Salut und herzlich Willkommen zur 506. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Nachdem ich am Montag beim Mobile Media Day in Würzburg die Keynote halten durfte, konnte ich mich am Dienstag wieder voll und ganz dem Newsletter widmen. Wir blicken heute sehr ausführlich auf den Mobile Video Boom, den bislang ausbleibenden Erfolg von Facebook Watch und den Abgang eines weiteren prominenten Mitarbeiters bei WhatsApp. Herzlichen Dank für das Interesse, Martin & Team
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Der Mobile-Video-Boom, erklärt
Was ist? Menschen konsumieren immer mehr Video auf mobilen Endgeräten. Dort schauen sie aber nicht nur Inhalte von all jenen Angeboten, die sie bereits von ihrem Fernseher kennen. Vielmehr tummeln sich eine Vielzahl an neuen Spielern auf dem Markt. Dadurch verschieben sich die Kräfteverhältnisse: weg von traditionellen Sendern, hin zu Videoportalen und Streaming-Anbietern. Aber auch Social-Media-Plattformen und Mobilfunkanbieter investieren Milliarden, um bei dieser Neuordnung mitzumischen.
Wer schaut Videos im Internet? Drei Viertel der Bevölkerung schauen zumindest gelegentlich Videos im Netz, 33 Prozent sogar täglich. Das ist das Ergebnis der ARD/ZDF-Onlinestudie 2018. Noch nie war die Reichweite von Onlinevideo so hoch. Aber nicht nur das: Wer sich Videos im Internet anschaut, tut dies auch deutlich häufiger als noch vor einem Jahr. Für die meisten unter 50-Jährigen gehört Onlinevideo zum Alltag. Prinzipiell haben Video-Angebote im Netz bei den 14- bis 29-Jährigen allerdings die größte Reichweite. In den USA konsumieren sie sogar bereits mehr Medien auf ihrem Smartphone als im Fernsehen.
Was wird im Internet geschaut? Klarer Spitzenreiter in Sachen Bewegtbild im Internet sind Videoportale wie YouTube. Fast Zweidrittel nutzen sie zumindest selten, 15 Prozent sogar täglich. Darüber hinaus erfreut sich auch zeitversetztes Fernsehen einer großen Beliebtheit. Ferner werden Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime stark genutzt. Allerdings – und das ist der wesentliche Punkt – können weder traditionelle TV-Inhalte, noch Streaming-Anbieter auf Smartphones richtig punkten. Hier betreten neue Akteure das Feld.
Wer ringt um die Gunst der mobilen Zuschauer? Das Smartphone ist seit 2016 in Deutschland das populärste Gerät, um im Internet zu surfen (Siehe ARD/ZDF Onlinestudie 2016). Allerdings wird ein Großteil der Zeit, die Nutzer im mobilen Internet verbringen, nicht im klassischen, freien und offenen Internet verbracht, sondern in Apps. Insbesondere die jüngere Zielgruppe verwendet dabei laut Nielsen einen enormen Anteil der Zeit auf Online-Video – etwa bei YouTube, Facebook oder Snapchat. Aber auch Streaming-Anbieter, Hardware-Hersteller und sogar Mobilfunk-Anbieter bemühen sich, Kunden und Nutzer mit Video-Inhalten zu gewinnen – zumeist mit exklusiven Produktionen. Die wichtigsten Player im Überblick:
- Video spielt für Facebook in der strategischen Ausrichtung eine zentrale Rolle: einerseits hinsichtlich der Distribution von Dritt-Inhalten, andererseits hinsichtlich der Produktion von eigenen Inhalten
- So hat Facebook etwa im vergangenen Jahr eine Reihe von Originalsendungen, sogenanntem „Original Content“, exklusiv für Facebook Watch in den USA mit finanziert: darunter auch Formate mit Hollywood-Stars wie Catherine Zeta-Jones und Elizabeth Olsen, die exklusiv auf Facebook zu sehen sind. Mehr zu Facebook Watch im Briefing weiter unten.
- Zwar plant Facebook derzeit nicht, explizit für (und in) Deutschland produzierte Inhalte finanziell zu unterstützen, sehr wohl geht Facebook aber davon aus, dass es hierzulande genügend lokale Video-Publisher gibt, die ihren Content von selbst hochladen, wie ein Facebook-Sprecher mitteilt.
