Adieu, TweetDeck: Twitter wird noch unbrauchbarer

Wir bezahlen gern für gute Software. Bei X Pro, formerly known as TweetDeck, sieht das anders aus. Und damit sind wir nicht allein.
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Ausgabe #897 | 17.8.2023

Was nicht ist

Kein weiteres Briefing mehr über Elon Musk. Der Newsletter Platformer hat eine Rubrik namens Pushback, in der Casey Newton regelmäßig Feedback und Kritik wiedergibt. In der vergangenen Ausgabe war dort zu lesen:

Thanks to everyone who wrote in with their thoughts on yesterday’s piece about Elon Musk. While some of you appreciated it, I got more notes than usual from readers who are extremely over reading about the owner of X, particularly opinion-driven pieces about his personality. Even when he is making dark threats about a fellow CEO. You told me that you come to Platformer for news and analysis, and that yesterday I strayed too far into the realm of the hot take.

Message received. I have now said all I can imagine saying about Musk’s personality, and while surely there will be future antics that leave my jaw dropped, I will avoid writing about them at column length.

Uns geht es ähnlich. Als wir vergangene Woche das Rebranding von Twitter zu X analysierten, schrieben wir (#894):

Musk-müde sind wir auch. Todmüde. Wir könnten gut und gern bis März Twitter-Winterschlaf halten. Ganz ignorieren geht aber nicht. Wir schreiben über Social Media, und was dort geschieht, ist beispiellos. Einer der reichsten Menschen der Welt verwandelt eine der wichtigsten politischen Kommunikations- und Diskussionsplattformen in sein persönliches Spielzeug und nutzt sie als Werkzeug in seinem Feldzug gegen den vermeintlichen "woke mind virus".

Dabei kuschelt er mit Rechtsextremen, Antisemiten und radikalen Frauenhassern, radikalisiert sich in aller Öffentlichkeit und nimmt antirassistischen, feministischen und Schwarzen Bewegungen Schutz und digitale Heimat. Dem heutigen X weinen wir keine Träne nach, ums alte Twitter trauern wir.

Für unsere aktuelle und künftige Berichterstattung bedeutet das: Wir ignorieren Musk so weit wie möglich und berichten in erster Linie über wichtige Änderungen am Produkt, das nach wie vor Relevanz hat. Für alles Weitere empfehlen wir den Podcast "Haken dran", in dem sich Dennis Horn und Gavin Karlmeier mit bewundernswerter Hartnäckigkeit und beeindruckender Konsistenz mit dem Niedergang von Twitter beschäftigen (Apple Podcasts, Spotify).

Was ist

TweetDeck heißt jetzt X Pro und wird Bestandteil des kostenpflichtigen Abos X Premium aka Twitter Blue (wir nennen das Unternehmen vorerst weiter Twitter, eine Mischung aus Sentimentalität und Trotz). Das hatte sich abgezeichnet: Am 3. Juli kündigte Twitter an, dass in 30 Tagen nur noch zahlende Abonnentïnnen TweetDeck nutzen könnten (Twitter Support). Wie so oft bei Twitter dauerte es etwas länger, aber zumindest diese Ankündigung machte Musk wahr.

Warum TweetDeck praktisch war

  • Die meisten Menschen, die diesen Newsletter lesen, dürften TweetDeck kennen. Das Tool ermöglicht es, auf dem Desktop mehrere Timelines nebeneinander anzuzeigen, etwa den algorithmisch sortierten Feed, den chronologischen Feed, Benachrichtigungen, Direktnachrichten und vor allem Suchen und Listen.
  • Damit kann man Ordnung in das chaotische Rauschen des Twitter-Feeds bringen. Wer etwa bestimmte Themen im Blick behalten möchte oder über aktuelle Ereignisse berichtet, kann relevante Quellen und Hashtags in separate Spalten packen und alles im Blick behalten.
  • Das macht TweetDeck zu einem wichtigen Werkzeug für Journalistinnen, Social-Media-Manager, Forscherinnen und alle anderen Menschen, die Twitter möglichst effizient nutzen möchten.

Was das bedeutet

  • Persönlich sind wir kaum betroffen. Martin hat sich bereits im vergangenen November von Twitter zurückgezogen, auch mein Account ist über die Monate eingeschlafen. Die App ist längst vom Handy verschwunden, das Favicon, ein hässliches X, aus der Lesezeichenleiste des Browsers gelöscht. Im Alltag spielt Twitter für uns kaum noch eine Rolle.
  • Damit sind wir in unserem Umfeld bislang eher in der Minderheit. Wir haben aber mit Dutzenden Kollegïnnen gesprochen, die sich einig sind: Mit dem Wegfall von TweetDeck verliert Twitter weiter an Wert für die professionelle, journalistische Nutzung.
  • Mehrere große deutsche Medienhäuser überlegen, ob und wie sie Twitter weiter nutzen sollen. Auch bei The Verge und der Washington Post gibt es ähnliche Diskussionen.
  • Für Twitter Blue möchte niemand zahlen, zumindest nicht die absurden Beträge, die es für Unternehmen kostet.
  • Ein weiteres Problem für viele Medien: Die ständigen Änderungen an der API haben viele automatisierte Abläufe durche…

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