebook und YouTube. Zudem blicken wir auf das Thema Meinungsfreiheit im Netz und beschäftigen wir uns mit der Frage, ob Instagram wirklich die neue Engagement-Queen ist. Das und noch viel, viel mehr im Social-Media-Briefing Deines Vertrauens, herzlichst, Martin
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Problematische Inhalte
Was ist: Aktuelle Recherchen zeigen einmal mehr, wie Social-Media-Plattformen von Menschen mit zweifelhaften Absichten ausgenutzt werden, um krude Botschaften zu verbreiten. Gleichzeitig machen die Recherchen aber auch deutlich, dass die Unternehmen hier nicht nur Opfer sind, sondern an der Verbreitung solcher Inhalte prächtig verdienen. Drei Beispiele:
- Bei YouTube und Facebook kursieren Beiträge, die Menschen davor warnen, ihre Kinder impfen zu lassen (siehe Guardian zu Facebook / BuzzFeed News zu Youtube).
- Bei YouTube zirkulieren Videos, die Kinder in Posen zeigen, die für Pädophile reizvoll sind (siehe WIRED).
- Bei Facebook lassen sich via Ad-Targeting gezielt Menschen ansprechen, die sich für Joseph Goebbels, Josef Mengele oder Heinrich Himmler interessieren (siehe Los Angeles Times).
Warum ist das ein Thema? Es scheint zur Daueraufgabe von Journalisten geworden zu sein, auf solche Missstände bei Social-Media-Angeboten aufmerksam machen zu müssen, bevor die Unternehmen selbst aktiv werden. Eigentlich ein unfassbarer Zustand. Aber Section 230 macht es möglich (EFF).
Wie reagieren die Plattformen?
- Während einige Unternehmen bereits Konsequenzen ziehen und Werbebudgets aussetzen (siehe New York Times), loten die Plattformen noch aus, was sie konkret mit solch fragwürdigen Inhalten anstellen sollen.
- Pinterest zeigt, wie es auch gehen kann: die Plattform hat entschieden, Anti-Impf-Inhalte nicht mehr in der Suche anzuzeigen (siehe WSJ).
Be smart: Wir erleben in dieser Debatte einmal mehr, welche Macht die Plattformen haben. Sollen sie sich aus der Bewertung von Inhalten komplett raushalten und somit z.B. auch Anti-Impf-Inhalte zirkulieren lassen? Oder sollen sie lieber pro-aktiv der Verbreitung entsprechender Inhalte Einhalt gewähren? Häufig heißt die Antwort: es gibt „freedom of speech“, aber kein „freedom of reach“. Soll heißen: Man darf zwar alles posten. Man hat aber kein Recht darauf, dass die Plattformen einen auch noch mit Reichweite versorgen. Das mag einem in den allermeisten Fällen gefallen, aber ob diese Logik immer taugt, darf bezweifelt werden (siehe hierzu noch einmal Simons SZ-Artikel zum Tod des freien Internets).
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Meinungsfreiheit weltweit unter Beschuss
Was ist: In Indien steht ein Gesetz vor der Verabschiedung, das erhebliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit vor Ort, u.U. aber sogar weltweit haben könnte (siehe Recode).
Worum geht es konkret?
- Das Gesetz sieht vor, dass Inhalte, die von der Regierung als „ungesetzlich“ angesehen werden, noch vor dem Posten entdeckt und an einer Veröffentlichung gehindert werden – jedenfalls dann, wenn die Plattform mindestens 5 Millionen Nutzer hat. Ein automatisiertes System soll sämtliche Posts überprüfen und bei Bedarf blocken.
- Da die Mehrheit der Menschen in Indien vor allem WhatsApp zur Kommunikation nutzt (etwa 200 Millionen Nutzer), müsste die bei WhatsApp standardmäßig eingesetzte Verschlüsselung ausgehebelt werden. Anders ließen sich die Inhalte nicht überprüfen.
Der größere Zusammenhang:
- Sollte etwa WhatsApp in der Folge diesem Wunsch nachkommen und z.B. eine länderspezifische Lösung anbieten (Indien ist einer der größten Märkte der Welt für das Unternehmen), könnten andere Länder ähnliche Wünsche artikulieren.
- Erinnern wir uns: Auch in Großbritannien werden derzeit Rufe laut, dass Plattformen künftig bitte ebenfalls sehr viel stärker Inhalte überprüfen sollen (siehe Parliament UK). Wie dies genau passieren soll, ist noch nicht definiert.
- Und auch in Europa stehen wir womöglich kurz vor der Einführung von Artikel 11 und Artikel 13, die eine Form von mehr als zweifelhaften Upload-Filtern unumgänglich machen würden (siehe Briefing #525). Auch hier ist völlig unklar, wie ein solches Filtersystem, praktisch umgesetzt werden soll.