- Facebook versucht mit Videos zwei Arten von Zuschauern zu gewinnen: diejenigen, die nur rasch etwas gucken wollen (via News Feed) und diejenigen, die lange Inhalte schauen möchten (via Facebook Watch).
Snapchat
- Snap schickt sich an, eine Führungsrolle bei der Entwicklung des mobilen Fernsehens einzunehmen.
- Dafür produziert (respektive lässt produzieren) Snapchat ebenfalls eine Reihe von Inhalten, die nur bei Snapchat zu sehen sind. Die ersten Shows sind nun auch in Deutschland angelaufen: etwa von Funk, zett oder bento (mehr dazu bei Horizont).
- Insbesondere fokussiert sich Snapchat darauf, Inhalte zu produzieren, die dem Nutzungsverhalten von Smartphone-Usern gerecht wird – mit anderen Worten: Snapchat setzt auf vertikale Videos.
YouTube
- YouTube ist für die ganz junge Zielgruppe die wichtigste Plattform (Pew). Aber auch bei älteren Semestern erfreut sich YouTube einer großen Popularität (ebenfalls Pew).
- Zwar ist YouTube in erster Linie für die von Nutzern hochgeladenen Videos bekannt, gleichwohl arbeitet YouTube daran, ebenfalls exklusive Inhalte auf der Plattform anbieten zu können.
- So hat YouTube etwa im Rahmen seines Premium-Segments auch für Deutschland Dokumentationen und Serien produzieren lassen, die ausschließlich auf der eigenen Plattform zu sehen sind (HAZ).
Amazon Prime
- Nach dem Erfolg von exklusiv für Netflix produzierten Serien hat auch Amazon Prime enorm viel Geld in die Hand genommen – allein im Jahr 2018 sollen es fünf Milliarden Dollar für Sportrechte und Serien sein.
- Für Amazon ist „mobile video“ dabei laut Firmensprecher ein gleichberechtigter Empfangsweg.
Sky
- Auch für Sky spielen eigenproduzierte Serien und Shows eine zentrale Rolle.
- Allein in Europa investiert die Sky Gruppe laut Firmenangaben knapp acht Milliarden Euro in Inhalte – etwa in Serien wie „Babylon Berlin“ oder „Das Boot“.
- Für Sky sei es Kernbestandteil der Strategie, dass Sky-Kunden ihr Programm so einfach und flexibel wie möglich empfangen könnten. Mobile Endgeräte spiele dabei natürlich eine entscheidende Rolle, erklärt mir ein Firmensprecher.
Apple
- Eine Milliarde Dollar investiert Apple Branchenexperten zufolge in die Produktion von eigenen Inhalten.
- Stars wie Reese Witherspoon und Jennifer Aniston sollen für Apple dafür Sorge tragen, dass Nutzer maximal viel Zeit in Sachen Online-Video auf Inhalte von Apple verwenden.
Telekom
- Zwar versteht sich die Telekom vor allem als Aggregator im Medienmarkt.
- Sehr wohl aber würde die Telekom den Angaben eines Unternehmenssprechers zufolge das aggregierte Angebot mit dem Erwerb von Exklusivrechten (etwa im Bereich Sport) oder Eigenproduktionen wie „Deutsch-Les-Landes“ ergänzen, um sich vom Wettbewerb abzuheben.
Vodafone & Telefónica Deutschland
- Beide Unternehmen verstehen sich als Aggregatoren und erklären auf Anfrage, dass sie keine Eigenproduktionen planen.
Was ist das Geschäftsinteresse dabei? So unterschiedlich die Akteure, so divers sind auch die zugrundeliegenden Geschäftsinteressen, die hinsichtlich der Video-Strategien zum Tragen kommen.
- Abos: Natürlich versuchen Streaming-Anbieter wie Netflix und Sky, Abos zu verkaufen. Exklusive Inhalte fungieren hier als Differenzierungsmerkmal.
