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Die Facebook-Emails, News Feed begünstigt Rechte, JIM-Studie 2018 | Ausgabe #509

Salut und herzlich Willkommen zur 509. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute schauen wir auf die internen Facebook-Mails und erklären ausführlich, was sie enthüllen. Zudem haben wir drei frische Studien zu Social Media im Angebot und erfahren, dass Instagram daran bastelt, den Feed durch ein Tinder-mäßiges Swipe-Feature zu ersetzen. Das und mehr im Briefing Deines Vertrauens. Herzlichen Dank für das Interesse, Simon & Martin

Was die internen Facebook-Mails enthüllen

Was ist: Der britische Parlamentsabgeordnete Damian Collins hat 250 Seiten interner Facebook-Dokumente veröffentlicht (PDF). Sie stammen aus dem Rechtsstreit zwischen Facebook und dem App-Entwickler Six4Three. Das Parlament untersucht derzeit Facebooks Rolle im Cambridge-Analytica Skandal und hatte die Unterlagen vergangene Woche beschlagnahmt.

Warum das wichtig ist: Die Dokumente enthalten zahlreiche interne E-Mails, die einen seltenen Einblick in ein Unternehmen ermöglichen, das sonst daran interessiert ist, möglichst wenig nach außen dringen zu lassen. Sie zeichnen das Bild eines Konzerns, der das eigene Wachstum über alles stellt.

Was in den Dokumenten steht:

Wie Facebook reagiert: Sowohl Facebook als auch Mark Zuckerberg haben Statements veröffentlicht. Das Unternehmen nennt die Dokumente "Rosinenpickerei", die nur eine Seite der Medaille zeigten. Angeblich unterschlagen sie "wichtigen Kontext". Facebook sei es nicht darum gegangen zu vermeiden, Nutzer um Einwilligung zu fragen. Die E-Mails sprechen eine andere Sprache. Auch Zuckerberg streitet Echtheit der Dokumente nicht ab und schreibt nur allgemein, dass es "viele interne Diskussionen gegeben habe und Leute unterschiedliche Ideen vorgeschlagen" hätten. Er betont, dass Facebook sehr wohl Nutzer und ihre Daten habe schützen wollen. Das Geld habe nicht im Vordergrund gestanden.

Be smart: Tatsächlich haben Facebook und Zuckerberg einen Punkt: Womöglich existieren ebenso viele E-Mails, in denen Facebook-Manager überlegt haben, wie sie Privatsphäre-Funktionen am besten umsetzen können. Die Dokumente lassen jedoch keinen Zweifel, dass Facebook kein altruistischer Weltverbesserungskonzern ist ("Making the world more open and connected"). Das ist aber schon lange bekannt, und deshalb wird die Veröffentlichung wohl bereits in wenigen Tagen vom Skandal zum Skandälchen geschrumpft sein. Sie ist einfach nur ein weiterer Baustein in einer langen Reihe an PR-Katastrophen, die Facebook im vergangenen Jahr erlebt hat – und das hat offenbar interne Folgen, die für Facebook viel gefährlicher sein könnten als ein paar weitere unerfreuliche Schlagzeilen.

Charlie Warzel und Ryan Mac geben bei Buzzfeed Einblick in die Konflikte, die das Unternehmen von innen heraus bedrohen. Demnach sei die Arbeitsatmosphäre angespannt und teils feindselig, die Mitarbeiter teilten sich in unterschiedliche Lager. Angeblich nutzen Angestellte Wegwerf-Handys, um untereinander über die Führung zu lästern, weil sie Überwachung fürchten. Vor allem Sheryl Sandberg spalte die Mitarbeiter: Ein Teil fordere ihre Ablösung, andere verteidigten sie vehement. "Während der Wahlen ist es immer am schlimmsten", schreibt ein anonymer Facebook-Angestellter. "2020 wird wieder eine Shit-Show." Und ein anderer sagt: "Wenn du in dieser Firma deine Meinung äußerst, bist du tot."

