Was ist

TikToks Führungsriege plant groß: 200 Milliarden Dollar Umsatz soll die neue Shopping-Funktion TikTok Shop bis 2028 generieren (The Information). Als Vorbild dient die chinesische Schwester-App Douyin, die bereits seit vielen Jahren für enorme Umsätze sorgt (Economist).

Es ist dem Erfolg von Douyin zu verdanken, dass ByteDance überhaupt das nötige Kapital aufbringen konnte, um TikTok im Westen zu etablieren. Nun will das Unternehmen einmal mehr von Douyin profitieren: Von ihr stammt das Playbook, an dem sich TikToks Managerïnnen orientieren, um TikTok Shop zum Erfolg zu verhelfen.

Wie TikTok vorgeht

Damit TikTok Shop ein Erfolg wird, wird sehr viel Geld in die Hand genommen. Allein dieses Jahr rechnen die Verantwortlichen in den USA mit mehr als 500 Millionen Dollar Verlust. Das Geld wird benötigt, um Mitarbeiterïnnen einzustellen, Creator davon zu überzeugen, Videos für TikTok Shop zu produzieren, Rabatte auf TikTok-Shop-Einkäufe zu gewähren und um ein eigenes Logistik-Netz aufzubauen.

  • Einstieg in Logistikbranche: In Großbritannien hat TikTok jüngst ein neues Logistik-Programm ins Leben gerufen: „Fulfilled by TikTok“ bietet für Shop-Betreiber quasi einen Rundumservice, damit sie sich auf „marketing, content and product development“ konzentrieren können (TikTok Newsroom). Lagerung, Kommissionierung, Verpackung und Versand übernimmt TikTok.
  • Creator spielen zentrale Rolle: Rund Zweidrittel der Käufe bei TikTok Shop sind darauf zurückzuführen, dass Creator Produkte in ihren Kurzvideos vorgestellt haben (The Information). Mit diversen Incentives sollen Creator daher nun davon überzeugt werden, noch häufiger Produkte in ihren Videos zu präsentieren.
  • Mehr Live-Shopping: Livestreams spielen in China eine gewichtige Rolle beim Thema E-Commerce. Um Creator im Westen davon zu überzeugen, ebenfalls mehr Livestreams anzubieten, die zum Shopping verleiten, bietet TikTok auch hier diverse finanzielle Anreize.
  • Affiliate-Marktplatz: Zudem arbeitet TikTok an einem Marktplatz, über den Creator mit Marken zusammenfinden können — etwa um Provisionen auszuhandeln.
  • Keine Links zu Mitbewerbern: Ferner denkt TikTok wohl auch darüber nach, Links zu Mitbewerbern zu verbieten, um Userïnnen dazu zu bringen, TikTok Shop zu nutzen. Ob das aber wirklich passiert und was Kartellwächter dazu sagen, bleibt abzuwarten.

Be smart

Amazon ist der Platzhirsch, wenn Leute wissen, was sie kaufen wollen. Also beim Thema „search-based commerce“. TikTok möchte die Nummer Eins werden, wenn es darum geht, Menschen Dinge zu verkaufen, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben wollten. Stichwort „discovery-based commerce“.

Dafür braucht es aber viele Videos, in denen Produkte gefeatured werden, die auf der Plattform erworben werden können. Das verändert unweigerlich die Dynamik auf der Plattform. Schon jetzt berichten Userïnnen, dass ihnen vermehrt Videos angezeigt werden, die zum Shoppen verleiten sollen. Keine klassischen Anzeigen, sondern Videos, in denen Creator irgendwelches Zeug vorstellen.

TikTok wird ein gutes Maß finden müssen, um Nutzerïnnen nicht zu verprellen. Ansonsten geht der Shopping-Plan nach hinten los.


