SMWB.1911.LOGO.kompakt_ohne_Subline_RZ_001

Social Media Watchblog

Social Media Watchblog

Bei Twitter hakt es: Vom Statussymbol zum Schandfleck | Ausgabe #876

Das Meisterstück von Marketinggenie Musk: Wie man an einem Wochenende die letzte Chance verspielt, mit Twitter jemals Geld zu verdienen.
Danke fürs Teilen

Ausgabe #876 | 25.4.2023

Was ist

Die Superlative sind uns längst ausgegangen. Was Twitter seit dem vergangenen Donnerstag abgezogen hat, war mal wieder ein Desaster mit Ansage. Deshalb drehen wir das Spiel um. Wir gehen in diesem Briefing davon aus, dass es Elon Musk darauf angelegt hat, Twitter – den vermeintlichen Hort der Wokeness, die Lieblingsplattform der Linksliberalen – zu ruinieren. Aus diesem Blickwinkel hat er am Wochenende grandios abgeliefert.

Die Ausgangslage

  • Knapp sechs Monate nach der Übernahme ist Musk seinem Ziel schon erstaunlich nahegekommen. Mehr als 80 Prozent der Angestellten und drei Viertel der wichtigsten Werbekunden sind weg, der Umsatz und der Wert von Twitter haben sich halbiert.
  • Doch ein Restrisiko bleibt: Wenn genug Menschen bereit sind, für Twitter Blue zu bezahlen, könnte das Abomodell den Exodus der Werbetreibenden kompensieren und Twitter dauerhaft rentabel machen.
  • Was also tun? Man muss den blauen Haken sabotieren, eines der wenigen verbliebenen Statussymbole auf Twitter, von dem eine gewisse Glaubwürdigkeit ausgeht – und für den Menschen womöglich bereit sind zu bezahlen.
  • Die paar Musk-Fans und Tesla-Fahrer, die Blue bislang abonniert haben, stellen keine Gefahr dar. Insgesamt dürfte es sich um höchstens 650.000 Accounts handeln (Github), das bedeutet einen Jahresumsatz im mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbereich – rund ein bis zwei Prozent des gesamten Umsatzes im vergangenen Jahr.
  • Was aber dringend verhindert werden muss: Dass reihenweise Promis, die nach dem alten System gratis verifiziert waren, ebenfalls Twitter Blue abonnieren.
  • Das könnte Vorbildcharakter haben und eine bedrohliche Kettenreaktion auslösen. Wenn nur ein Bruchteil der jeweils mehr als 100 Millionen Follower von Justin Bieber, Rihanna, Cristiano Ronaldo und Katy Perry ihren Idolen folgt und ebenfalls für Blue zahlt, schießen die Einnahmen so schnell nach oben, dass Twitter tatsächlich eine Zukunft haben könnte.

Die Vorbereitung

  • Twitters Zerstörung ist sorgfältig geplant. Seit Jahren macht sich Musk über den blauen Haken lustig, wenige Tage nach Kaufabschluss schreibt er (Twitter): "Twitter’s current lords & peasants system for who has or doesn’t have a blue checkmark is bullshit."
  • Das reicht natürlich nicht. Mitte November ignoriert Musk alle Warnungen seiner Angestellten und schaltet Blue erstmals frei.
  • Binnen weniger Stunden wimmelt es von Fakes: Nintendo lässt Super Mario den Mittelfinger zeigen, Chiquita verkündet, die brasilianische Regierung gestürzt zu haben, und der Pharmakonzern Eli Lilly setzt einen folgenreichen Tweet ab: "Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Insulin jetzt kostenlos ist."
  • Alle diese Accounts haben einen blauen Haken, weil sie für Blue bezahlen. Keiner davon ist echt. Obwohl Twitter das Blue-Abo schnell wieder stoppt, zieht Eli Lilly Konsequenzen und wirbt seitdem nicht mehr auf Twitter.
  • Gleichzeitig setzt Musk alles daran, sich bei einem Großteil der Twitter-Nutzerïnnen derart unbeliebt zu machen, dass der Haken zum Demarkationssymbol wird. Wer ihn besitzt, ist offenbar bereit, Musks Eskapaden zu finanzieren – ein rotes Tuch für viele Menschen.
  • Damit ist das erste Ziel erreicht: Der blaue Haken ist in Verruf geraten. Was jahrelang für Authentizität stand, ist jetzt mit Zweifeln verbunden: Wurde der Account verifiziert, oder zahlt er für Blue?

Die Umsetzung

  • Musk schafft weitere Unsicherheit. Am 1. April sollen alle bislang verifizierten Accounts die blauen Haken verlieren. Wie so oft setzt Twitter die Ankündigung nicht in die Tat um. Ein Aprilscherz? Unklar.
  • Kurz darauf legt sich Musk auf ein neues Datum fest: den 20. April. Das Datum, 4/20 nach US-Schreibweise, beinhaltet seine Lieblingszahl: 420, in den USA ein Codewort für Cannabiskonsum.
  • Musk übernahm Twitter für einen Preis von 54,20 Dollar pro Aktie und schlug einst vor, sein Unternehmen Tesla von der Börse zu nehmen – für einen Aktienwert von 420 Dollar. Es ist also ein besonderer Tag für den Twitter-Chef, und Musk zelebriert ihn auf seine ganz eigene Art.
  • Am späten Donnerstagabend deutscher Zeit verlieren auf Twitter die rund 420.000 verifizierten Accounts ihren blauen Haken – eine Zahl, die Musk gefallen dürfte, in diesem Fall aber tatsächlich Zufall ist.
  • Doch schnell zeigt sich ein Problem, das Musk nicht bedacht hatte. "Endlich sind wir alle gleich und die Arschl…

Newsletter abonnieren

Das Social Media Watchblog liefert zweimal die Woche die wichtigsten News und Debatten rund um Social Media per Newsletter. Über 5000 Kollegïnnen aus Medien, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft bauen auf unsere Analysen.

Nach oben scrollen
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner