Salut und herzlich Willkommen zur 559. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute beschäftigen wir uns mit Facebooks Idee, ein neues Aufsichtsgremium für strittige Posts zu installieren. Zudem schauen wir auf aktuelle Entwicklungen im Kampf gegen Desinformationen und Instagrams Pläne, Anzeigen nun auch auf der Explore-Page zu integrieren. Wir wünschen wie üblich eine gewinnbringende Lektüre und bedanken uns für das Interesse! Ohne Dich wäre das hier alles nicht möglich! Merci, Martin

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Facebooks neues Aufsichtsgremium

Was ist: Mark Zuckerberg hatte ja bereits Anfang 2018 skizziert (Vox), dass es eine Art Aufsichtsgremium geben soll, um über den Verbleib von strittigen Inhalten auf Facebook und Instagram besser entscheiden zu können. Nun hat Facebook eine Zusammenfassung (Newsroom FB) von all dem Feedback vorgelegt, das in den letzen fünf Monanten in mehr als zwei Dutzend Workshops zusammengetragen wurde.

Warum ist das interessant?

  • Facebook sieht sich immer wieder damit konfrontiert, dass sie entweder zu sanft oder aber zu hart durchgreifen in Sachen Content Moderation.
  • So geisterte jüngst ein gefaktes Video von Nancy Pelosi durchs Netzwerk, das die US-Politikerin bei einem öffentlichen Auftritt vermeintlich betrunken zeigte. Facebook hatte lange damit gerungen, sich zu dem Video zu äußern und überraschte dann mit der Entscheidung, es auf der Plattform zu lassen. Eine Entscheidung, die Zuckerberg, diese Woche noch einmal verteidigte (Cnet).
  • Von einer Art unabhängigem Aufsichtsgremium verspricht sich Facebook Hilfestellung und Expertise, um über strittige Fälle schneller und für Außenstehende nachvollziehbarer urteilen zu können.

Wie sieht das Feedback aus?

  • Viele wünschen sich, das sich die Aufgaben nicht nur auf den Bereich Content beschränken. Einige würden direkt am liebsten auch zum Thema AI, Privatsphäre und Desinformation mitmischen.
  • Zudem sei wohl vielfach darüber diskutiert worden, dass Facebook die Mitglieder des Aufsichtsgremiums selbst aussuchen möchte. Auch ging es um die Frage, ob es sich bei der Aufgabe nicht um einen Vollzeitjob handeln würde.
  • Auch sei noch nicht entschieden, wie die strittigen Fälle eigentlich beim Aufsichtsgremium landen und wie eng der Austausch mit Facebooks Staff sein sollte.

Be smart: Es ist definitiv begrüßenswert, dass sich Facebook nicht zum „arbiter of truth“ (CNBC) aufschwingen möchte und daher lieber ein (im besten Fall) sachkundiges, neutrales Gremium über den Verbleib von strittigen Inhalten auf der Plattform entscheidet. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der politische Druck war in den letzten Monaten immer größer geworden. Gerade die Konservativen in den USA sehen sich im Nachteil und wittern einen politischen Bias (Reuters) bei Facebook. Auch um diesen Vorwürfen und entsprechenden Rufen nach Regulierung zu begegnen, soll das Gremium installiert werden.

Tiefgang: Wer mehr über das Projekt erfahren möchten, sollte sich die Zeit nehmen und dem Gespräch (Newsroom FB) zwischen Mark Zuckerberg und Jenny Martinez sowie Noah Feldman von der Harvard Law School lauschen.

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Kampf gegen Desinformation & Hass

Facebook rückt IP-Adressen raus: Facebook wird künftig auch bei Hasskommentaren die IP-Adressen an französische Gerichte übermitteln (Reuters). Bisher wurden die Adressen nur in Fällen von Terrorismus oder Kinderpornografie vom Unternehmen rausgerückt. Hasskommentare werden dadurch mit den anderen beiden Delikten auf eine Stufe gestellt. Das mag zunächst einmal richtig erscheinen. Solange aber keine klare Definition davon vorliegt, was ein Hasskommentar ist, können sich solche Deals auch schnell ins Gegenteil pervertieren. Horst Seehofer reibt sich sicherlich bereits die Hände.

