Salut und herzlich Willkommen zur 599. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute blicken wir auf den neuen Medienstaatsvertrag. Zudem beschäftigen wir uns mit YouTubes Verantwortung, TikToks Werbeplänen und Agenturen, die sich auf das Ende der öffentlich einsehbaren Likes bei Instagram vorbereiten. Wir bedanken uns für das Interesse und wünschen eine gewinnbringende Lektüre, Martin & Team

Was bringt der Medienstaatsvertrag?

Was ist: Die Ministerpräsidenten haben sich auf Grundregeln für die digitale Welt verständigt: der Medienstaatsvertrag zielt erstmals auch auf YouTube und Co. ab.

Warum ist das wichtig? Das neue Regelwerk ersetzt den Rundfunkstaatsvertrag von 1991, der natürlich nur für Fernsehen und Radio konzipiert war. Jetzt werden die Regeln an die neue Medienrealität angepasst.

Was ändert sich?

  • Der Begriff „Medienintermediäre“ wird neu eingeführt. Damit gelten die neuen Regeln auch für Online-Streamingdienste, Social-Media-Plattformen und Angebote wie Amazons Alexa.
  • Künftig sollen Influencer und Co. keine Zulassung benötigen, „wenn sie im Durchschnitt der vergangenen sechs Monate weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen oder nur eine geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten“. Bislang herrschte häufig große Unsicherheit, ob es z.B. für ein Livestream-Angebot eine Lizenz braucht oder nicht.
  • Der Medienstaatsvertrag legt fest, dass journalistisch-redaktionelle Internetangebote anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen müssen. Wer etwa eine Webseite betreibt, kann für das Verbreiten von Desinformationen bestraft werden. Es wird dabei auf eine Selbstregulierung gesetzt.

Be smart: Der Medienstaatsvertrag tritt nicht sofort in Kraft. Zunächst müssen die Landtage unterrichtet werden. Dann wird der Text der Europäischen Kommission vorgelegt. Im September 2020 könnte es dann tatsächlich losgehen.

Go deep: Neue Spielregeln für Streamer, Google und Falschmeldungen (netzpolitik

YouTubes Verantwortung

Was ist: YouTube hat sich vorgenommen, mehr Verantwortung für Inhalte zu übernehmen, die auf der Plattform geteilt werden. Dies soll in vier Schritten gelingen.

Warum ist das wichtig? Jede Minute werden 500 Stunden an Inhalten auf YouTube hochgeladen (Statista). Das sind 720.000 Stunden pro Tag. Es würde also etwa 30.000 Tage dauern, jedes Video zu sehen, das an nur einem Tag auf YouTube hochgeladen wurde. All diese Inhalte zu überprüfen, ist eine schier unlösbare Aufgabe.

Wie geht YouTube vor?

  • Die Basis sind YouTubes öffentlich einsehbare Community Guidelines. Sie geben die Richtlinien vor – etwa hinsichtlich Nacktheit, gefährlicher oder hasserfüllter Inhalte, Belästigung und Cybermobbing, Spam, Betrug, Datenschutz, Drohungen, uvm.
  • Eine Kombination aus Content Moderatoren und Machine Learning soll dann gewährleiten, dass die Richtlinien eingehalten werden.
  • YouTube arbeitet mit Nachrichtenangeboten zusammen, um etwa bei Breaking-News-Situationen auf Videos dieser „authoritative voices“ zugreifen zu können.
  • Videos dieser Quellen werden bei den einschlägigen Themen bevorzugt angezeigt – etwa beim Thema Impfung oder 9/11.
  • Bei bestimmten Themen biete YouTube zusätzlichen Kontext und verlinkt auf Wikipedia-Einträge.

Was hat YouTube erreicht?

  • YouTube erklärte im September, dass sie im zweiten Quartal 2019 bereits fünfmal mehr „hateful content“ entfernt hätten – 80 Prozent seien dabei automatisiert gelöscht wurden. In Briefing #576 schrieben wir dazu:

Die Dimensionen klingen gewaltig: mehr als 100.000 Videos, über 70.000 Kanäle. Da räumt einer mal richtig auf, könnte man meinen. Gleichwohl liefert YouTube keinerlei Referenzwerte und wir haben somit keine Idee, ob es sich bei den entfernten Accounts womöglich nur um die Spitze des Eisberges handelt.

  • Das Gleiche gilt, wenn YouTube vergangene Woche in einem neuen Blogpost aus ihrer Serie zum Thema Verantwortung – The Four Rs of Responsibility – darstellen, dass sie die Watchtime von „borderline content and harmful misinformation“ um 70 Prozent verringern konnten.

Be smart: Es fehlt die Einordnung. Solange YouTube keine Zahlen nennt, wie viele solcher Inhalte insgesamt geschaut werden, klingt das zwar schön, die Aussagekraft ist aber gering.

Social Media & Politik

TikTok auf Lobbytour in DC: Um die Vorwürfe zu entkräften, TikTok speichere Nutzerdaten in China, bzw. stelle sie der chinesischen Regierung zur Verfügung, reist TikTok-Chef Alex Zhu jetzt selbst nach Washington: TikTok leader schedules Washington trip to meet with lawmakers as investigations loom (Washington Post). Mal schauen, wer ihm glaubt.

Todesstrafe für „Hate Speech“: In Nigeria wird über einen Gesetzesentwurf diskutiert, der die Todesstrafe für „Hate Speech“ vorsieht, berichtet Amnesty International.

Soziale Medien müssen Hasspostings künftig nicht nur löschen, sondern auch mit der Absender-IP-Adresse dem BKA melden. Beleidigungen bleiben vorerst vom Plan der Bundesregierung ausgenommen, schreibt SPON.

