Salut und herzlich Willkommen zur 606. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute schauen wir ausführlich auf Quibis Pläne, die erste Adresse für Bewegtbild auf Smartphones werden. Zwar kein genuines Social-Media-Thema, aber mit Blick auf die Konkurrenzsituation beim Überthema Video enorm wichtig. Ferner beschäftigen wir uns mit linken Influencern und Facebooks neuem Gesundheitstool. Wir wünschen wie immer eine gewinnbringende Lektüre und bedanken uns für das Vertrauen! Martin & Team

Quibis Pläne – für das erste Jahr

Was ist: Big Stories in quick bites – so lautet das Versprechen von Quibi. Das mit 1,4 Milliarden Dollar Risikokapital ausgestattete Startup aus Los Angeles möchte nichts weniger als die erste Adresse für Bewegtbild auf Smartphones werden. Schon im August 2018 hatten wir erstmals über Quibi berichtet – nun steht Quibi kurz vorm Launch und rührt ordentlich die Werbetrommel. Ein guter Zeitpunkt also, um das Unternehmen noch einmal etwas ausführlicher zu beleuchten.

Quibi, was?

  • Ein Konsortium, angeführt von der ehemaligen HP-Chefin, Meg Whitmann, und dem US-amerikanischen Filmproduzenten und CEO von DreamWorks, Jeffrey Katzenberg, hat sich mehr als eine Milliarde Dollar besorgt, um eine neue Mobile-Video-App zu lancieren.
  • Die Idee besteht darin, Bewegtbildinhalte (Unterhaltung und Informationen) dezidiert fürs Smartphone zu produzieren. Und zwar nicht mit irgendwem, sondern mit der Film- und Unterhaltungselite aus Hollywood, sowie international anerkannten Nachrichtenanbietern wie etwa BBC News.
  • Das Ziel ist es, Inhalte für unterwegs zu produzieren. Die Macher erklären bei ihrer CES-Präsentation, sie hätten sich u.a. von Dan Brown inspirieren lassen: Im Buch „The Da Vinci Code“ hat kein Kapitel mehr als vier, fünf Seiten. Eine optimale Länge, um mal eben zwischendurch weiterzulesen. In die Geschichte ein- bzw. aus ihr auszusteigen ist jederzeit möglich. So soll Quibi auch funktionieren.
  • Die Episoden sind nicht für lange Fernsehabende, sondern für kurze Momente gedacht – die Fahrt in der U-Bahn, zur Überbrückung der Langeweile im Wartezimmer, als Entertainment bei der Kaffeepause.

Warum ist das interessant?

  • Mobile Video ist ein heiß umkämpfter Markt: YouTube, IGTV, Facebook Watch und Snapchat Discover ringen alle um die Gunst der Nutzer in Sachen Video auf dem Smartphone. Und auch Netflix, Amazon Prime, Sky, Disney+, Apple TV und wie sie alle heißen, möchten natürlich, dass ihre Videos auf mobilen Endgeräten geschaut werden.
  • Wenn nun aber eine Gruppe um 21st Century Fox, Disney, Entertainment One, ITV, Lionsgate, Metro Goldwyn Mayer, NBCUniversal, Sony Pictures Entertainment, Viacom und Warner Media zusammen mit Alibaba und den strategischen Partner Goldman Sachs und JPMorgan Chase antreten, um eine Plattform zu bauen, die originären Content aus Hollywood auf Smartphones bringen soll, dann sollten ruhig alle, die im Bereich Bewegtbild aktiv sind, aufhorchen.

Was Quibi von anderen Anbietern unterscheiden soll:

  • Quibi arbeitet mit einer Reihe an Stars und international angesehen Unternehmen zusammen, um originäre Inhalte bieten zu können. Allein im ersten Jahr will Quibi rund eine Milliarde Dollar für Inhalte ausgeben.
  • Zudem werden viele Stories aus der Ich-Erzählperspektive erzählt. Zuschauer sollen durch diese Perspektive und die Nutzung ihres Smartphones stäker in die Geschichten reingezogen werden.
  • Ferner hat sich Quibi ein neues techniches Schmankerl einfallen lassen, dass das Seherlebnis zusätzlich steigern soll. Mittels des sogenannten „Turnstyle“-Features können Nutzerïnnen ausgewählte Filme sowohl vertikal als auch horizontal schauen.

