Freedom of Speech vs. Freedom of Reach

Snapchat will Trump-Inhalte nicht länger promoten: Nachdem wir in Briefing #643 maximal ausführlich über den Konflikt von Donald Trump mit Facebook und Twitter berichtet haben, hat Snapchat-Boss Evan Spiegel nachgezogen und in einem Memo erklärt, dass Inhalte von Trump künftig nicht mehr bei Snapchat Discover gefeatured werden.

Damit positioniert sich Snapchat irgendwo zwischen Facebook (die nichts machen wollen) und Twitter (die Trumps Aussagen mit Labels versehen). Vor allem aber lenkt Spiegel damit den Blick einmal mehr auf die kluge Unterscheidung, die von Aza Raskin (Twitter) geprägt wurde: Freedom of Speech muss nicht automatisch auch Freedom of Reach bedeuten.

Natürlich kann sich Trump auf den Plattformen artikulieren. Dazu hat er jedes Recht. Er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass seine Inhalte anderen Menschen vorgeschlagen werden und die Plattformen so dabei helfen, seine Reichweite zu vergrößern.

„As for Snapchat, we simply cannot promote accounts in America that are linked to people who incite racial violence, whether they do so on or off our platform. Our Discover content platform is a curated platform, where we decide what we promote. We have spoken time and again about working hard to make a positive impact, and we will walk the talk with the content we promote on Snapchat. We may continue to allow divisive people to maintain an account on Snapchat, as long as the content that is published on Snapchat is consistent with our community guidelines, but we will not promote that account or content in any way.“


Social Media & Politik

  • TikTok wird politisch: TikTok habe seinen Arab-Spring-Moment, schreibt Reuters. Nun, soweit würden wir zwar an dieser Stelle noch nicht gehen – zumal die Bedeutung von sozialen Medien beim Arabischen Frühling äußerst umstritten ist – sehr wohl wird aber bei den Protesten in den USA deutlich, dass TikTok eben doch auch ein Ort für politische Inhalte sein kann. Jedenfalls dann, wenn nicht Videos und Hashtags, die gerade trenden, unterdrückt werden: TikTok Blames ‘Technical Glitch’ for Suppressing View Counts on #BlackLivesMatter, #GeorgeFloyd Videos (Variety)
  • K-Pop-Stans mischen US-Proteste auf: Wer in den vergangenen Tagen die Debatte rund um das Thema Rassismus in den sozialen Medien verfolgt hat, dürfte oft auf Inhalte von koreanischen Pop-Bands gestoßen sein. Das war kein Zufall, sondern eine koordinierte Aktion, um bestimmte Hashtags zu übernehmen. Markus Reuter erklärt bei netzpolitik, was es mit dem Phänomen auf sich hat.

Kampf gegen Desinformation

  • Labels bei Facebook: Facebook wird künftig Inhalte von „Staatsmedien“ mit einer Art Warnhinweis versehen. Auch wird es diesen Unternehmen untersagt, Werbung zu schalten. Hintergrund ist Facebooks Kampf gegen Desinformation. Welche Medien von einem solchen Label genau betroffen sein werden, ist noch nicht klar. Bislang spricht Facebook von „media outlets that are wholly or partially under the editorial control of their government“. Das dürfte noch spannend werden!

Datenschutz-Department

  • Zoom & Verschlüsselung: Speaking of „technische Schwächen“: Diese Woche wurde bekannt, dass komplett verschlüsselte Calls künftig nur zahlenden Nutzerïnnen vorbehalten sein sollen. Wer sich darüber geärgert hat und sich gern mit dem Thema Verschlüsselung bei Zoom näher beschäftigen möchte, der sollte sich diesen Thread von Alex Stamos durchlesen. Es wird wieder einmal klar: so einfach ist das alles gar nicht.

Follow the money

  • Zoom hat diese Woche beeindruckende Zahlen vorgelegt: Sowohl die Anzahl der Nutzerïnnen als auch der Blick auf die Umsätze untermauern den Eindruck von Zoom als einem der größten „Gewinner“ der Pandemie. Wir empfehlen Ben Thompsons Analyse ($) zum Thema.
  • Facebook investiert weiter in Südoastasien: Nachdem das Unternehmen einen aufsehenerregenden Betrag in das indische Telekommunikationsunternehmen JIO investiert hat, wird nun in das Uber Südostasiens investiert (Techcrunch): Wie viel Geld bei Gojek landet, ist nicht bekannt. Das Ziel dürfte aber ähnlich gelagert sein: Die Integration von Diensten wie WhatsApp forcieren.
  • Alibaba und die 100.000 Influencer: Alibaba möchte den Bereich Social Ecommerce auf eine neue Ebene führen und hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, weltweit 100.000 Influencer unter Vertrag zu nehmen (Abacus News). 100.000 Einself!!!
  • IGTV für Medienunternehmen: Im vorletzten Briefing hatten wir geschrieben, dass Instagram künftig die Einnahmen aus Ads bei IGTV mit Kreativen teilen möchte. Nun wurde deutlich, dass dies für Medienunternehmen vorerst nicht gilt (Digiday) – die kommen erst nächstes Jahr zum Zug.