- Werbeeinnahmen: Ebenfalls recht klassisch sind Videoportale wie YouTube oder Social-Media-Plattformen wie Facebook und Snapchat primär daran interessiert, Werbeeinnahmen zu generieren. Durch vorgeschaltete Werbung oder Werbeblöcke innerhalb der Videos setzen die Unternehmen bereits jetzt Millionen um. Da die absolute Mehrheit der Werbebudgets im klassischen Fernsehen investiert wird, sehen Videoportale und Social-Media-Plattformen genau hier noch großes Wachstumspotential für sich.
- Daten: Über die unmittelbar mit den Videos zu generierenden Abo-Erlöse und Werbeeinnahmen hinaus dienen die exklusiven Video-Inhalte aber auch als Hebel, um Nutzer grundsätzlich immer wieder auf die Plattform zu holen. Insbesondere bei Facebook (und ihrem Tochterunternehmen Instagram) werden exklusive Video-Inhalte deshalb eingekauft, um Nutzer an die Plattform zu binden, respektive ihnen Stoff zu liefern, über den sich die Nutzer austauschen sollen. „Menschen wollen sich während sie eine Sendung sehen, mit anderen verbinden und austauschen“, erklärt ein Facebook-Sprecher. Genau dafür würde Facebook ihnen als Plattform dienen. Das jetzt ausgerollte Feature „Facebook Watch Party“ soll dabei helfen (AdWeek). Das eigentliche Kalkül dabei: Facebook kann so dafür sorgen, dass die Plattform für die zwei Milliarden Nutzer weiter relevant bleibt und sie weiter maximal viele Daten über ihre Nutzer sammeln können.
- Kundenbindung: Auch werden exklusive Video-Inhalte deshalb produziert, weil sie neben dem eigentlichen Geschäftsmodell der Kundenbindung zuträglich sein sollen – Amazon Prime dürfte hier das Paradebeispiel sein. Neben dem Hauptgeschäftszweig – dem Online-Warenhandel – bietet Amazon allen Prime-Mitgliedern nun eben neben kostenlosem Versand, auch Musik- und Video-Inhalte.
- Mobilfunkverträge: Selbst wenn sich Unternehmen wie Telekom, Vodafone und Teléfonica als Aggregatoren auf dem Fernsehmarkt verstehen, sind sie in erster Instanz Telekommunikationsunternehmen, deren primäres Interesse darin besteht, Telefon-, Internet- und Mobilfunkverträge zu verkaufen. Exklusive Video-Inhalte sind hier vor allem als Marketing-Instrumente zu verstehen.
- Verkauf von Hardware: Auch Apple produziert eigene Inhalte vor allem aus Marketing-Aspekten. Die exklusiven Shows sollen zu einem Großteil nur auf Apple-Geräten zu sehen sein und somit als Hebel fungieren, um neue Kunden zu gewinnen, respektive alte Kunden zu halten.
Der größere Zusammenhang: Die neuen Akteure verändern massiv den Markt. Erstens investieren sie Summen, bei denen traditionelle Medienunternehmen nicht mithalten können. So entspricht etwa die Summe, die Netflix in eigene Inhalte investiert, den Gesamterträgen, die ARD, ZDF und Deutschlandradio über den Beitragsservice erzielen. Zweitens bedienen sie ein Publikum, das sich wenig loyal gegenüber traditionellen Angeboten zeigt. Die Generation, die heute mit Videos bei Facebook aufwächst, wird nicht zwangsläufig später einmal RTL einschalten.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen kann dies von daher nicht ohne Folgen für die Reichweite klassischer Medienhäuser bleiben, erklären die Kollegen in der ARD / ZDF Onlinestudie. Insbesondere kommerzielle Fernsehsender, aber auch Streaming-Anbieter, die keine explizit für Smartphones produzierten Inhalte anbieten, müssen womöglich in den kommenden Jahren mit sinkender Reichweite rechnen.
Be smart: Immer mehr Menschen schauen Videos auf ihrem Smartphone. Allerdings stammen die Videos dabei häufig nicht mehr von klassischen TV—Sendern, sondern werden von Technologie-Unternehmen in Auftrag gegeben – ihnen dienen sie dabei vor allem als Marketing-Instrumente. Künftig wird deshalb der, der den Zugang zum Nutzer kontrolliert, also Tech-Unternehmen und Mobilfunkanbieter – auch maßgeblich über die Produktion von Inhalten entscheiden.
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Facebook Watch: Ein Reinfall?
