Zuckerbergs Pläne zur technischen Zusammenführung von Instagram, WhatsApp und Facebook Messenger, erklärt

Was ist: Mark Zuckerberg plant einem Bericht in der New York Times zufolge eine technische Zusammenführung von Instagram, WhatsApp und Facebook Messenger. Zudem könnte dem Artikel zufolge die Kommunikation über diese Dienste künftig standardmäßig verschlüsselt erfolgen.

Warum ist das interessant? Insgesamt verzeichnen die Apps aus dem Hause Facebook Inc 2.6 Milliarden Nutzer (Q3 Facebook Reports). Die angekündigten Änderungen würden bedeuten, dass sich fortan alle Nutzer untereinander Nachrichten schreiben können – ganz unabhängig davon, ob sie nun bei Facebook ein Konto haben, bei Instagram oder bei WhatsApp. (Wichtig:Es geht nicht darum, die einzelnen Apps aufzugeben, gar eine Mega-Plattform zu bauen!)

Aber genau da sind wir auch schon bei den Problemen:

  • Bislang konnten sich Nutzer bei Instagram einen Account erstellen, ohne zwangsläufig ihre wahre Identität preisgeben zu müssen. (Wer hat keinen Zweit-Account bei Insta?)
  • Auch WhatsApp lässt sich nutzen, ohne einen Klarnamen zu verwenden – hier ist „lediglich“ eine Telefonnummer für die Anmeldung erforderlich.
  • Facebook hingegen darf nur mit Klarnamen genutzt werden – so sehen es die ToS vor.
  • Wenn nun also die drei Apps miteinander verknüpft werden, dann wird „Real-Identity-Fan“ Mark Zuckerberg imho dafür sorgen, dass die Nutzerprofile zusammengeführt werden, respektive die bislang mehr oder weniger anonym nutzbaren Apps ebenfalls Klarnamen voraussetzen.
  • Das aber dürfte Datenschützer auf den Plan rufen. Vor allem natürlich auch deshalb, weil davon auszugehen ist, dass Facebook Inc nicht nur die Profile sondern generell die Metadaten zusammenführen und für Werbezwecke nutzen wird.

Warum macht Facebook das? Es gibt nicht die eine Antwort – vielmehr handelt es sich um ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Faktoren.

  • Facebook will nach all den Datenskandalen das Vertrauen der Nutzer zurückgewinnen. Eine grundsätzliche Verschlüsselung der Inhalte ist dafür natürlich ein solides Argument (und auch absolut begrüßenswert).
  • Ferner gibt Facebook den Nutzern gute Gründe, weiter mindestens eine der Apps zu nutzen.
  • Auch zollt Facebook der Entwicklung Tribut, dass Menschen zunehmend lieber im Dark Social unterwegs sind – also lieber in Messengern und Messenger-Gruppen kommunizieren als in der Pseudo-Öffentlichkeit von Facebook.
  • Zudem ist ein regelrechter Wettstreit um die Vorherrschaft beim Messaging in vollem Gange: so kämpft Facebook einerseits mit Apple iMessage (The Information), andererseits sehen sie sich der Konkurrenz von Snapchat ausgesetzt, deren Macher jüngst eine Verschlüsselung von Snaps angekündigt hatten (Telegraph).
  • Last but not least kommt Facebook mit der technischen Integration der Apps einer möglichen Zerschlagung zuvor. Die Idee dabei: Wenn die Apps allesamt so eng miteinander verflochten sind, dann ist ein Aufbrechen nicht möglich. Too big too antitrust (Recode).

Be smart: Die Umsetzung wird einige Monate dauern, womöglich wirklich bis Anfang 2020. Das wird aus Facebook-Sicht aber immer noch schnell genug sein, um konkreten Forderungen nach einer Zerschlagung von Facebook Inc zuvorzukommen. Was das alles für die tägliche Arbeit mit den Apps bedeutet (Chat-Bots, Newsletter, Stories, etc.) kann jetzt noch niemand sagen. Permanenter Wandel ist halt die einzige Konstante.