Be smart: Es sieht ganz so aus, als würden wir vor einem Paradigmenwechsel stehen – hin zu mehr Kontrolle, Überwachung und Zensur. Keine schöne Aussichten.
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Surveillance Capitalism 101
We are really sorry: Google hat in einem seiner Home-Produkte – dem Sicherheitssystem Nest Secure – ein Mikrofon integriert hat. Das Problem: Die Nutzer wussten nichts davon (siehe Guardian). Wie auch? Das Mikrofon wird bei den technischen Details des Produkts nicht aufgeführt. Google sagt, es sei ein Fehler, die Nutzer nicht darüber informiert zu haben. Ja, kann man so sagen. Oder aber wie Shoshana Zuboff sagt:
Surveillance Capitalism 101: Take without asking. Act surprised when challenged. Apologize. Repeat.
Plus: Wer mag, hört sich den Recode-Podcast von Zuboff und Swisher zum Thema an: Google and Facebook have become “antithetical to democracy“.
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Kampf gegen Desinformationen
Geheimdienst-Operationen: Der geschätzte SPON-Kollege Patrick Beuth hat sich mit dem Geheimdienstexperten Thomas Rid über die Bedeutung von Desinformationskampagnen via Social Media unterhalten. Rids Einschätzung lautet: alles maßlos überschätzt. Ich bin mir da nicht so sicher. Zwar mag er richtig liegen, wenn er sagt, dass viele Desinformationsversuche erst durch die Berichterstattung an Bekanntheit gewonnen hätten. Hallo IRA! Aber nicht über sie zu berichten, nicht aufzuklären, nicht zu überprüfen, kann erstens auch nicht die Lösung sein. Und zweitens wissen wir einfach nicht um die Wirkmacht von solchen Kampagnen. Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die aufzeigen, wie viele Menschen wirklich ihre politische Einstellung geändert haben, weil sie mit „Fake News“ bombardiert wurden. Vor diesem Hintergrund wirken die Aussagen des Geheimdienstexperten etwas unausgegoren.
Twitter überprüft Werber in Europa: Um der Manipulation durch politische Werbung etwas entgegenzusetzen, müssen sich nun auch pünktlich zur Europawahl entsprechende Kandidaten und Agenturen bei Twitter gesondert ausweisen, um auf der Plattform zu werben. (Blog / Twitter)
Jugendschutz- und Medienkompetenzbericht: Die Medienanstalten bieten mit ihrem Bericht eine „Übersicht über die aktuellen Fragestellungen zum Thema Hass, Mobbing und Extremismus und stellen Maßnahmen zur Regulierung und Erkenntnisse der Landesmedienanstalten vor. Schließlich werden die Präventionsaspekte herausgearbeitet und die Maßnahmen und Initiativen vorgestellt, die die Landesmedienanstalten gemeinsam und in eigener Verantwortung vor Ort leisten, um eine aufgeklärte und kompetente Mediennutzung in jeder Hinsicht und für jeden Menschen zu erreichen.“ Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die 170 Seiten noch nicht alle gelesen habe. Sehr wohl möchte ich den Bericht aber in diesem Briefing teilen.
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Instagram wirklich Engagement-Queen?
Second Look: Bei Twitter wurde die Tage diese Grafik von Axios rumgereicht. Den Zahlen zufolge ist Instagram derzeit die absolute Engagement-Queen. So hätten die Top-10-Accounts bei Instagram 4.8 Milliarden Interaktionen hervorgebracht. Facebooks Top-10 kommen lediglich auf 922 Millionen Reactions, Shares und Kommentare. Twitter schafft sogar nur 398 Millionen. Mit Blick auf die Größe der Netzwerke müsste es sich natürlich eigentlich anders verhalten. Ist Instagram nun wirklich der lebendigste Ort derzeit? Mit Gewissheit kann man das nicht sagen, schließlich gibt es mittlerweile eine ganze Branche (New York Times), die sich darauf spezialisiert hat, Instagram-Bots das Handwerk zu legen. Von daher: Ja, beeindruckende Zahlen. Aber sicher ist nix.
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C.R.E.A.M
Digital Advertising: 2019 wird laut eMarketer in den USA zum allerersten Mal mehr in "Digital Advertising" als in traditionelle Werbung (TV, Radio, Zeitungen) investiert. Satte 59 Prozent der Werbegelder, die in "digital" investiert wird, streichen übrigens Google und Facebook ein. Mehr dazu bei Recode.
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Mit jedem Refresh ein neues Gesicht
DAS ist das Gruseligste, was ich je in meinem Leben gesehen habe! Ernsthaft. Überzeug dich selbst! Was haben diese vier Personen gemein?
Richtig. Sie existieren nicht. Sie sind fake. Sie wurden per Machine Learning generiert. Wie das geht? Nun, probiere es einfach einmal aus. Mit jedem Refresh ein neues Gesicht: thispersondoesnotexist.com.
