Salut und herzlich Willkommen zur 498. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Der heutige Newsletter ist in Teamarbeit entstanden: Martin und Simon beschäftigen sich mit einer Studie, die auf den ersten Blick schlechte Nachrichten für Facebook beinhaltet (der zweite Blick bestätigt erneut, wie wertvoll die Instagram-Übernahme war). Außerdem beschäftigen wir uns mit Facebooks Vorhaben, politische Anzeigen transparenter zu machen, und erklären, wie Google sich radikal erneuert. Herzlichen Dank für das Interesse und die Wertschätzung unserer Arbeit, Martin & Team

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Facebook ist tot, lang lebe Facebook

Was ist: Zweimal pro Jahr befragt die Investmentbank Piper Jaffray US-amerikanische Teenager unter anderem zu ihrem Umgang mit dem Internet und sozialen Medien. Die Studienautoren nennen die Zielgruppe "Generation Z", aber ich blicke bei den ganzen Generationen-Labels nicht mehr durch. Die Befragten sind im Durchschnitt jedenfalls 15,9 Jahre alt. Die aktuelle Untersuchung enthält sehr schlechte und sehr gute Nachrichten für Mark Zuckerberg. Hier gibt es den kompletten Report als 70-seitiges-PDF.

Was hat Piper Jaffray herausgefunden?

  • Facebook ist out: Erst Cambridge-Analytica-Affäre, dann die DSGVO-Umsetzung, kürzlich der größte Hack der Unternehmensgeschichte – 2018 ist bislang kein gutes Jahr für Facebook. Noch größere Besorgnis dürften in Menlo Park diese Zahlen auslösen: Nur noch 36 Prozent der befragten Jugendlichen nutzen Facebook mindestens einmal pro Monat. Vor einem halben Jahr waren es noch 45 Prozent, 2016 gar knapp zwei Drittel. Zum Vergleich: Selbst Twitter spielt im Alltag der US-Teenager eine deutlich größere Rolle (47 Prozent). Und gerade einmal jeder 20. Befragte nennt Facebook sein Lieblingsnetzwerk. Der Trend wird sich fortsetzen: je jünger die Studienteilnehmer, desto nebensächlicher Facebook.
  • Instagram ist in: Die blaue App mag an Bedeutung verlieren, dem Unternehmen Facebook Inc. geht es blendend. Das liegt hauptsächlich an Instagram. 85 Prozent der Teens öffnen es mindestens einmal pro Monat (plus drei Prozent), ein Drittel gibt es als Lieblingsnetzwerk an (plus sechs Prozent). Als Facebook 2012 eine Milliarde Dollar für das 13-Mitarbeiter-Startup zahlte, hielten das vielen Analysten für überteuert. Heute dürften sie alles daran setzen, dass ihre damaligen Prognosen aus dem Netz verschwinden (das Gleiche gilt für die Whatsapp-Übernahme).
  • Snapchat stagniert (und hat Probleme): Die Zahlen sehen eigentlich gut aus: 84 Prozent nutzen Snapchat monatlich, es ist die beliebteste Plattform bei fast der Hälfte der Befragten. Doch Instagram hat bewiesen, dass dreiste Kopien funktionieren: Facebook hat alle Snapchats-Funktionen nachgebaut und ist damit erfolgreich. Vor allem hat Instagram Hunderte Milliarden Facebook-Kapital im Rücken, während Snapchats Redesign Nutzer verprellt hat, es Zweifel an der Führungsqualitäten von Evan Spiegel gibt, Top-Manager abwandern und die Snap-Aktie bei nur noch einem Viertel des Ausgangswertes notiert. Das Unternehmen habe ein "drängendes Problem", zitiert Vanity Fair einen Analysten: "Ihnen geht das Geld aus."

Was gerne vergessen wird: Facebook wurde schon oft totgesagt. Seit Jahren zitieren Medien Umfragen unter Jugendlichen und lesen das baldige Ende von Facebook heraus. Das Netzwerk mag Probleme und nicht die beste Presse haben, aber es ist immer noch die wichtigste Online-Plattform der Welt – und wird das wohl auch noch eine ganze Weile bleiben. Es wirft Jahr für Jahr Milliarden ab, nirgendwo erreichen Anzeigenkunden so viele Menschen. Die Piper-Jaffray-Studie bezieht sich nur auf die USA. Die sind zwar gemeinsam mit Kanada der lukrativste Markt für Facebook (hier liegt der jährliche Gewinn pro Nutzer mit Abstand am höchstens), aber perspektivisch werden Asien und womöglich auch einige afrikanische Länder weiter an Bedeutung gewinnen. Ob europäische Tech-Journalisten mahnende Texte über mangelnden Datenschutz schreiben, dürfte die dortigen Teenager eher kalt lassen.