Be smart: Quibi muss direkt im ersten Jahr 7,5 Millionen Subscriber finden. Ansonsten wird es schnell eng mit dem eingesammelten Geld. Ob das gelingt, hängt wohl weniger von technischem Schnickschnack wie „Turnstyle“ ab, als von dem Erfolg einzelner Angebote – sie brauchen unbedingt einen Hit. Und noch einen. Und dann noch einen. Die Streaming Wars haben gerade erst so richtig begonnen.

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Autor: Martin Fehrensen

Social Media & Politik

Das Teilen von Misinformationen ist in den USA leider zur Realität politischer Kampagnen geworden. Manchmal aus Versehen, häufig jedoch mit voller Absicht. Auch in Deutschland kommt es vor, dass Politikerïnnen Misinformationen über ihre Social-Media-Accounts teilen – mal eher aus Versehen, wie etwa Armin Laschet bei Twitter, immer wieder aber auch aus Kalkül (bitte beliebigen Post von AfD-Politikerïnnen hier einfügen). Welche Probleme das mit sich bringt, erklärt Drew Harwell in einem Artikel und in einem Video bei der Washington Post: Doctored images have become a fact of life for political campaigns. When they’re disproved, believers ‘just don’t care.

People are going to trust their politicians less, they’re going to trust institutions less and they’re not going to want to participate in civil discourse,” Jankowicz said. “Without that participation, our democracy just doesn’t work.“

Linke Influencer auf Youtube: Rechte Meinungsmacher gibt es in den sozialen Medien ja bekanntlich jede Menge – allen voran auf YouTube. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung wollte daher herausfinden, wie es eigentlich um linke Influencer bestellt ist. In ihrer Studie „Von Influencerïnnen lernen“ kommt die Stiftung u.a. zu folgenden Ergebnissen:

    • „Im englischsprachigen Raum lässt sich das Angebot linker Influencerïnnen in zwei Gruppen unterteilen: einerseits Multiple-use-Anbieterïnnen, die YouTube als eine von mehreren Plattformen nutzen, und andererseits solche, die YouTube-spezifisch arbeiten. Der deutschsprachige Raum zeigt etwas diversere Akteursgruppen, das Feld der Multiple-use- Anbieterïnnen ist kaum ausgeprägt.“

 

    • „Vor allem die anglofonen YouTube-spezifischen LPI haben einen überraschend großen und wachsenden Einfluss auf das digitale Publikum – vergleichbare Akteurïnnen sind im deutschsprachigen Raum aber so gut wie gar nicht vorhanden.“

 

  • „Die Nachfrage nach einem «linken» YouTube ist in Deutschland vorhanden und das Bildungspotenzial der Plattform ist enorm: alles Argumente für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, sich in diesem Bereich stärker zu engagieren.“

Datenschutz-Department

Wie Tinder, Grindr & Co systematisch persönliche Daten weitergeben, zeigt das Ergebnis der Studie „Out of Control“ von norwegischen Verbraucherschützerïnnen. Die Kollegen von netzpolitik haben die Studie aufgegriffen und schreiben:

„Bei der Perioden-App MyDays bemängelt der Bericht beispielsweise, dass die mit GPS ermittelten Ortsangaben der Nutzerinnen mit einer ganzen Reihe an Drittparteien geteilt werden, die mit verhaltensbasierter Werbung und Profiling ihr Geld verdienen. Die Dating-App OkCupid wiederum teilt hochpersönliche Daten über Sexualität, Drogenkonsum, politische Ansichten und mehr mit dem Analytikunternehmen Braze.“

