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Social Media Watchblog

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Der blaue Vogel ist tot, lang lebe der blaue Himmel

Die Suche nach einer Twitter-Alternative geht weiter. Nach Mastodon und Threads erlebt jetzt Bluesky seine 15 days of fame – oder ist es diesmal mehr als ein Strohfeuer?
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Ausgabe #909 | 5.10.2023

Was ist

Seit dem Wochenende reden in Deutschland alle über Bluesky. Also: gefühlt alle. Was konkret bedeutet: ein paar Menschen mit großer Reichweite, ein paar Tausend Menschen, die schon da sind, ein paar Zehntausend Menschen, die gern mitmachen würden. Zudem haben etliche große Medien einen „Das ist die Twitter-Alternative des Twitter-Gründers“-Explainer veröffentlicht.

Und damit sind wir auch schon voll im Thema. In unserer Medienmenschen-Welt fühlt sich Bluesky gerade an wie das nächste große Ding – oder zumindest das nächste Twitter. Doch das muss nicht viel heißen:

  • Die mediale Öffentlichkeit ist bestenfalls ein kleiner Ausschnitt der Realität, manchmal auch komplett davon entkoppelt.
  • Dutzende Angebote wurden als angebliche Alternative zu Facebook, Google oder Twitter gefeiert. An die meisten erinnert sich niemand mehr, manche fristen ein Nischendasein, nur wenige haben sich etabliert.

Wir bringen in diesem Briefing zwei Perspektiven zusammen. Martin, der hoffnungsvolle Optimist, ist überzeugt, dass die Bluesky-Begeisterung nachhaltig sein kann. Simon, der zynische Pessimist, bleibt vorerst skeptisch. Bevor wir unsere Standpunkte erklären, bringen wir aber schnell alle auf den gleichen Stand: Was genau ist nochmal Bluesky und wie kann man da mitmachen?

Was Bluesky ist

  • Hinter Bluesky steckt ein bekannter Name. Jack Dorsey stieß die Entwicklung 2019 an, also während seiner Zeit bei Twitter.
  • Dorsey sitzt bis heute im Aufsichtsrat und redet ein Wörtchen mit. Wie intensiv er sich einmischt, ist unklar. Zumindest im Mai schien er eher an seiner anderen App Nostr interessiert zu sein (NYT).
  • 2021 später wurde das Experiment ausgegliedert und in ein eigenständiges Unternehmen überführt. Chefin ist Jay Graber, die zuvor eine Kryptowährung mitentwickelte und eine Event-Plattform gründete.
  • Seit 2023 gibt es die App Bluesky Social. Die Plattform setzt auf eine dezentrale Architektur und basiert auf dem AT Protocol. Technisch ähnelt es dem Activity-Pub-Standard von Mastodon, perspektivisch sollen beide Plattformen eine Schnittstelle bekommen.
  • Bislang ist das aber lediglich eine Ankündigung. Aktuell gibt es nur einen Server, die dezentrale Architektur existiert also nur in der Theorie. Bevor Dritte eigene Instanzen und Apps aufsetzen können, muss Bluesky das Protokoll öffnen.
  • Den ersten Ansturm erlebte Bluesky Anfang Mai dieses Jahres. Musk machte mal wieder Murks, eine Reihe bekannter Menschen wechselte von Twitter zu Bluesky. Das löste einen kleinen Hype aus, Einladungscode wurden zwischenzeitlich für mehrere hundert Dollar verkauft (Briefing #878).
  • Im vergangenen Juli änderte Bluesky seine Unternehmensform von einer gemeinnützigen GmbH in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft und sammelte acht Millionen Dollar Risikokapital ein (Bluesky).
  • Im Gegensatz zu Mastodon ist Bluesky damit ein gewinnorientiertes Unternehmen, das die Erwartungen von Investorïnnen erfüllen muss.

Wie man bei Bluesky mitmachen kann

  • Herunterladen kann die App jeder, für die Anmeldung ist aber ein Code nötig.
  • Dafür muss man sich entweder auf eine Warteliste setzen lassen, oder man fragt nach einem Invite. Angemeldete Nutzerïnnen können jeweils fünf weitere Personen einladen.
  • Bluesky verkauft das als Vorsichtsmaßnahme, um die typischen Probleme eines (zu) schnell wachsenden Netzwerks in den Griff zu bekommen: Server-Kapazität und Content-Moderation.
  • Auf jeden Fall erweist sich die künstliche Verknappung als geschicktes Marketing und löst bei einigen Menschen massive Fomo aus.
  • Lange Zeit war es schwer, an einen Invite zu kommen. Allmählich übersteigt die Zahl der Mitglieder aber eine kritische Masse, sodass immer mehr Menschen Codes verteilen können.
  • Wer freundlich auf Twitter oder in unserem Slack-Team fragt, dürfte gute Aussichten haben.
  • Ein paar praktische Anlaufstellen zum Einstieg: Statistiken rundum Bluesky (vqv.app), eine experimentelle Web-Oberfläche (Twexit.nl), ein Export-Import-Tool für Kontakte (Fedifinder) und eine Art Tweetdeck (deck.blue). Letzteres bitte nur mit App-Passwort nutzen, das in den Einstellungen bei Bluesky generiert werden kann. Wer seinen Account verifizieren möchte, findet hier eine Anleitung: Blog Bluesky.

Wie Bluesky aktuell dasteht

  • Anfang September freute sich Bluesky in einem Blogpost über 1 Million Nutzerïnnen (Bluesky).
  • Aktuell hat die Plattform Schätzungen zufolge knapp 1,4 Millionen User weltweit (vqv.app).
  • Offizielle Zahlen für Deutschland gibt es nicht. Allerdings gewinnen deutschsprachige Accounts gerade besonders viele Follower pro Tag hinzu.
  • Dazu zählen etwa Politikerïnnen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Ricarda Lang und Lars Klingbeil, der Deutsche Bundestag und Medien wie der Tagesspiegel, die taz und Netzpolitik.org.
  • Auch wir sind bereits bei Bluesky: Martin, Simon, Social Media Watchblog.
  • Die Tatsache, dass Bluesky in den vergangenen Tagen recht prominent in den Download-Charts von Apple und Google vertreten…

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