Be smart: Zwei Worte fallen immer öfter, wenn Zuckerberg Facebooks Aktionären die Quartalszahlen präsentiert und den Ausblick für die kommenden Monate gibt: Instagram und Whatsapp. Die Bedeutung der beiden Zukäufe wächst kontinuierlich. Es wird interessant zu sehen, welche Strategie Facebook damit verfolgt. Mittlerweile haben alle vier Gründer das Unternehmen verlassen, Zuckerberg hat die Führungspositionen mit ehemaligen Facebook-Managern besetzt, die ihm treu ergeben sind. (Siehe dazu auch: „Facebook Exodus is becoming an epidemic“ – Vanity Fair) Vieles deutet darauf hin, dass Instagram und Whatsapp künftig enger mit Facebook verzahnt (automatisches Teilen von Inhalten, Synchronisation von Kontakten etc.) und vor allem stärker monetarisiert werden: Nutzer werden mehr Werbung sehen und teils direkt von Unternehmen angesprochen werden.

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Facebook macht politische Werbung transparenter

Was ist: Kommenden Sonntag wählt Brasilien, Anfang November stehen die sogenannten US-Midterms an. Insofern beweist Facebook mit seinem Ad Archive Report gutes Timing. Alle Interessierten (sprich: tatsächlich auch Menschen ohne Facebook-Konto!) können dort ab sofort nachschauen, wer wie viel für politische Werbung auf Facebook und Instagram ausgegeben hat. Sie können das Archiv nach Stichworten durchsuchen, sehen die geschalteten Anzeigen und erfahren, wie viele Menschen erreicht wurden. Die Datenbank ist vorerst auf die USA, Großbritannien und Brasilien beschränkt, Indien soll wohl bald folgen (Quartz). Für Entwickler bietet Facebook auch eine API an.

Was im Ad-Report steht: Auf den ersten Blick sind die beiden zahlungsfreudigsten Werbekunden der demokratische Senatskandidat Beto O'Rourke (5,4 Millionen Dollar, 6000 Anzeigen) und Donald Trump (3,1 Millionen Dollar, 50.000 Anzeigen). Insgesamt wurden zwischen Mai und Oktober mehr als 256 Millionen Dollar ausgegeben und knapp 1,7 Millionen Anzeigen geschaltet.

Was in einer Fußnote steht: "Der größte politische Werbekunde auf Facebook ist … Facebook", wie es Venturebeat, Recode und Wired unabhängig voneinander in drei nahezu wortgleichen Überschriften (jeweils mit drei Punkten), nun ja, nicht ganz so exklusiv enthüllen. Tatsächlich hat Facebook in den vergangenen Monaten Anzeigen im Wert von mehr als zwölf Millionen Dollar geschaltet, um Menschen zum Wählen zu animieren und Nutzer zu überzeugen, dass es entschieden gegen Desinformation vorgeht und alles tut, um die Sicherheit von Wahlen sicherzustellen.

Be smart: Auch nach vielen Cambridge-Analytica-Horrorstories ist unklar, wie groß der Einfluss personalisierter Wahlwerbung auf Facebook tatsächlich ist. Unabhängig davon ist Facebooks Transparenzinitiative überfällig und begrüßenswert. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Plattformen noch auf ganz andere Arten genutzt werden können, um Menschen zu manipulieren. Man denke nur an die Desinformationskampagne, die der rechte Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro in Brasilien auf Whatsapp fährt, oder an die unrühmliche Rolle, die Facebook und Whatsapp beim Genozid an den Rohingya in Myanmar gespielt haben. Der Ad Archive Report ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber nur der erste Schritt eines Marathons.

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Google baut die größte Webseite der Welt radikal um

Was ist: Dieses Thema war vor ziemlich genau einem Monat bereits in unserem Briefing (#489). Damals hatte Google angekündigt, seine mobile Webseite umzubauen. Die schlichte, schlanke Suchseite soll um einen Feed mit Inhalten ergänzt werden, der an Facebook erinnert.

Ja, und? Was ist daran jetzt so interessant? Ich habe mich damals schon gewundert, warum die Ankündigung so wenig Aufmerksamkeit erhält – schließlich bricht Google mit Prinzipien, an denen es 20 Jahre lang festgehalten hat: Google.com und Google.de sollen möglichst schnell laden und die bestmöglichen Suchergebnisse liefern. Für die SZ habe ich aufgeschrieben, was es bedeutet, dass Google nun in den weltweiten Kampf um die Aufmerksamkeit von Milliarden Menschen einsteigt: "Google will Antworten geben, bevor jemand Fragen stellt“.

Money-Quote: Besonders aussagekräftig ist dieses Zitat des damaligen Google-Chefs Eric Schmidt, der bereits 2010 sagte:

"Ich denke, dass die meisten Menschen nicht wollen, dass Google ihre Fragen beantwortet. Sie wollen, dass Google ihnen sagt, was sie als Nächstes tun sollen."

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Social Media & Politik

Türkeireisende: Vorsicht beim Liken: Das Auswärtige Amt hat deutsche Reisende in der Türkei zur Vorsicht bei der Nutzung sozialer Netzwerke aufgerufen. Schon Kleinigkeiten könnten zu Anklagen führen, berichtet die Deutsche Welle.

