Twitter Blue: Wir würden ja Geld bezahlen, aber …

Was ist

Twitter macht Ernst: Im Juli startete Twitter Blue in Australien und Kanada, jetzt können auch Menschen in den USA und Neuseeland das kostenpflichtige Abonnement abschließen (Twitter-Blog). Für drei Dollar pro Monat enthält Twitter nun deutlich mehr Funktionen als in der bisherigen Testphase. Ob und wann das Produkt nach Deutschland kommt, ist unklar.

Warum das wichtig ist

Twitter Blue ist ein spannendes Experiment. Reddit, Twitch und Discord bieten bereits kostenpflichtige Abos an, diese Plattformen lassen sich aber nur eingeschränkt mit Twitter oder Facebook vergleichen. WhatsApp verlangte einst einen symbolischen Dollar pro Jahr, Google bietet YouTube Premium an. Doch die WhatsApp-Jahresgebühr wurde nie ernsthaft eingezogen, und das YouTube-Abo schließt man in erster Linie für Inhalte und Werbefreiheit ab. Dafür zahlen bereits 50 Millionen Menschen, Spotify und Netflix sind noch erfolgreicher.

Es gibt also etablierte Abo-Modelle im Silicon Valley, doch mit Twitter versucht nun zum ersten Mal ein größeres soziales Netzwerk, Nutzerïnnen zu überzeugen, regelmäßig zu bezahlen. Bereits vor vier Jahren erwog Twitter eine kostenpflichtige Version von TweetDeck (The Verge), die aber nie umgesetzt wurde. Auch Facebook dachte schon 2012 über ein Abo-Modell nach (The Information) und ließ immer wieder Umfragen durchführen (Bloomberg), ob Menschen bereit wären, für Werbefreiheit Geld zu zahlen.

Welche Funktionen neu sind

Auf seinen Hilfeseiten gibt Twitter eine praktische Übersicht, welche Features Abonnentïnnen auf welchen Geräten (iOS, Android, Web) erhalten. Mit dem Start in den USA sind folgende Funktionen dazugekommen:

Top Articles

  • Das mit Abstand spannendste Feature dürfte vielen bekannt vorkommen. Man kann sich die Links anzeigen lassen, die in den vergangenen 24 Stunden am häufigsten von Accounts geteilt wurden, denen man selbst folgt. Und das ist doch …
  • Nuzzel! Wir stellten den Dienst Anfang des Jahres als Tool-Tipp vor, wenige Monate später schluckte Twitter das Unternehmen Scroll, das zuvor Nuzzel gekauft hatte – und drehte App und Webseite einfach ab.
  • Als wir im Juni über die Testphase von Twitter Blue berichteten (#725), schrieben wir: "Jetzt wünschen wir uns sehnlichst, dass Twitter die Funktionen integriert und meinetwegen auch Geld dafür verlangt. Wir würden sofort zahlen."
  • Unser Wunsch ist wahr geworden, trotzdem sind wir noch nicht ganz zufrieden. Erstens sind die Top Articles weniger individuell anpassbar als Nuzzel, wo man den Zeitrahmen und die Reihenfolge der Sortierung einstellen konnte.
  • Zweitens gibt es keine Möglichkeit, sich bei bestimmten Schwellenwerten Push-Nachrichten schicken zu lassen oder täglich einen Newsletter mit den wichtigsten Links zu erhalten. Man muss Twitter also immer noch öffnen und in der App selbst nachsehen – aus Twitters Perspektive ist das nachvollziehbar, aber Nuzzel war effizienter und komfortabler.
  • Drittens, und das ist der wichtigste Grund, gibt es mittlerweile bessere Alternativen, die in die Marktlücke gestoßen sind, die Nuzzel hinterlassen hat. Eine davon stellen wir am Schluss vor.

Ad-free articles

  • Auch die zweite Neuerung basiert auf der Übernahme von Scroll. Twitter-Blue-Abonnentïnnen können Artikel bestimmter Medien ohne Werbung lesen.
  • Bislang funktioniert das aber nur in der iOS-App und der Webversion, Android soll bald folgen. Außerdem muss man direkt von Twitter aus auf den Text zugreifen und dort auf die Twitter Card (also die automatisch erzeugte Linkvorschau) klicken.
  • Zum Twitter Blue Publisher Network zählen derzeit 46 Verlage, darunter The Atlantic, BuzzFeed News, The Verge, Vox und die Washington Post.
  • Mit den Paywalls der jeweiligen Medien hat Twitter Blue aber nichts zu tun, für kostenpflichtige Inhalte muss man trotzdem bezahlen. Nur die Werbung fällt weg, dafür wird ein Teil der Einnahmen aus dem Abo mit den Verlagen geteilt.