Diese Konflikte haben Konsequenzen: Facebook, einst einer der beliebtesten Arbeitgeber der Welt, verliert im Silicon Valley an Ansehen. Mitarbeiter werden zunehmend pessimistisch, was die Zukunft des Unternehmens angeht. Angeblich schauen sich immer mehr Angestellte nach anderen Arbeitgebern um und bitten Ex-Mitarbeiter um Rat, die gekündigt haben. Ein ehemaliger Manager:

Sobald es komisch wird, anderen zu erzählen, dass sie bei Facebook arbeiten, oder wenn ihre Mütter nicht mehr stolz auf sie sind, dann werden die Leute gehen. Ich glaube, wir erreichen gerade diesen Punkt.

Autor: Simon Hurtz

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News-Feed-Umbau spielt rechten Fanpages in die Hände

Was ist: Ein weiterer Teil der Meedia-Studie zu den Auswirkungen des News-Feed-Umbaus bei Facebook beschäftigt sich mit den sogenannten „Alternativmedien“, die besonders in rechten Kreise sehr beliebt sind. Kollege Schröder stellt fest: „Von den 10 nach Interaktionen größten der analysierten Facebook-Seiten verloren nur drei im Jahres-Vergleich Oktober 2018 vs. Oktober 2017 Likes, Reactions, Shares und Kommentare mit ihren Inhalten.“

Warum ist das interessant? Wenn Medien wie RT Deutsch (+13,8%),

The Epoch Times (+24,2%) oder Wochenblick (+44,8%) kräftig zulegen, während die absolute Mehrheit der traditionellen Medien im gleichen Zeitraum herbe Verluste hinnehmen musste, dann ist da etwas schief gelaufen beim News-Feed-Umbau. Warum ich das so schreibe? Nun, es war ja eins der erklärten Ziele von Zuckerberg, Medienseiten, die hyperparteiisch und schlichtweg falsch berichten, weniger Sichtbarkeit zu geben, um Facebook von „Fake News“ zu befreien. Genau das Gegenteil scheint nun in Deutschland eingetreten zu sein.

Wie kann das sein? Die eine Erklärung gibt es nicht, dafür fehlen Zahlen, die Facebook nicht rausrückt. Sehr wohl habe ich aber ein gut begründetes Bauchgefühl. Meine These lautet: Reguläre Nutzer teilen immer weniger. Eine spitze Gruppe von politisch motivierten Nutzern aus dem rechten Lager dafür um so mehr. Sie füllen dadurch das Vakuum und übernehmen so vielerorts die Deutungshoheit. Eine echte Gefahr. (Twitter)

Be smart: Sich auf Facebook als Korrektiv zu verlassen, scheint aus einer Vielzahl an Gründen keine besonders gute Idee. Von daher könnte es tatsächlich umso wichtiger sein, sich eben nicht aus den sozialen Netzwerken zurückzuziehen (ob nun als Privatperson oder Medienunternehmen) – nur so kann man sicherstellen, dass der Marktplatz der Ideen nicht ausschließlich zur Heimat der Verschwörungstheoretiker und extrem rechten Akteure wird. Rechnen wird sich das nicht – zumindest nicht in Euro. Willkommen zu deinem neuen Leben als unbezahlter Demokratie-Retter im Weltreich der sozialen Netzwerke!

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Tumblr: miese AI

Tumblr hatte ja angekündigt, sich von sämtlichen pornografischen Inhalten auf der Plattform zu verabschieden. Wir berichteten in der letzten Ausgabe darüber (Briefing 508) und ahnten bereits, dass das schwierig werden würde. Stellt sich heraus: die von Tumblr eingesetzte „AI“ rasiert in der Tat viel zu viele Inhalte (Twitter / carolinethegeek). Und nicht nur das: für bestimmte Communities ist Tumblrs Plan ein herber Verlust. (EFF)

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So much fun!

TikTok ist ja derzeit in aller Munde, bzw. Hände. Und anscheinend haben nur die allerwenigsten Kollegen aus der Geschichte gelernt: die Jubel-Texte reihen sich ein in all die früheren Artikel zu Vine, Snapchat und wie sie alle hießen, die wilden, frischen, frechen Hoffnungsträger, bis sie halt auch Mainstream wurden oder das exakte Gegenteil: eingestampft. Der wunderbare Kottke fasst zusammen: The Fun Is Back In Social Media, Again.