Der norwegische Verbraucherrat will nun juristisch gegen die Datensammelwut vorgehen. Diese Übersicht zeigt, warum sie allen Grund dazu haben:

Follow the money

TikTok arbeitet an einem Bereich für professionelle Inhalte: Um mehr Unternehmen und Werbetreibende anzulocken, bastelt TikTok einem Bericht der Financial Times (TikTok explores curated content feed to lure advertisers $) zufolge an einem speziellen Bereich, der nur ausgewählten Kreativen vorbehalten ist – etwa so wie bei Snapchat. Auch dort gibt es einerseits den regulären Feed, einen Mix aus Posts von Freunden, Medienunternehmen und Werbetreibenden. Zusätzlich gibt es aber eben auch einen Bereich (Discover) der nur professionellen Medienmachern vorbehalten ist und daher „brand safe“ ist. Will heißen: Unternehmen, die dort werben, laufen nicht Gefahr neben user generated content aufzutauchen, der – um es mal vorsichtig auszudrücken – nicht so richtig zu ihrer Marke passt. Übrigens: Allen Unkenrufen zum Trotz scheint sich Discover für Snapchat gut zu entwickeln – kein Wunder, dass sich TikTok davon inspirieren lässt:

„Brands can run video adverts on Snap in this Discover section, paying a higher price than for ads elsewhere in the app. In its latest earnings, Snap said it had more than 100 Discover channels with a monthly audience of 10m, while time spent watching the feed rose 40 per cent year on year.“

E-Boys & E-Girls sind ja nun bereits eine ganze Weile Trendsetter in sozialen Medien – insbesondere auf TikTok und Instagram. Aber erst jetzt scheint die Marketingbranche richtig auf sie anzuspringen und holt sich die Prominentesten von ihnen ins Haus. Vox erklärt das Business: E-boys are the new teen heartthrobs — and they’re poised to make serious money.

Popular e-boys on TikTok are nabbing fashion and entertainment deals. They could be the boy bands of the 2020s, with way better style and minus the actual singing.

Lese-Empfehlungen

The Age of Instagram Face: In der Januar-Ausgabe der brand eins schreibt Kollege Thomas Ramge im Artikel Einfalt trotz Vielfalt:

Das Internet hat uns eine Flut von Produkten, Informationen und Meinungen beschert. Und wirkt zugleich wie ein gigantischer Gleichmacher. (…) Die digitale Welt bietet mehr Auswahl als jede vor ihr. Wir können die Vielfalt nutzen, kapitulieren aber oft vor ihr – und entscheiden uns für Konformität.

Diese Konformität lässt sich fast nirgends so gut beobachten wie auf Instagram. Zu den ewig gleichen Fotos und Motiven (siehe Insta Repeat) kommt nun noch das immer gleiche Gesichter hinzu: das Instagram-Gesicht -eine Mischung aus Bella Hadid, Kim Kardashian, Kylie Jenner.

Bei The Atlantic beschreibt die Kollegin Jia Tolentino eindrucksvoll, was es mit dem Streben nach diesem einen Look auf sich hat, wer davon profitiert und was dabei auf der Strecke bleibt. Super spannend! Der Artikel – The Age Of Instagram Face – ist auch als Audio-Version verfügbar. Drei Zitate, die Lust auf mehr machen sollen:

„It’s Instagram Face, duh. It’s like an unrealistic sculpture. Volume on volume. A face that looks like it’s made out of clay.“

„You get the feeling that these women, or their assistants, alter photos out of a simple defensive reflex, as if FaceTuning your jawline were the Instagram equivalent of checking your eyeliner in the bathroom of the bar.“

The world is so visual right now, and it’s only getting more visual, and people want to upgrade the way they relate to it.