Custom navigation

  • Standardmäßig enthält die Navigationsleiste am unteren Rand der App Icons für Home, Search, Notifications und Messages.
  • Zahlende Abonnentïnnen können die Anzeige verändern und bis zu sechs Icons auswählen. Dazu zählt etwa der direkte Zugriff auf Spaces, Bookmarks, Top Articles oder das eigene Profil.
  • Wir drücken es mal vorsichtig aus: Wenn sich jemand dafür entscheidet, 36 Dollar für Twitter Blue zu zahlen, dann dürfte diese Funktion wohl nur in seltenen Fällen der ausschlaggebende Grund gewesen sein.

Twitter Blue Labs

  • Das Abo richtet sich eindeutig an Poweruser, und die probieren gern neue Dinge aus. Deshalb gewährt Twitter früheren Zugriff auf neue Funktionen.
  • Aktuell sind das die Möglichkeit, bis zu zehn Minuten lange Videos hochzuladen und bestimmte Unterhaltungen in der Nachrichtenzentrale oben anzupinnen.

Welche Funktionen seit Juli enthalten sind

Undo Tweet

  • Der Elefant im Raum: Nein, es ist kein Edit-Button. Twitter hält daran fest, dass sich Tweets nicht nachträglich bearbeiten lassen sollen.
  • Vielmehr baut Twitter eine kurze Bedenkzeit ein. Wer einen Tweet abschickt, startet einen 30-sekündigen Countdown, bevor der Post veröffentlicht wird. In dieser Zeit kann man noch eingreifen.
  • Eine ähnliche Verzögerung bieten viele Mailprogramme. Das hat aber nichts damit zu tun, Nachrichten oder Tweets zurückzuholen – sie werden einfach nur später abgeschickt.

Reader Mode

  • Threads sind super. Kluge Menschen schreiben kluge Dinge, die nicht in 280 Zeichen passen.
  • Threads sind lästig. Wer will schon lange Texte in 27 Portiönchen lesen? (Und warum schreiben diese klugen Menschen nicht einfach Blogeinträge? Oder Newsletter? Es gibt dafür doch so viel schönere Plattformen als Twitter.)
  • Dieses Problem hat auch Twitter erkannt. Der Lesemodus verwandelt Threads in etwas weniger zerstückelte Texteinheiten.
  • Es gibt aber zwei Nachteile. Erstens verschwinden damit auch die Retweet- und Like-Buttons, sodass man mit einzelnen Tweets nicht mehr interagieren kann.
  • Zweitens gibt es bereits die Thread Reader App (Twitter / @threadreaderapp), die genau das macht, wofür Twitter jetzt Geld sehen will. Klar, das ist ein Schritt mehr – aber man muss schon sehr viele Threads lesen, um dafür zu bezahlen.

Bookmark Folders

  • Man muss Tweets nicht liken, um sie für später zu speichern. Man kann sie bookmarken. Wusstest du schon? Stimmt, die Funktion gibt es seit 2018.
  • Uns war das zwar in der Theorie bekannt, genutzt haben wir Bookmarks aber nie. Bei uns landen Tweets in Pinboard und werden von dort aus in unseren Slack-Channel und zu anderen Plattformen weiter verteilt.
  • Offenbar gibt es aber Menschen, denen die Funktion das Leben oder zumindest die Recherche erleichtert. Denen bietet Twitter jetzt die Möglichkeit, gespeicherte Tweets in Unterordnern zu sortieren.

Optische Kosmetik

  • Wer für Twitter Blue bezahlt, erhält ein paar zusätzliche Icons für den Homescreen des iPhones und neue Farboptionen für die App
  • Wir sind mit dem blauen Vogel und dem normalen dunklen Theme recht zufrieden und haben da wenig Bedarf. Als Einmalzahlung wären optische Spielereien noch vermittelbar, aber nicht als Abo.