Was ist: Kreative, Werber und Medienunternehmen geben zu Protokoll, dass die Arbeit, die in Facebook Watch investiert wurde, bislang noch keine Früchte tragen würde. Im Gegenteil: die Videos würden in anderen Kanälen sehr viel besser laufen (und Geld einbringen).
Warum ist das interessant? Zuckerberg hatte 2017 mit dem Launch von Facebook Watch das Ziel ausgegeben, Facebook zu einer Plattform auszubauen, auf der auch längere Inhalte konsumiert werden könnten. Facebooks so nicht öffentlich kommunizierter Ansporn dabei: der 28 Milliarden Dollar schwere Video-Werbemarkt. Genau diese Idee scheint aber beim Publikum nur wenig zu verfangen.
Die zwei Hauptgründe für das Desinteresse an Facebook Watch:
- Erstens hat Facebook dem Vernehmen nach ein inhaltliches Problem: die junge Zielgruppe interessiert sich einfach nicht für die Inhalte von Facebook Watch, sehr wohl aber für Stories, Instagram und YouTube. Deshalb würden laut einem Bericht bei CNBC Vertreter von Facebook jetzt bei Medienschaffenden explizit Inhalte nachfragen, die für ein Publikum Ü30 gedacht sind. Auch dürften es gern weniger Social-Media-Stars sein und sowieso lieber Formate, die Menschen bereits aus dem traditionellen Fernsehen kennen.
- Zweitens hat Facebook ein massives Problem dabei, Nutzer davon zu überzeugen, Facebook nicht nur über den News Feed zu benutzen ist, sondern nun eben auch Watch per Tab explizit angesteuert werden kann, um dort gezielt Inhalte zu konsumieren. Facebook verlangt an dieser Stelle nichts geringeres, als dass Nutzer Facebook nicht mehr als Pusher von Inhalten begreifen, sondern Nutzer jetzt aktiv Inhalte ansteuern. (Den fundamentalen Unterschied zwischen Push und Pull erkläre ich in diesem Artikel aus dem Januar 2017.)
Be smart: Facebook Watch mag in einigen Einzelfällen funktionieren. Ein Ort, an dem Nutzer oft und gern längere Videos schauen, ist es aber noch lange nicht und wird es unter Umständen auch niemals werden.
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Wahnsinn der Woche
Am 23.11. sagt Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bei der Jubiläumsfeier der Kölner Journalistenschule:
"Das Einordnen und Prüfen von Fakten ist in Zeiten von Fake News wichtiger denn je."
Am 24.11. teilt er dannn einen Post von Thomas Sigmund, Leiter Hauptstadtbüro & Ressortleiter Politik vom Handelsblatt, der sich in seinem Posting auf eine rechte "Satireseite" bezieht.
Ebenfalls hatte Roderich Kiesewetter, immerhin bis Oktober 2018 stellvertretender Vorsitzender des Beirats der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, diese Falschnachricht auf Twitter geteilt.
Kann man sich nicht ausdenken.
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Weiterer Abgang bei Facebook Inc
Nachdem bereits die WhatsApp-Gründer, Koum und Acton, von Bord gegangen sind, verlässt nun auch WhatsApps Chief Business Officer, Neeraj Arora, das Unternehmen. Es sei an der Zeit, die Batterien wieder neu aufzuladen und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, so Arora. Ähm ja, das kann ich mir gut vorstellen. Gleichwohl bleibt es bemerkenswert, dass Facebook Inc damit im Jahr 2018 weiteres Spitzenpersonal verliert. (Quelle: Facebook / Neeraj Arora)
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One more thing
Video-Interview: Wer sehen möchte, wie ich von der Kamera recht unglücklich in Szene gesetzt, weil herab- und zu weit aus dem Bild schauend, über die aktuellen Trends in Sachen Mobile spreche, der wird hier bedient.
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Die letzten drei Briefings
- Facebooks Fake News, kostspielige Influencer, Twitters Explore-Tabs (Briefing 505)
- Facebook-Recherche der New York Times, 24-Jähriger manipuliert Hunderttausende, Tim Cook fordert Regulierung (Briefing 504)
- Fragwürdige YouTube-Empfehlungen, Studie zum Zusammenhang von Social Media und Depressionen, 💪👩🔬 Bot der Financial Times (Briefing 503)
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