Studien & Academia

Social-Media-Nutzung bei Kids steigt weiter an: Das Unternehmen Qustodio bietet Apps an, um die Screentime von Kids zu begrenzen / zu kontrollieren. Nun haben sie eine Studie vorgelegt, die sich mit der Medien-Nutzung von Kids in den USA, UK und Spanien beschäftigt.

Anonymisierte Daten von 60.000 Familien mit Kindern im Alter von 4-15 Jahren bilden die Grundlage, um aufzuzeigen, wie es sich um die Nutzung von Online Video, Social Media, Video Games und Education-Apps verhält. Die ganze Studie gibt es hier als PDF. Wir präsentieren an dieser Stelle die Key Facts:

  • YouTube ist für Kids im Alter von 4-15 Jahre immer noch die Nummer Eins im Bereich Online Video. Der Witz daran: Die App ist eigentlich erst ab 13.
  • Unglaubliche 85 Minuten verbringen Kids aus den untersuchten Ländern im Durschnitt pro Tag auf YouTube.
  • TikTok ist YouTube dicht auf den Fersen: Durchschnittlich 80 Minuten am Tag scrollen sich Kids durch die App.
  • Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat die Nutzung von Social-Media-Apps um 100 Prozent zugenommen.
  • Größter Treiber und Gewinner dieser Entwicklung ist TikTok. Längst hat das Unternehmen Facebook sowohl bei der Anzahl der Kids, die die App nutzen, als auch bei der Nutzungsdauer abgelöst.
  • Was die schiere Anzahl der Nutzerïnnen angeht, liegt bei den 4- bis 15-Jährigen nur noch Instagram vor TikTok.
  • Während der Coronapandemie sind die Nutzungszahlen noch einmal extrem gestiegen.

Neue Features & Tests

Facebook

  • Delete old posts: Mit Manage Activity liefert Facebook ein längst überfälliges Privacy-Feature. Endlich können Nutzerïnnen sich auf einen Schlag von (peinlichen) alten Posts verabschieden. Dabei müssen die Posts noch nicht einmal komplett gelöscht werden, sie können in einer Art Archiv verschwinden, Dritte bekommen sie trotzdem nicht mehr zu Gesicht.
  • Venue: Die Entwicklungsabteilung von Facebook ist momentan wirklich on fire: schon wieder lassen sie einen Testballon steigen. Dieses Mal widmen sie sich dem Thema Second Screen. Die Idee: Bei Events – z.B. bei einer Sportveranstaltung – wäre es doch spannend, wenn neben der eigentlichen Moderation im Fernsehen zusätzlich ausgewählte Expertïnnen die Geschehnisse kommentierten, oder? Say hi to venue!

Instagram

  • Doppelte Stories: Noch mehr Stories! Instagram testet eine zweite Reihe (Twitter / albanoalfredo), um mehr Stories auf einen Blick anzubieten.

Signal

  • Blurring: Die neueste Version von Signal bietet die Option, bestimmte Bereiche eines zu verschickenden Fotos – etwa Gesicher – automatisch zu verpixeln / zu blurren. Ein großartiges Beispiel dafür, wie leicht es ist, Features pro Privatsphäre direkt in digitale Produkte einzubauen.

Tipps, Tricks und Apps

Chartbeat macht sich einmal mehr Gedanken darüber, was gutes Facebook Marketing ausmacht. Wer sich für Funnels, Retention, Engagement und Co interessiert, bekommt hier einige spannende Insights an die Hand: Decoding Facebook data to understand the true drivers of engagement, loyalty

Recherche: Wer sich dafür interessiert, wie sich Facebook für Recherchezwecke nutzen lässt, der findet bei First Draft immer wieder tolle Tipps. Dieses Mal widmet sich die Autorin der Frage, wie sich die Facebook Ad Library für Recherchen einsetzen lässt. Bookmark.


Header-Foto von Josh Hild bei Unsplash