Warum Twitter mit Abos experimentiert

2020 sagte Jack Dorsey beim Earnings Call (CNN), dass Twitter nach Möglichkeiten suche, sich unabhängiger von den Werbeerlösen zu machen – die bei Twitter im Vergleich zu den anderen Plattformen ohnehin deutlich kleiner ausfallen:

I have a really high bar for when we would ask consumers to pay for aspects of Twitter.(…) We want to make sure any new line of revenue is complementary to our advertising business. We do think there is a world where subscription is complementary, where commerce is complementary, where helping people manage paywalls … we think is complementary.

Bis 2023 soll sich der Umsatz auf 7,5 Milliarden Dollar verdoppeln. Bislang nimmt Twitter rund 4,30 Dollar pro User pro Quartal ein (CNBC). Ein Abo für drei Dollar pro Monat könnte den Umsatz deutlich steigern.

Für soziale Medien haben sich bislang keine Abo-Modelle etabliert, andere Unternehmen sind damit aber seit Jahren erfolgreich. Hunderte Millionen Menschen zahlen monatlich für Streaming-Dienste oder Software, auch die zunehmende Verbreitung digitaler Medien-Abonnements zeigt, dass die angebliche Kostenloskultur im Netz ein Mythos ist.

Selbst Google, der größte Anzeigenverkäufer der Welt, will mittlerweile Abos verkaufen (#684). Seit Anfang Juni verlangt Google nun Geld für Speicherplatz bei Google Fotos (SZ) und versucht, möglichst vielen Menschen ein Google-One-Abo schmackhaft zu machen.

Das liegt auch daran, dass rein werbefinanzierte Geschäftsmodelle unter Druck geraten sind. Verlage spüren diese Entwicklung seit Jahren, nun kommt der Trend auch in der Tech-Branche an. Apple verlangt seit iOS 14.5 die aktive Einwilligung der Nutzerïnnen, bevor Apps ihr Verhalten tracken dürfen. Seitdem hat sich Apples eigenes Geschäft mit mobiler Werbung verdreifacht – während Facebook, Snap, Twitter und YouTube fast zehn Milliarden Dollar an Werbeeinnahmen eingebüßt haben (beide FT).

Warum wir (noch) skeptisch sind

  • Wir können uns nicht vorstellen, dass in der aktuellen Form ein signifikanter Teil der Twitter-Nutzerïnnen für Twitter Blue bezahlen wird. Die Funktionen bieten nur Powerusern einen Vorteil, die viel Zeit auf Twitter verbringen.
  • Eine werbefreie Version, in der zusätzlich keine Daten gesammelt werden, könnte mehr Menschen ansprechen. Produktchefin Sara Beykpour sagt aber, dass Twitter derzeit nicht daran arbeitet. Wenn das werbefreie YouTube Premium weiter wächst, überlegt es sich Twitter vielleicht doch noch anders.
  • Bislang sind keine Zahlen aus Kanada und Australien bekannt, also können wir nur spekulieren. Weltweit gibt es derzeit gut 200 Millionen Menschen, die Twitter täglich öffnen. Wenn ein Prozent davon für Twitter Blue bezahlt, bringt das rund 70 Millionen Dollar ein – weniger als zwei Prozent des Umsatzes, den Twitter 2020 machte.
  • Um Twitters Geschäftsmodell signifikant zu verändern oder auch nur zu diversifizieren, müssten also Dutzende Millionen Menschen ein Abo abschließen. Wir glauben, dass es dafür mehr Anreize bräuchte.
  • Twitter sagt aber ausdrücklich, dass Twitter Blue aktiv weiterentwickelt wird und künftig weitere Funktionen dazukommen sollen. Die heutige Version ist schon deutlich interessanter als das rudimentäre Portfolio der Testphase. Wenn Twitter Blue einen vergleichbar großen Sprung macht, bis es in Deutschland startet, könnten wir zu First-Adopter-Abonnenten werden.