Blurring Videos: Um den Content Moderatoren die Arbeit etwas zu erleichtern, sollen künftig in gewaltverherrlichenden Videos die Gesichter von den betroffenden Personen geblurrt werden. Hmm. Klingt nach einem Anfang. Aber viel wichtiger wäre wohl eine umfassende psychologische Betreuung, mehr Zeit, um die Arbeit verrichten zu können, mehr Ruhezeiten und ein besseres Gehalt.

Neue Twitter-Regeln: Wenn Donald Trump Staaten auf Twitter mit der Vernichtung droht, dann verstößt das eigentlich gegen die Gemeinschaftsstandards. Bislang wurden diese Tweets aber von Twitter nicht weiter angefasst. Das soll sich jetzt ändern. Künftig gibt es eine Art Label, das Nutzer darüber informiert, dass der betroffende Tweet eigentlich gegen die Community Standards verstößt, aber „newsworthy“ sei. Diese Sonderregelung gilt nur für Politiker, verifizierte Accounts und Menschen mit mehr als 100k Followern. Donie O’Sullivan hat weitere Infos zum Vorgehen.

Verantwortlich für…: Correctiv macht darauf aufmerksam, dass die Seite „Hooligans gegen Satzbau“ Porträts von Personen verbreitet, auf denen diese beschuldigt werden, mit Hetze verantwortlich für den Mord an Walter Lübcke zu sein. In der Tat können die Bilder ohne Kontext irreführend sein. Viele solcher Kampagnen aus dem linken Milieu sind mir nicht bekannt – falls jemand mehr weiß: ich freue mich über Feedback.

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Inspiration

Bernie Sanders ist jetzt auch bei Twitch: Die Plattform mausert sich immer mehr von einer reinen Gaming-Livestreaming-Plattform zur Bühne für viele, viele andere interessante Menschen – so auch für einen potentiellen Herausforderer Trumps bei der nächsten Präsidentschaftswahl in den USA.

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Empfehlungen fürs Wochenende

So verschieben Sie eine Debatte nach rechts: Sascha Lobo hat bei SPON eine brilliante Anleitung geschrieben, wie man in 20 Schritten eine Debatte nach rechts verschiebt. Zitat:

Sie möchten rechtskonform im Internet publizieren? Also konform mit anderen Rechten? Dann befolgen Sie diese Anleitung und lernen Sie alles übers Entschärfen, Beschönigen und Schuldumkehren.

Diversity in der Tech-Branche: Adidas hat ja gerade eine ziemliche Diskussion am Hacken in Sachen Diversität der Mitarbeiter im Nordamerika-Headquarter. Doch damit stehen sie nicht alleine dar. Das Problem ist gerade in der Tech-Branche seit Jahren Thema. Ian Bogost mit einem tollen Artikel bei The Atlantic: The Problem With Diversity in Computing.

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Schon einmal im Briefing davon gehört

Geld für Meme-Creators: Während wir in Europa vor ein paar Monaten beschlossen haben, dass Memes ganz, ganz böse sind (siehe Briefing #525), arbeitet eine der größte Meme-Websites der Welt an einer Idee, wie Meme-Künstler für ihre Arbeit bezahlt werden könnten. (Techcrunch)

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Neues von den Plattformen

WhatsApp

  • Status: Bald soll es möglich sein, den WhatsApp-Status mit Facebook, Instagram und sogar Google Photos zu teilen. t3n hat mehr zum Thema.

Facebook

YouTube

  • Mehr Kontrolle für die NutzerInnen: Künftig kann man sich auf der Startseite bei YouTube von Empfehlungen lossagen, die auf Kanälen beruhen, die man nie schaut (Hallo Galileo!!!). Zudem kann man analog zu Facebooks „Why am I seeing this ad“ mehr darüber erfahren, warum einem bestimmte Videos vorgeschlagen werden. Hier ist Googles Blogpost zum Thema.

Twitter

Instagram

  • Ads jetzt auch auf der Explore Page: Alles eine Frage der Zeit: Künftig gibt es auch auf der Explore Page Werbung. Zwar nicht dann, wenn man sich in der Übersicht befindet. Sehr wohl aber, wenn man auf der Post-Ansicht rumscrollt. (The Verge)

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One more thing

Ich bin so ein krasser Social-Media-Experte: Ich habe jetzt sogar selbst einen Account bei Instagram 😂. Würde mich freuen, wenn Du dort mit mir Kontakt aufnimmst: instagram.com/martinfehrensen

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Header-Foto von Alexandre Chambon bei Unsplash