Falls du mehr über die Hintergründe dieser AI wissen möchtest, dann solltest du diesen Artikel lesen. Wenn du das Thema prinzipiell spannend findest, dann möchte ich dich noch auf diese Geschichte rund um Text und AI aufmerksam machen.
Ferner ist jeder gut beraten, die Newsletter von Martin Weigert zu abonnieren – sowohl den zur Algorithmenethik als auch Martins privaten mit dem Namen meshedsociety – letzterer ist eigentlich noch besser.
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Empfehlungen fürs Wochenende
"Sharenting“ beschreibt den Vorgang, wenn Eltern permanent Fotos / Videos von ihren Kids online stellen. Dass das nicht so geil ist, wird Kindern klar, sobald sie sich googeln und checken, was Mami und Papi alles so ungefragt öffentlich geteilt haben: When Kids Realize Their Whole Life Is Already Online (The Atlantic)
Peak Aufmerksamkeitsökonomie: Hat die Aufmerksamkeitsökonomie ihren Höhepunkt überschritten? Die Kollegen von Midiaresearch stellen jedenfalls fest, dass sich in der Spiele-Branche zunehmend mehr Menschen der Übertragung von Spielen via Twitch widmen als selbst Spiele zu spielen. Konsumenten hätten schlicht nicht noch mehr freie Zeit, die sie für neue digitale Unterhaltungsangebote verwenden können. Das habe zur Folge, dass sie zwischen ihnen priorisieren müssen.
Auf der Suche nach der perfekten Antwort: Die Steuerung per Sprache verändert massiv, welche Inhalte am Ende beim Nutzer landen. WIRED schreibt auf, wie Amazon Alexa darauf trainiert, die eine richtige Antwort zu finden: Amazon Alexa and The Search for the one perfect answer.
Warum Dark Social nur ein Buzzword ist: Ich durfte mit Alexandra Martini von Zündfunk über Dark Social sprechen. Herausgekommen ist dieser Podcast. Der Teaser lautet wie folgt: „Es geht ein Gespenst um im Internet, das Gespenst von "Dark Social". Dark Social soll am Aufstieg der Gelbwesten Schuld sein und an Ausschreitungen in Myanmar. Dabei meint das Wort doch eigentlich: soziale Interaktion, die man nicht messen kann. Wir sind verwirrt: Muss man jetzt Angst haben oder ist der Hype um Dark Social unberechtigt.“
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Neues von den Plattformen
Google Maps
- Geschäften folgen: Bereits in Briefing #503 hatten wir darüber berichtet. Jetzt ist es soweit. Google gibt Geschäftsinhabern nun die Möglichkeit, Google-Maps-Nutzern mehr Infos an die Hand zu geben (Techcrunch). So können via My Business App (iOS, Android) Fanpage-mäßige Profile erstellt werden, um etwa Fotos, Posts oder Angebote zu teilen. Auch kann über die App mit Kunden interagiert werden, bzw. Nutzer können den Geschäften folgen. Nachdem Google ja bislang kein gutes Händchen in Sachen Social Networks bewiesen hat, ist dies ein ziemlich cleverer Weg, die Millionen an Nutzern auf eine neue Art anzusprechen. Und ein Angriff auf Facebook Pages.
YouTube
- Neues Strike-Verfahren: YouTube überarbeitet sein Warnsystem, um Nutzern besser aufzuzeigen, dass sie den Rubikon überschritten haben. (The Verge)
- Fundraising: Instagram lässt Nutzer künftig wohl auch Geld für gute Zwecke einsammeln. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. (Techcrunch)
- Mehr Kontrolle in Sachen Location-Tracking für Adroid-Nutzer – so lautet das erklärte Ziel dieser News aus dem Hause Facebook. Lets See if they can live up to the expectations. (Newsroom Facebook)
Medium
- Neue Magazine: Medium startet vier hauseigene Publikationen zu den Themen Tech, Gesundheit, Business und General Interest. Mal schauen, wie lange sie das durchziehen. (Digiday)
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Tipps, Tricks und Apps
Zitieren, verlinken, Bilder veröffentlichen: Wer sich im Internet rumtreibt wird kurz oder lang immer mit Bild- und Urheberrechten konfrontiert sein. Damit man gut vorbereitet ist, bitte einmal hier entlang zu Kerstin Hoffmann, die mit Thomas Schwenke über das Thema gesprochen hat und einen tollen Guide veröffentlicht hat.
Audience Explorer Dashboard: Welche Leser sind loyal? Welche Leser sind bloß Eintagsfliegen? Und was mache ich mit ihnen? Ned Berke war so nett und hat ein Audience Explorer Dashboard gebaut, das kleinen und mittelgroßen Publishern helfen könnte. (Center for Coorperative Media / Medium)
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One more thing
Save the date: Am 2. März könnte man in Berlin zu dieser Demo gehen – just saying! Berlin gegen 13!
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Header-Foto von Steven Roe bei Unsplash
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