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30.6.2020 | Facebook Werbeboykott, das neue rechte Refugium Parler, Microsoft macht Mixer dicht

Der Facebook-Werbeboykott, erklärt

Was ist

Vergangene Woche stand an dieser Stelle:

Facebook hat eine turbulente Woche hinter sich.

Damals wussten wir noch nicht, was die kommenden Tage bringen würden. Jetzt braucht es einen Zusatz:

Facebook hat ein sehr turbulentes Wochenende hinter sich.

Der Werbeboykott, den wir in Ausgabe #649 analysiert haben, hat sich ausgeweitet – und wie. Immer mehr Unternehmen schließen sich der Kampagne #StopHateforProfit an und wollen im Juli keine Werbung mehr auf Facebook schalten.

Warum das wichtig ist

Facebook setzt pro Jahr rund 70 Milliarden Dollar um – den Großteil davon mit Werbung. Das Unternehmen ist nicht bekannt dafür, besonders schnell zu reagieren, wenn Datenschützerïnnen rüffeln oder Journalistïnnen kritisch kommentieren. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Werbekunden mehr Einfluss auf Zuckerbergs Entscheidungen haben.

Was hinter #StopHateforProfit steckt

Wer bei #StopHateforProfit mitmacht

It will go global because the world will agree with us, we are on the right side of history, period. And Facebook is on the wrong side of history, period, and people know that.

Wie Facebook reagiert

A handful of times a year we make a decision to leave up content that would otherwise violate our policies because we consider that the public interest value outweighs the risk of that content.

Wie groß der Druck auf Facebook ist

Derzeit gibt es zwei Sichtweisen. Die einen sagen: #StopHateforProfit hat höchstens symbolischen Wert. Die anderen sagen: Diese Kampagne kann Facebook wirklich gefährlich werden.

Die erste Perspektive findet man etwa in dieser Analyse von Brian Fung (CNN). Das sind seine Argumente:

Hinzu kommt eine Argumentation, die Shoshana Wodinsky aufmacht (Gizmodo):

Dem steht die Perspektive gegenüber, aus der etwa Kurt Wagner auf das Geschehen blickt (Bloomberg):

Given the amount of noise this is drawing, this will have significant impact to Facebook’s business. Facebook needs to address this issue quickly and effectively in order to stop advertising exits from potentially spiraling out of control.

Advertisers who have seen their own ads published against hateful, horrible content on Facebook (…) they are finally saying 'enough’'. Our phones have been ringing off the hook with advertisers. I can tell you more are coming.

Wir stehen irgendwo dazwischen:

Be smart

Bei einigen der Unternehmen, die nun öffentlichkeitswirksam den Boykott unterstützen, dürften nicht nur moralische Werte, sondern kühle Kalkulation dahinterstecken. Nilay Patel, Chefredakteur von The Verge, drückt es so aus (Twitter):

CEO: The pandemic has wrecked our forecasts for the year

CMO: Uh oh

CEO: As you know, the first thing to get cut is advertising

CMO: What if I take the social media line to zero and turn that into a gigantic earned media win

Tatsächlich kann es sich für einige Konzerne rechnen, wie diese Zahlen zeigen (FAZ):

In einer Schätzung für die F.A.Z. beziffert das amerikanische Analyseunternehmen Critical Mention den Werbeeffekt der globalen Boykottberichte für Coca Cola auf 194 Millionen, für Starbucks auf 160 Millionen und für die Outdoor-Marke The North Face auf 218 Millionen Dollar.

Wie es mit #StopHateforProfit weitergehen wird? "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Aber vielleicht hilft ein Blick in die Vergangenheit.

2017 wurde schon einmal ein großes Tech-Unternehmen boykottiert: YouTube. Damals schlossen sich unter anderem AT&T, Verizon, Walmart, Pepsi an, nachdem die Times enthüllt hatte, dass Anzeigen der Unternehmen vor extremistischen Videos geschaltet wurden. YouTube reagierte mit schärferen Regeln (Google-Blog), die Werbekunden kamen bald wieder zurück – und nach allem, was wir wissen, geht es YouTube heute ganz gut.

Wie schließen uns deshalb der Einschätzung von Will Oremus an, der mit Blick auf Facebook ableitet (OneZero):

What that tells us is that ad boycotts of social media platforms can work – if the goal is to spur incremental changes to their policies, rather than an overhaul of their basic structure. In Facebook’s case, it seems likely that the company will find ways to accept some of the “Stop Hate for Profit” campaign’s recommendations, while skirting those that would cause the company the most friction with Trump and other conservatives who want it to keep its hands off of their content.


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Header-Foto von Adam Bouse bei Unsplash