Interviews zum Thema

  • Sowohl die Kollegen von RBB Inforadio (hier) als auch Deutschlandfunk Kultur (hier) haben mich zum Thema interviewt.

Der Verfassungsschutz und die Facebook-Pages der AfD

Was ist: Die Kollegen von netzpolitik haben einen Bericht geleakt, der aufzeigt, warum der Verfassungsschutz die AfD vor allem auch in den sozialen Medien – allen voran auf Facebook – unter die Lupe nimmt.

Warum ist das interessant?

  • Facebook ist für die AfD zum zentralen Kommunikationsmittel anvanciert. Nicht nur die Fanpage der Bundespartei, sondern auch die Facebook-Seiten der Regionalverbände und Gruppen, sowie die Pages einzelner Funktionäre und Parteimitglieder, haben eine enorm wichtige Funktion bei der Verbreitung ihrer politischen Botschaften.
  • Das Problem dabei besteht darin, dass die von der AfD lancierten Inhalte keiner generellen und dauerhaften Überprüfung ausgesetzt sind. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass es in aller Regel an den Facebook-Nutzern, respektive an Journalisten und politischen Gruppen ist, ausländerfeindliche Propaganda und Hetze der AfD aufzuspüren und zu melden. Jetzt wird klar, dass auch der Verfassungsschutz genau diese Kanäle im Visier hat.

Be smart: Ich kann mich voll und ganz der Einschätzung von netzpolitik anschließen:

Es ist also nur folgerichtig, dass der Verfassungsschutz da ansetzt, wo die Partei ihr wahres Gesicht zeigt. In geschickt formulierten Wahlprogrammen und geschliffenen Reden hat die Partei die Chance, ihre selbstverordnete strategische Mäßigung zu pflegen. Im schnellen Medium Facebook hingegen sprechen ihre Funktionäre das aus, was sie wirklich denken. Dort entsteht ein realistischeres Bild von antidemokratischen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei, ihrer Mitglieder und Verbände.


Neue Rollen des Journalismus

Was ist: Wie bereits in Briefing #518 erwähnt, erleben wir derzeit eine Debatte darüber, ob sich Journalisten nun auf Twitter (respektive in sozialen Medien) einbringen sollten oder nicht (etwa hier bei der Washington Post). Meine These dazu lautet: Ja, Journalisten müssen sich unbedingt in sozialen Medien einbringen, ändert sich doch zunehmend das Rollenbild von Journalisten hin zu einer verstärkt moderierenden Tätigkeit.

Warum ist das interessant:

  • Social Media ist zu einem elementaren Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Wir erleben einen fundamentalen Umbruch in der Art und Weise, wie Politik, Wirtschaft, Medien und jeder einzelne kommuniziert. Hatten noch vor wenigen Jahren Journalisten das Monopol darauf, Informationen / Ideen / Meinungen zu veröffentlichen, bieten die sozialen Medien nun jedem die Option, sich Gehör zu verschaffen.
  • Die Aufgabe des Journalisten kann es nun imho nicht mehr nur sein, mit dieser Vielzahl an Meinungen und Ideen zu konkurrieren (wenngleich das natürlich eine zentrale Aufgabe bleibt). Vielmehr sollten Journalisten sich künftig auch als Moderatoren verstehen.

Wie soll das funktionieren?

  • Journalisten sollten sich aktiv in Diskussionen in den sozialen Medien einbringen und die Auseinandersetzung nicht scheuen. Wenn sich Medienschaffende aus (den teilweise wirklich abgrundtief hässlichen) Diskussionen verabschieden, dann verschwinden nicht die Probleme. Vielmehr wird nur die Tür zu diesen Problemen verschlossen.
  • Journalisten sollten aber soziale Medien nicht nur als Trafficbringer verstehen, sondern auch als Option, um Gesellschaft an diesen Orten miteinander ins Gespräch zu bringen.
  • Dazu gehört imho die Einsicht, dass die Nachricht häufig schon in der Welt ist, bevor Journalisten auch nur eine Zeile geschrieben haben. Die Aufgabe besteht dann zunehmend darin, die losen Gesprächsstränge und Infohäppchen zu bündeln und sortiert weiterzureichen, zu ergänzen, zu verteilen, zu kommunizieren.