Wie Twitter Blue besser werden könnte

Als wir im Sommer die erste Version von Twitter Blue analysierten, machten wir mehrere Vorschläge für weitere Funktionen. Dazu zählten unter anderem Early Access und die Integration von Nuzzel, die Twitter nun integriert hat. Die anderen Ideen bleiben aktuell:

  • Ein echter Edit-Button: Ja, wir wissen, dass Jack Dorsey das mehrfach ausgeschlossen hat. Und er hat natürlich recht: Eingebettete oder zitierte Tweets, die sich nachträglich ändern, könnten üble Folgen haben. Aber man könnte Veränderungen ja transparent machen oder eine Archiv- und eine Live-Ansicht einführen, um richtig referenzieren zu können. Und es wäre sooo praktisch.
  • Mobiles TweetDeck: Am Desktop ist TweetDeck unser Go-to-Client. Keine Werbung, mehr Spalten, what's not to love? Fürs Smartphone fehlt aber eine echte Alternative, da Twitter den Entwicklerïnnen den Zugriff auf bestimmte APIs abgedreht hat. Eine App für Poweruser mit besseren Filtern, brauchbarer Suche und Timeline-Sync mit dem Desktop könnte eine Marktlücke füllen.
  • Bessere Listen: Twitter hat der Listenfunktion seit Jahren kaum Beachtung geschenkt. Dabei hätte sie großes Potenzial, wenn sie einfacher zugänglich wäre und besser in das Produkt integriert würde. Für Poweruser, die Twitter gezielt zu Recherche nutzen, wäre das nützlich.
  • Aussagekräftige Analytics: Im Vergleich zu Business-Accounts bei Facebook oder Instagram sind die Insights bei Twitter ausbaufähig. Das ist zugegebenermaßen kein Feature, das uns persönlich fehlt, aber wer seine Reichweite gezielt vergrößern will, dürfte an besseren Auswertungen über neue Follower, Unfollows und die erfolgreichsten Tweets interessiert sein.

Be smart

Als Nuzzel im Mai verschwand, waren wir wirklich traurig. Der Dienst half uns, deutlich weniger Zeit auf Twitter zu verbringen und trotzdem alles Wichtige mitzubekommen. Vielen Menschen, die Twitter beruflich oder sehr aktiv privat nutzen, ging es ähnlich. Mehrere Start-ups erkannten die Chance, dockten an Twitters vergleichsweise offene Schnittstellen an und bauten Produkte, die enttäuschte Nuzzel-Nutzerïnnen glücklich machen sollten.

In den vergangenen Wochen haben wir Newslit, Murmel und TweetShelf ausprobiert. Bei Letzterem sind wir hängengeblieben. Als einziger Dienst bietet es eine Gratis-Version, die fast alle Funktionen von Nuzzel abdeckt. Außerdem gibt es mobile Apps, tägliche Newsletter und praktische Filtermöglichkeiten.

Ein Premium-Account kostet 6 Euro pro Monat (55 Euro bei jährlicher Zahlung). Dann erhält man unter anderem RSS-Feeds, stündliche E-Mail-Benachrichtigungen und zusätzliche Filter. Zudem kann man Listen und weitere Accounts hinzufügen. Wir sind mit der Gratis-Version bislang zufrieden und raten dir, auch Newslit und Murmel anzuschauen, bevor du für TweetShelf bezahlst.


Peak Newsletter? Von wegen!

  • Die aktuelle ARD/ZDF-Onlinestudie enthält eine interessante Zahl, die erstmals erhoben wurde: 21 Prozent der Befragten lesen mindestens einmal pro Woche Newsletter.
  • Die Studienautorïnnen drücken es so aus: "Der Kommunikationsweg über E-Mail, der schon vor Jahren immer wieder als angestaubt und in die Jahre gekommen bezeichnet wurde, und der Versand von Newslettern bei der privaten Nutzung bergen ein größeres Potenzial, als zu vermuten gewesen wäre."
  • Damit erzählen wir dir nichts Neues, aber es ist schön, das auch noch mal wissenschaftlich bestätigt zu sehen. Newsletter werden nicht den Journalismus retten, aber sie sind ein guter Weg, um mehr Menschen gezielter zu erreichen und ein angenehm abgeschlossenes Leseerlebnis zu bieten.
  • In den USA ist mit The Atlantic das nächste Medium auf den Newsletter-Zug aufgesprungen und lanciert neun kostenpflichtige Newsletter (NiemanLab).
  • Dazu zählt unter anderem Charlie Warzel, auf den wir regelmäßig verlinken. Im Frühjahr verließ er die New York Times und startete mit Galaxy Brain einen eigenen Substack-Newsletter. Nun wechselt er wieder zu einem klassischen Medium.
  • Wir raten allen, die sich auch nur ansatzweise für das Thema interessieren oder selbst darüber nachdenken, einen Newsletter zu starten, Warzels Ankündigung zu lesen (Substack), in der er seine Entscheidung erklärt.
  • Ganz grob zusammengefasst: Mit mehr Geduld und längerem Atem hätte sein Newsletter ein Erfolg werden können, doch im Moment verdient Warzel damit deutlich schlechter als mit seiner früheren Festanstellung.
  • Nachdem im vergangenen Jahr Dutzende Journalistïnnen bei klassischen Medien kündigten (oder gekündigt wurden) und Newsletter starteten, könnte nun eine Gegenbewegung einsetzen. Selbstständig und flexibel arbeiten zu können, ist toll, aber auch verdammt anstrengend – wir können das gut nachfühlen.
  • Trotzdem sind wir überzeugt, dass Newsletter gekommen sind, um zu bleiben – sowohl für einzelne Autorïnnen als auch für Verlage lohnt es sich, E-Mails zu verschicken: "We Haven’t Reached ‘Peak Newsletter.’ Not by a Long Shot." (Politico)