Kampf gegen Desinformation

„Fake News“-Gesetz: Reporter ohne Grenzen führt Singapur auf Platz 151 von 180 auf der Rangliste der Pressefreiheit. Die Platzierung zeigt, wie es die Machthaber mit der Meinungsfreiheit in ihrem Land halten. Nun hat Singapur vor kurzem ein neues „Fake News“-Gesetz (The Guardian) lanciert. Es soll Social-Media-Plattformen dazu zu bringen, „kritische Posts“ von der Seite zu nehmen oder entsprechend zu markieren. Dieses Gesetz kam nun zum ersten Mal zur Anwendung – bei einem Mann, der in Australien lebt. Hier die ganze Geschichte: This Man’s Post Was The First To Be „Corrected“ By Facebook Under Singapore’s Fake News Law (Buzzfeed)

Follow the money

Deepdive zu TikToks Advertising-Bemühungen: Die Financial Times hat ein lesenswertes Roundup zu TikToks Advertising-Bemühungen in den USA geschrieben. Dabei geht es auch um die Frage, welche Rolle Ecommerce auf der Plattform spielen wird. Das meiste davon hatten wir bereits in unseren Briefings. Wer aber jetzt erst anfängt, sich mit TikTok auseinanderzusetzen, bekommt in dem FT-Artikel einen guten Überblick über die strategischen Ambitionen des Unternehmens.

Vorbereitungen für das Ende der Likes bei Instagram: Instagram testet derzeit, wie eine Insta-Welt ohne sichtbare Likes funktionieren könnte (siehe u.a. Briefing #591). Um darauf vorbereitet zu sein, denken Agenturen bereits jetzt darüber nach, wie sie den Erfolg ihrer Kooperationen weiterhin messen können.

Wenn Instagram die Testphase flächendeckend scharf schaltet, wandern die öffentlichen Likes ins private Dashboard. Deshalb bemühen sich die Agenturen und Werbetreibenden, engere Beziehungen zu den Influencerïnnen aufzubauen. Sie hoffen, dass sie die Daten dann direkt von ihren Geschäftspartnerïnnen erhalten – und dass sie ihnen dabei vertrauen können. “Influencer marketing agencies prepare for the end of the Instagram like“ zu bedenken.

Studien, Zahlen, Daten

Nato-Studie: Social-Media-Unternehmen schaffen es nur unzureichend, Menschen daran zu hindern, gefälschte Konten einzurichten, Fake-Follower zu kaufen und Falschinformationen zu verbreiten. Zu diesem Ergebnis komme eine Studie (Politico), die von der Nato in Auftrag gegeben wurde.

„Self-regulation is not working. The manipulation industry is growing year by year. We see no sign that it is becoming substantially more expensive or more difficult to conduct widespread social media manipulation.“

Reddit wächst um 30 Prozent: In seinem Jahresrückblick überrascht Reddit mit ziemlich starken Zahlen. Ich dachte eigentlich, Reddit stagniere eher, aber Pustekuchen:

  • 430 million monthly active users – 30% YoY increase
  • 199 million posts – and counting!
  • 1.7 billion comments – and counting!
  • 32 billion upvotes – and counting!
  • Monthly comments have grown 37% YoY
  • Monthly view count has jumped 53% YoY

News Podcasts and the Opportunities for Publishers: Podcasts gehören zu den heißesten Themen der Medienbranche. Da sich daran 2020 vermutlich nichts ändern wird, hat das Reuters Institut einen Report zum Thema erstellt, der sich folgenden Fragen widmet:

  1. Welche Arten von Nachrichten-Podcasts werden produziert, wer produziert sie und wie unterscheidet sich das in den einzelnen Ländern?
  2. Wie groß ist die Kategorie der täglichen Nachrichten-Podcasts? Warum investieren Verlage?
  3. Was sind umfassendere Publisher-Inhalte und Monetarisierungsstrategien?
  4. Welche Rolle spielen Plattformen und andere Vermittler bei der Entdeckung und Monetarisierung?
  5. Wie sehen die Zukunftsaussichten für Verlage in diesem Bereich aus?

Offenkundig sprengt es den Rahmen dieses Briefings, die Ergebnisse hier zu spiegeln. Von daher empfehlen wir an dieser Stelle nur, die 44 Seiten in Ruhe zu lesen und zu prüfen, ob Podcasts für das eigene Haus ein Thema sein könnten. Was uns angeht, nur so viel: Es kann durchaus sein, dass wir 2020 nicht nur schreiben, sondern auch reden 🤷🏻‍♂️. Falls uns dabei jemand als Sponsor / Partner begleiten möchte, bitte melden!

Neues von den Plattformen

Twitter

  • Twitter Retweets: Es ist mit Blick auf all den Hass und die hitzigen Debatten gar nicht so leicht zu erklären, warum Twitter auch Spaß machen kann. Um das besser zu transportieren, hat Twitter den Account twitterretweets gestartet, der genau das macht, was der Name verspricht: lustige und bemerkenswerte Tweets von ganz normalen Nutzerïnnen retweeten. Hier ein Beispiel:

Google

Snapchat

Instagran

  • Altersabfrage: Instagram fragt neue NutzerInnen nun nach ihrem Alter (Instagram Blog). Das Mindestalter, um Instagram nutzen zu dürfen, beträgt 13 Jahre. Bislang spielte das Alter beim Signup für Instagram keine Rolle – ziemlich erstaunlich, denn sowohl bei Facebook als auch bei Snapchat und TikTok muss das Alter angegeben werden.

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Header-Foto von Hyunwon Jang bei Unsplash