Was ist

Am Tag der US-Wahl beschrieben wir das Zeitalter der fragmentierten Öffentlichkeit (SMWB):

Es gibt in den USA immer weniger Menschen, deren Medienmenü sich ähnelt. Wer Times liest und CNN schaut, nimmt vergleichbare Ausschnitte der Realität wahr, die Redaktionen nach journalistischen Kriterien geprüft und ausgewählt haben. Das ist längst eine Minderheit, die Bedeutung klassischer Medien nimmt ab – auch durch eigenes Verschulden. (…) Es gibt Print und Podcasts, Times und Twitch, Indie-Medien und Influencer.

Heute beleuchten wir einen Teil dieser neuen Medienrealität, der rasant an Bedeutung gewinnt: Es geht um die Rolle, die Podcaster, Youtuberinnen und andere Creator bei der Vermittlung von Nachrichten und Informationen spielen.

Die Grundlage bilden zwei aktuelle Datenerhebungen der Unesco und des Pew Research Institutes. Kombiniert vermitteln sie einen guten Eindruck, wie weit die Influencerisierung des Nachrichtenkonsums in den USA vorangeschritten ist und welche Risiken diese Entwicklung birgt.

Pew: Newsfluencer sind meist männlich und eher rechts

  • Sieben Forschende des Pew Research Institutes haben im Juli und August 2024 die Konten von 500 Influencerïnnen auf Facebook, Instagram, TikTok, X und YouTube untersucht. Die Accounts haben jeweils mehr als 100.000 Follower und teilen regelmäßig Posts, die nachrichtenrelevante Keywords enthalten. Zudem wurden mehr als 10.000 Menschen befragt, die repräsentativ für die volljährige US-Bevölkerung sind.
  • Rund ein Fünftel der Befragten sagt, dass Influencerïnnen eine relevante Quelle für ihren Nachrichtenkonsum sind.
  • Der Anteil liegt bei den 18-29-Jährigen (37 %) signifikant höher als bei älteren Menschen. Schwarze und Hispanics sowie Menschen mit geringerem Einkommen informieren sich deutlich häufiger bei Influencerïnnen als Weiße und Wohlhabende.
  • Die politischen Überzeugungen auf Seite der Konsumentïnnen sind recht ausgewogen verteilt. Bei den Produzentïnnen gibt es allerdings eine gewisse Schlagseite. 27 Prozent der Newsfluencerïnnen drücken in ihren Posts und Selbstbeschreibungen konservative und republikanische Positionen aus oder unterstützen Donald Trump. Dem stehen 21 Prozent gegenüber, die liberale Einstellungen vertreten oder den Demokraten zuneigen.
  • Ein noch deutlicheres Ungleichgewicht zeigt sich bei der Geschlechterverteilung. Unter den analysierten Newsfluencerïnnen befanden sich mehr als doppelt so viele Männer (63 %) wie Frauen (30 %). Der Rest auf non-binäre Personen oder pseudonyme Accounts, bei denen keine eindeutige Zuordnung möglich war.
  • Im Plattformvergleich ist Facebook besonders männlich und rechts geprägt. Hier posten dreimal mehr explizit konservative Influencerïnnen (39 %) als liberale (13 %). TikTok ist die einzige Plattform mit halbwegs ausgewogenem Geschlechterverhältnis, auf der zudem linksliberale Positionen etwas verbreiteter sind als rechtskonservative. (Kann man Geld darauf wetten, dass Trump in dieser Amtsperiode die zweite Kehrtwende macht und TikTok doch wieder verbieten will?)
  • Rund drei Viertel der Newsfluencerïnnen haben keinen journalistischen Hintergrund und noch nie für eine Medienorganisation gearbeitet. Das ist eine gute Überleitung zum zweiten Bericht, der sich mit der Motivation und dem Hintergrund von Influencerïnnen beschäftigt …

Unesco: Nur wenige Creator arbeiten journalistisch

  • Der Unesco-Report "Behind the screens: insights from digital content creators; understanding their intentions, practices and challenges" umfasst 16 Seiten und behandelt viele Themen. Wir möchten einen Aspekt herauspicken: Wie die befragten 500 Creator aus acht Ländern, darunter auch Deutschland, Fakten prüfen – oder eben nicht.
  • Wenn die Newsfluencerïnnen die Glaubwürdigkeit von Quellen und Informationen beurteilen sollen, ist das wichtigste Kriterium die Reichweite des Inhalts. Rund 42 Prozent der Befragten schauen zuerst auf die Anzahl der Likes und Views, um einzuschätzen, ob Inhalte glaubwürdig sind.
  • Danach folgt die Identität der Teilenden. Wenn es sich um Freunde oder Expertinnen handelt, denen sie vertrauen, dann nehmen rund 20 Prozent Creator das als Indiz für eine glaubwürdige Quelle. Etwa genauso viele achten zunächst auf den Ruf des Mediums oder der Autorïnnen.
  • Gerade mal 17 Prozent sagen, dass sie primär auf die genannten Fakten achten, wenn sie die Glaubwürdigkeit von Inhalten beurteilen. Unter den vier zur Auswahl gestellten Kriterien ist die Faktenbasis damit das unwichtigste.
  • Noch krasser fallen die Antworten auf die Frage aus, auf welcher Grundlage die Creator entscheiden, ob sie Inhalte weiterverbreiten. Gerade mal ein Drittel sagt, dass sie Quellen oder Informationen einem kurzen Faktencheck unterziehen, bevor sie posten.
  • Der Rest teilt Inhalte, wenn sie den Absenderïnnen vertrauen, prüfen nur bei Nachrichten die Fakten oder verbreiten einfach alles ungeprüft, was sie für nützlich oder unterhaltsam halten.
  • Trotz dieser, freundlich ausgedrückt, Leichtgläubigkeit, sind fast 70 Prozent der befragten Newsfluencerïnnen überzeugt, dass sie kritisches Denken und Medienkompetenz bei ihrer Zielgruppe fördern.
  • Auch klassische Medien beherzigen nicht immer journalistische Standards. Wir sind aber ziemlich sicher, dass ein Großteil der Journalistïnnen in Deutschland sorgsamer prüft, ob Quellen glaubwürdig sind und welche Informationen in ihre Berichterstattung einfließen.

Be smart

Vor 25 Jahren formulierte Douglas Adams drei Regeln:

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