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Schon mal im Briefing davon gelesen

Cookies sollten eigentlich die Privatsphäre der Nutzer schützen : Dass nun jene Cookies exakt die Grundbausteine für den Überwachungskapitalismus bilden, in dem wir uns alle derzeit befinden, war so nicht geplant. Die Kollegen von Techonomy haben den Erfinder des Cookies im Gespräch.

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Journalismus, Risikokapital und Social Media

Mic drop – so heißt die neue Snapchat-Show der lieben alten bento-Kollegen . Mic drop heißt es aber auch für das Millenial-Medien-Startup, das einst mit 100 Millionen Dollar bewertet wurde, jetzt nahezu alle Mitarbeiter entlassen hat, um als seelenlose Marke für 5 Millionen Dollar an Bustle verscherbelt zu werden. Die immer lesenswerte Margaret Sullivan macht sich in ihrer WaPo-Kolumne Gedanken darüber, ob die Risikokapital-finanzierten Medienstartups, von denen eine Vielzahl vor die Wand fährt, eine ganze Generation an Nachwuchsjournalisten deprimiert.

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Cash rules everything around me

Die zehn bestbezahlten YouTube-Stars sind alles Kerle. Naja, fast jedenfalls. Neun Kerle und ein Kind, um genau zu sein. Aber das finde ich insgesamt schon sehr erstaunlich. Mal ganz abgesehen davon, dass man mit dem Auspacken von Spielzeug Millionär werden kann. (Forbes)

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Studien

JIM-Studie 2018: Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest untersucht seit zwanzig Jahren, welche Medien für 12- bis 19-Jährige relevant sind. In der diesjährigen Untersuchung wird deutlich: Während YouTube der klare Gewinner ist, wenn es um die beliebtesten Internetangebote geht, verliert Facebook weiter an Boden. Facebook Inc hingegen darf sich aber trotzdem freuen, denn mit WhatsApp und Instagram landen gleich zwei FB-Unternehmen auf Platz 1 und 2 bei den populärsten Kommunikationsmitteln. Hier gibt es die gesamte Studie (PDF).

Amerikaner gucken am liebsten News im TV – das ist das Ergebnis einer aktuellen PEW-Studie. Gleichwohl steigt gerade in den jüngeren Zielgruppen die Präferenz, News online zu konsumieren. Am stärksten wird dies deutlich bei Print vs Online-News.

European Digital-Born News Media: Das Reuters Institut hat sich mit Medienangeboten aus Europa beschäftigt, die allesamt digital first gegründet wurden. Aus Deutschland wurden Correctiv und Krautreporter befragt. Quintessenz: Skalierbarkeit ist schwierig, aber dafür sehr lohnenswerte Arbeit, weil nah an der Community. Hätte von mir stammen können der Satz 🙂

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Zitat der Woche

What people seem to be clamoring for more and more now is community, and so whether that goes to private group chats — like your WhatsApp group, your Signal group — or new platforms that have emerged.

Reddit Cofounder Alexis Ohanian glaubt, die Welt hätte „peak social“ erreicht. (Business Insider)

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Empfehlungen fürs Wochenende

The Next Era of Tech: Farhad Manjoo ist Kolumnist bei der New York Times. Fünf Jahre lang hat er sich an Tech-Themen abgearbeitet. In seiner Abschiedskolumne gibt er Tipps, wie man die nächste Tech-Ära überstehen kann:

Die Macht der Lüge: NDR ZAPP hat den Chef-Faktenfinder der Tagesschau, Patrick Gensing, und das Internet-Trüffelschwein von BuzzFeed, Karsten Schmehl, zu ihrer Arbeit zum Themenschwerpunkt Desinformation befragt. Sehr, sehr sehenswert.

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Neue Features bei den Plattformen

Facebook

Instagram

Kik

Google

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One more thing

Letzter Tag: Heute war mein letzter Forschungsprojekt-Tag an der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Fortan gilt die volle Kraft und Konzentration dem Social Media Watchblog und dem Beat Social Media. Wenn Du also eine Idee hast, wie wir künftig auch noch zusammenfinden könnten, dann immer her damit. Wir haben Bock! Merci 🙂