Weitere interessante Artikel


YouTube: Daumen runter für den Dislike-Counter

  • Nach einer längeren Testphase blendet YouTube bei allen Videos die Zahl der Dislikes aus. Das soll helfen, organisierte Dislike-Mobs auf einzelne Creator zu verhindern. Solche Attacken treffen vorwiegend kleinere Kanäle.
  • Der Dislike-Button selbst bleibt sichtbar und kann auch betätigt werden. Creator sehen in Studio (dem YouTube-Backend), wie viele Dislikes sie erhalten haben. Ein Dislike wirkt sich nach wie vor auf künftige Video-Empfehlungen aus und kann eingesetzt werden, um YouTubes Algorithmen beizubringen, für welche Inhalte man sich nicht interessiert.
  • Für viele Nutzerïnnen war das Like-Dislike-Verhältnis ein wichtiges Entscheidungskriterium, ob sie Video anschauen sollen. Manche Creator wie Marques Brownlee kritisieren den Schritt deshalb (Twitter) und fürchten, dass Menschen nun mehr Zeit mit wenig hilfreichen Videos verbringen.
  • Wir glauben trotzdem, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Kommentare wie "I just came here to dislike" dürften deutlich seltener werden: Es ist einfach nicht annähernd so befriedigend, einen gesenkten Daumen zu verteilen, wenn man gar nicht sieht, dass sich etwas verändert.
  • Mit der Entscheidung liegt YouTube auf Linie mit Facebook und Instagram. Beide bieten mittlerweile Möglichkeiten, öffentliche Likes auszublenden. Vanity Metrics verschwinden langsam aus den sozialen Medien – we like!

Video Boom

  • Twitter und ViacomCBS machen gemeinsame Sache: Die beiden Unternehmen haben sich auf eine mehrjährige, globale Zusammenarbeit (Techcrunch) verständigt. Einerseits wird es auf Twitter Inhalte aus dem ViacomCBS-Reich zu sehen geben, andererseits verpflichtet sich der Medienkonzern, Twitter-Watchparties ins Portfolio aufzunehmen. Ob wir auch in Deutschland die MTV Music Awards direkt über Twitter gucken können, ist nicht klar. Sicher ist aber, dass Social-Media-Plattformen immer mehr versuchen werden, mit traditionellen Medienmarken Inhalte-Deals abzuschließen, um relevanten Content ins eigene Angebote zu integrieren.
  • Erstes Date via Zoom: Eine Umfrage der Match-Gruppe (singlesinamerica.com) zeigt, dass Gen Z nicht nur für Schule und Uni auf Zoom & Co zurückgreift, sondern auch immer häufiger erste Dates via Video-Treffen stattfinden. Das Unternehmen hinter Apps wie Tinder, Match.com & OkCupid erklärt, dass das Video-Date für 71 Prozent der Nutzerïnnen ausschlaggebend war, um zu entscheiden, ob sie sich persönlich treffen wollen. Von wegen Zoom-fatigue…
  • Amazon Prime Video ermöglicht das Teilen von Clips auf Social: US-Nutzerïnnen können künftig 30-sekündige Clips von ausgewählten Sendungen (About Amazon) direkt aus der Prime-Video-App heraus auf Instagram, Facebook, Twitter, iMessage, Messenger und WhatsApp teilen. Sollte das den Sendungen mehr Buzz bescheren, könnten andere schnell nachziehen (wollen) – womöglich dann auch nicht nur in den USA.