Preparing for 2030: Ich liebe Newsletter! Besonders den von Azeem Azhar. In der 251. Ausgabe von Exponential View geht es um die Frage, vor welchen Herausfoderungen wir (read: die Welt) im kommenden Jahrzehnt stehen. Zu umfassend und umfangreich sind die Analysen von Azhar, als dass ich das mal locker flockig zusammenfassen könnte. Aber darum geht es bei den Lese-Empfehlungen fürs Wochenende ja auch nicht. Von daher: Wer 15 Minuten Zeit findet, hier entlang bitte: 🔮 Preparing for 2030 – What do the next ten years hold?

Schon einmal im Briefing davon gehört

Facebooks neues Gesundheitstool: Manches kriegen selbst wir nicht mit: Facebook hat bereits im Oktober 2019 einen Service eingeführt, der auf die Gesundheit(sdaten) seiner Nutzerïnnen abzielt: Connecting People With Health Resources (FB Newsroom).

Mittels „Preventive Health“ können Nutzerïnnen herausfinden, „welche medizinischen Untersuchungen mit Blick auf ihr Alter und Geschlecht empfohlen werden – etwa Cholesterintests oder Mammographien. Auch lassen sich Krankenhäuser finden, die entsprechende Untersuchungen durchführen. Zudem können User Reminder nutzen und Häkchen für abgeschlossene Untersuchungen setzen. Natürlich können auch Freunde und Bekannte über Untersuchungen informiert werden. Wir sind ja bei Facebook.

Und das ist der springende Punkt: Ja, Facebook bietet einen Service, der darauf abzielt, die Gesundheit seiner Nutzerïnnen zu verbessern. Top! Gleichzeitig sind es exakt diese Features, die Menschen dazu ermuntern, auch künftig Gesundheitsfragen via Facebook zu klären. Sneaky. The Atlantic hat einen tollen Artikel dazu geschrieben: The Sneaky Genius of Facebook’s New Preventive Health Tool.

For many of Facebook’s 2.4 billion users, it’s hard to imagine navigating social groups and remembering birthdays and attending events and finding important photos any other way. Soon enough, maybe it’ll be hard to remember doctor appointments too.

Neue Features bei den Plattformen

Instagram

  • Direct Messages im Web: Instagram hat sich etliche Jahre nach der Einführung von Direct Messages dazu entschieden, den Service nun auch im Web zu testen: Instagram starts bringing DMs to the web (The Verge). Bislang können nur ausgewählte Nutzerïnnen auf Direct Messages im Browser zugreifen. Aber der Test ist aus mehreren Gründen spannend:
      • Erstens erkennt Instagram damit an, dass Direct Messages zunehmend im professionellen Kontext genutzt werden und es einfach nur nervig ist, die berufliche Korrespondenz innerhalb einer Smartphone-App führen zu müssen.

     

    • Zweitens ist der Web-Service im Vergleich zur Kommunikation in der App bislang nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt. Zwar arbeite Instagram daran, aber zunächst einmal läuft das dem Plan entgegen, alle Messenger-Plattformen aus dem Hause Facebook samt Ende-zu-Ende-Verschlüsselung miteinander zu verzahnen. (Siehe Briefing #530)

Tipps, Tricks und Apps

Bloggen 2020: Falls jemand darüber nachdenkt, mit Bloggen anzufangen, dann ist es auch 2020 noch nicht zu spät dafür. Im Gegenteil: Nie war die Auswahl an Tools und Plattformen größer. Hier gibt es einen Überblick über 43 Plattformen, um mit der eigenen Website durchzustarten (Marko Saric).

One more thing

Weiterentwicklung vom SMWB: Liebe Kollegïnnen, gern wollen wir die kommenden Wochen nutzen, um am Briefing zu schrauben: sowohl mit Blick auf die Struktur als auch hinsichtlich des Designs. Wer gern Beta-Nutzerïn sein möchte, antwortet bitte auf diese Email mit dem Wort: beta. Auch wird es einen neuen Slack-Channel geben, um über die Ideen und Neuerungen zu diskutieren. An der Qualität und am Inhalt halten wir natürlich fest – das ist ja selbstverständlich 🙂 Danke fürs Mitmachen, Martin

Header-Foto von Hugh Han bei Unsplash