Be smart: Natürlich triggern die Social-Media-Plattformen bestimmte Kommunikationsmuster. Darüber schreiben wir hier seit sieben Jahren. Der Gedanke, sich als Journalist doch bitte aus den sozialen Medien zurückzuziehen, ist aber durchaus zynisch all jenen gegenüber, die keine derart privilegierten Möglichkeiten haben, sich einer breiteren Öffentlichkeit mitzuteilen. Daher halte ich es an dieser Stelle ausnahmsweise einmal mit Jeff Jarvis, der Journalismus als Kommunikation interpretiert.

When I’m a jerk on Twitter it’s because I’m being a jerk, not because Twitter made me on.


Kampf gegen Desinformation

Weniger Verschwörungstheoretiker-Videos auf der eigenen Plattform – das ist das erklärte Ziel von YouTube (NYT). Schauen wir mal, ob und wie sie das hinbekommen. Bislang ist der Wahnsinn ja meist nur ein paar Klicks entfernt (Twitter ( Peter Adams).

Studie zu Desinformationen: Andere Studien hatten bereits ein ähnliches Muster festgestellt: nur eine verschwindend geringe Anzahl an Accounts ist für die Verbreitung von „Fake News“ und Desinformationen verantwortlich. Laut der Studie Fake news on Twitter during the 2016 U.S. presidential election, die in Science erschienen ist, teilten lediglich 0.1 Prozent der Nutzer 80 Prozent der fragwürdigen Inhalte im Rahmen der US-Präsidentschaftswahl 2016.

Facebook installiert einen Rat für „Content Decisions“: Schon lange wird an Facebook die Idee herangetragen, eine Expertengruppen zu installieren, die Moderations-Entscheidungen und -policies überprüft. Jetzt will Facebook ein entsprechendes Gremium installieren. (Facebook Newsroom)

Vorschläge für WhatsApp: Wie bereits berichtet, können bei WhatsApp Meldungen künftig nur noch an fünf Kontakte weitergeleitet werden. Dies soll vor allem der Verbreitung von Gerüchten vorbeugen. Weitere Ideen, was WhatsApp leisten könnte, um der Flut an Desinformationen auf der Plattform Herr zu werden, gibt es bei Bloomberg How to Stop Misinformation. In a nutshell: Ein Button, mit dem Nutzer fragwürdige Inhalte an Fact-Checker weiterreichen könnten, sowie ein Ansatz, der sich „differential privacy“ nennt, um Inhalte besser ausfindig machen zu können, die viral gehen.


Digital Media: Nichts hält für die Ewigkeit

Was ist: BuzzFeed hat sich von über 200 Mitarbeitern getrennt. Darunter sind zahlreiche Kollegen, die das Internet und Social Journalism maßgeblich geprägt haben.

  • Louis Peitzman – der Kopf hinter dem Quiz-Boom. Welcher Marvel-Character bist du noch gleich?
  • John Gara – der „Erfinder“ der Overhead-Kochvideos
  • Cates Holderness – die Frau, die mit The Dress einige Wochen das ganze Internet verrückt machte.

Warum ist das interessant? Nicht nur BuzzFeed hat mit Problemen zu kämpfen. Auch etwa die Huffington Post, MIC und Refinery29 mussten arge Job Cuts und Umstrukturierungen über sich ergehen lassen. (Guardian)

Be smart: Wenn es eine kurze Botschaft gibt, die mit diesen Entlassungen deutlich wird, dann wohl die, dass nichts für die Ewigkeit hält. Eine etwas längere Botschaft gibt es in diesem Twitter-Thread von Jeremy Littau. Wer den Status Quo des Journalismus und die Schwierigkeiten der Digital First Medienangebote verstehen will, sollte den Thread unbedingt lesen.


One more thing

Ach so ist das!?! Mark Zuckerberg durfte im WSJ erklären, wie das nun eigentlich wirklich alles mit Facebook so ist. Kara Swisher hat das op-ed ganz lustig eingeordnet 😜 (NYT)


Foto-Credit: Adi Constantin bei Unsplash