Creator Economy

  • Verwirrung bei Instagram um Boni für Creator: TikTok marschiert weiter flott voran – 2022 wird die App Berechnungen zufolge (App Annie) 1,5 Milliarden monatliche Nutzerïnnen erreichen. Kein Wunder also, dass andere Plattformen vieles daran setzen, Kreative auf ihre Seite zu ziehen. Bei Instagram gibt es neuerdings Boni für alle, die Reels benutzen. Manche erhalten bis zu 10.000 Dollar für ein Reel (Techcrunch). Wie sich die Boni allerdings genau zusammensetzen, bleibt nebulös. Genau das sorgt für Verwirrung und Ärger bei den Creatorn ($ Business Insider).
  • Patreon will Videos selbst hosten: CEO Jack Conte hat durchblicken lassen, dass das Unternehmen an einem eigenen Video-Produkt arbeitet. Wie das genau aussehen soll, ist noch nicht bekannt. Die Stoßrichtung dürfte aber klar sein: Patreon will nicht nur Dienstleister für den Verkauf von Abos sein, sondern zum One-Stop-Shop für Creator (The Verge) werden. Der Move ist mit der Integration von Newslettern bei Steady (Steady) vergleichbar – nur dass Video-Hosting sehr viel teurer sein dürfte hinsichtlich der Serverkosten…

Social & Gaming

  • TikTok und Zynga machen gemeinsame Sache: Gaming ist big! Apps wie Subway Surfer und Temple Run 2 werden im kommenden Jahr (App Annie) aller Vorrausicht nach die 1-Milliarde-Download-Marke knacken – eine Benchmark, die bislang nur Social-Apps und Anwendungen wie Spotify und Netflix erreicht haben. Für Social-Media-Plattformen stellen Games somit also eine ernstzunehmende Bedrohung dar, wenn es um die Frage geht, wie Leute ihre Zeit verbringen. Da liegt es auf der Hand, Gaming in die eigenen Angebote zu integrieren. (Wer die News zu Twitter und ViacomCBS gelesen hat, erkennt hier einen Trend…).

Schon einmal im Briefing davon gehört

  • Twitter baut Crypto-Team auf: Blockchain, Crypto und NFT sind nicht so ganz unser Spezialgebiet. Auch hier im Newsletter werden diese Hype-Themen bis dato nur mit recht spitzen Fingern angefasst. Wenn Twitter jetzt allerdings ein eigenes Crypto-Team aufbaut (Techcrunch), ist womöglich der Zeitpunkt gekommen, , sich on Top zu allen anderen Themen auch hiermit stärker zu befassen.

Lesetipps fürs Wochenende

  • Crypto Is Cool. Now Get on the Yacht: Wer jetzt direkt auf den Crypto-Geschmack gekommen ist, könnte sich am Wochenende diesen Text der New York Times anschauen. Kevin Roose berichtet von NFT.NYC – einem Treffen für NFT-Enthusiasten, das einem Einblicke in eine „crypto-filled future“ gewährt.


Neue Features bei den Plattformen

Instagram

  • Mach mal Pause! Insta-Chef Adam Mosseri hat angekündigt (Twitter / @mosseri), dass das Unternehmen mit dem Test einer neuen Funktion namens "Take a Break" (Mach eine Pause) begonnen hat. Das Feature soll Nutzerïnnen, wenn sie sich denn via Opt-in dazu entscheiden, es überhaupt zu nutzen, daran erinnern, nach 10, 20 oder 30 Minuten eine Pause einzulegen. Hintergrund für den Test dürften die Facebook Files sein – allen voran der Bericht über die negative Wirkung von Instagram auf die Psyche von Teenagern (WSJ). Vorbild ist sicherlich die Einführung von Pausen bei TikToks-Schwesterapp in China (Gizmodo).
  • Instagram führt zwei neue TikTok-Features bei Reels ein: Text-to-speech und Sprach-Effekte (Instagram / @Creators) erfreuen sich bei TikTok großer Beliebtheit, da dürfen sie bei Reels natürlich nicht fehlen.

Header-Foto von Andre Benz