400.000 Wähler dank Snapchat?: Ende September hatten wir im Briefing (#489) darüber berichtet, dass Snapchat zusammen mit TurboVote junge Leute zum Wählen animieren möchte. Jetzt wird berichtet, dass Snapchat (und Taylor Swift) dabei geholfen hätten, dass sich 400.000 Wähler für die Wahlen registriert hätten. Eine unglaubliche Zahl! (New York Times)

Deep Dive: Datengetriebener Wahlkampf : Wer sich intensiver damit auseinandersetzen möchte, wie datengetriebener Wahlkampf funktioniert und welche Rollen Facebook, Twitter und WhatsApp dabei spielen, dem empfehle ich dieses Dossier zum Wahlkampf in Brasilien. (Tactical Tech)

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Social Media & Journalismus

News statt Social Media: Beim ONA18 hatte Chartbeat bereits dargestellt, dass der Traffic von traditionellen Medienangeboten in die Höhe schießt, wenn YouTube mal eine Stunde offline ist. (NiemanLab) Jetzt zeigen sie, dass dies auch so ist, wenn Facebook down ist. (NiemanLab) Soweit, so wenig erstaunlich. Aber: Wenn Nutzer also den Weg zu Medienangeboten finden, wenn YouTube und Facebook down sind, warum dann überhaupt die Plattformen (insbesondere Facebook) mit so vielen Inhalten aus den eigenen Häusern fluten? Vielleicht finden sie ja auch so den Weg. Just guessing.

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Schon mal davon im Briefing gelesen

Youtube vs. EU-Urheberrechtsreform: YouTube macht mobil gegen die EU-Urheberrechtsreform und ruft die Video-Kreativen dazu auf, sich gegen die geplanten Änderungen zur Wehr zu setzen, schließlich würde das EU-Vorhaben ihr kreatives Schaffen massiv gefährden, so die Argumentation Googles. (Googleblog)

20 Millionen Dollar für How-to-Videos: Flankiert wird der Kampf gegen die EU-Urheberrechtsreform von einer Kampagne, die darauf abzielt, Bildungsinhalte auf der Plattform zu pushen. Ich meine Bildung, Hallo! Da kann ja wohl keiner etwas gegen haben! (BBC)

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Empfehlungen fürs Wochenende

Facebook-Failure: David Kirkpatrick gilt als einer der profiliertesten Beobachter von Facebook, vor allem aufgrund seines Bestsellers „The Facebook Effect: The Inside Story of the Company that is Connecting the World“. Für die Website Techonomy beschreibt Kirkpatrick sehr kritisch und ausführlich, warum Facebook nicht in der Lage sei, den Schaden zu reparieren, den sie in der Welt anrichten. (Techonomy)

Rechte Medienpropaganda: Ginge es nach der AfD, würden weite Teile der Bevölkerung künftig nicht mehr die Tagesschau gucken, sondern AfD News. Das jedenfalls ist der wenig fromme Wunsch, der hinter der AfD-Medienoffensive steckt, die unter anderem ihre Vorbilder in Österreich hat. Der Falter zeigt, dass dahinter ein Trend steckt, und dokumentiert, wie Rechtsextreme die Meinungshoheit in Europa an sich reißen wollen. (Falter)

Das Smartphone als Sündenbock: Sascha Lobo beschäftigt sich in seiner aktuellen Kolumne mit dem allgegenwärtigen Smartphone-Bashing. (SPON) Zitat:

„Wir überlassen den jüngeren Generationen eine Welt, randvoll mit Nationalisten und Nazis, Populisten und islamistischen Terroristen, vom Klimawandel und Umweltschäden nicht zu reden – aber das Smartphone ist schuld an den zunehmenden Depressionen der Jugend.“

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Neue Features bei den Plattformen

Facebook

  • Der Messenger wird weniger verwirrend: Facebook hat seinen Messenger überarbeitet und stark verschlankt. Was dabei auffällt und paradoxerweise imho auch der Feature-Diät komplett zuwider läuft: Facebook-Stories wurden sehr prominent in den Messenger integriert. (Techcrunch)
  • Downgrade bei Fake-Überschriften: Künftig können Artikel auch dann im News Feed ein Downgrade erfahren, wenn die Story eigentlich stimmt, aber die Überschrift falsch ist. (Poynter)

Twitter

  • Wie Twitter Konversationen fördern will: Noch sind es keine offiziellen Tests, aber Twitter hat Vorschläge präsentiert, wie sie die Diskussionskultur auf der Plattform verbessern wollen – etwa mit Inline-Replies und farbigen Hervorhebungen. (Fast Company) Zudem überlegt Twitter, ob sie Statusmeldungen einführen wollen – etwa „Gucke gerade Tatort“. (The Verge)

Google

  • Leichter Daten löschen: Google vereinfacht für Nutzer die Möglichkeiten, Daten zu löschen. So muss man künftig nicht mehr tief in den Privatsphäreeinstellungen die entsprechenden Optionen suchen, sondern kann direkt von Search / Maps / etc. aus Daten löschen. (9to5Google)

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Tipps, Tricks und Apps

Podcast machen: Andreas Sator teilt mit uns eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Frage, wie man eigentlich einen Podcast macht. (Andreas Sator) Danke, Andreas!