Social Media & Politik

  • Auch Snap bietet EU-Nutzerïnnen Feed ohne Personalisierung: Nachdem TikTok und Meta bereits erklärt haben, dass sie künftig gemäß der Anforderungen des Digital Services Act Feeds ohne algorithmische Sortierung anbieten, zieht Snap nach: Auch bei Snapchat wird es Usern bald möglich sein, einen chronologischen Feed zu nutzen (TechCrunch). Warum die Politik aber überhaupt darauf drängt, dass es überall (Stories, Reels ?!?) chronologische Feeds gibt, verstehen wir nicht so ganz. Die Zahlen zeigen doch eigentlich eindeutig, dass User das eh nicht wollen (Wired).

Follow the money

  • Wie eng uns Datenhändler auf die Pelle rücken: Für Online-Werbung wollen Datenhändler genau wissen, wie viel Geld wir haben, wie viele Kinder, welche Gebrechen. Eine Datenrecherche von Netzpolitik zeigt die Dimension des Geschäfts im EU-Ländervergleich.
  • TikTok plant Einführung von Anzeigen bei Suchergebnissen: Wo wir gerade beim Thema Online-Werbung sind: Bald können Werber wohl auch Anzeigen in den Suchergebnissen bei TikTok platzieren. (TechCrunch)

Social Media & Journalismus

  • Traffic von X ebenfalls runter: Es sieht ganz so aus, als wäre der von uns in der vergangenen Ausgaben angesprochene Traffic-Rückgang kein reines Facebook-Phänomen (Ausgabe #898). Auch mit Blick auf X (ehemals Twitter) wird von deutlichen Einbußen berichtet. So hat Automattic, die Firma hinter WordPress und Tumblr, herausgefunden, dass der Traffic von X zu 25 zufällig ausgewählten Publishern (Zeitraum Frühjahr 2022 bis Frühjahr 2023) durchschnittlich um 24 Prozent eingebrochen ist. Die Datenspezialisten von Similarweb nennen noch deutlichere Einbrüche (Digiday):
  • BBC: minus 20%
  • BuzzFeed: minus 70%
  • CNN: minus 41%
  • Fox News: minus 39%
  • The Guardian: minus 29%
  • NBC News: minus 38%
  • New York Times: minus 35%
  • Reuters: minus 67%
  • Wall Street Journal: minus 42%
  • Washington Post: minus 48%

    Nun gibt es immer wieder Schwankungen. Allein der Überfall auf die Ukraine dürfte im Frühjahr 2022 für deutlich mehr Traffic gesorgt haben. Auch lassen sich die großen Verluste bei X sicherlich mit der schwindenden Nutzerzahl und dem veränderten Nutzungserlebnis erklären. Aber dass die Einbußen so drastisch ausfallen, überrascht dann doch.

    So bleibt die Frage, wie darauf zu reagieren ist:

    • Twitter war schon immer kein großer Traffic-Lieferant. Was spricht also noch dafür, Inhalte auf X zu posten, wenn die Zahlen nun noch weiter zurückgehen?
    • Welche anderen Apps könnten künftig als Traffic-Bringer fungieren?

    Wir freuen uns sehr, wenn du uns dazu Feedback geben könntest — als Antwort auf diese Newsletter-Ausgabe oder bei Slack.

  • LinkedIn lebt: Vielleicht ist ja LinkedIn der nächste große Traffic-Lieferant. Während sich alle anderen Netzwerke entweder permanent neu erfinden (müssen) oder dabei sind, sich abzuschaffen, strahlt Microsofts Karriereportal eine bemerkenswerte Ruhe aus: „For social media users looking to engage in some old-fashioned self-promotional posting, LinkedIn is the only place left.“ (Bloomberg) Aber nicht nur das: LinkedIn wird auch immer mehr zum Ort, um (fast) echte Gefühle zu zeigen. Überall Menschen, die Fehler machen, sich lieber um Familie und Kinder kümmern, ja, sogar manchmal darüber berichten, dass etwas nicht geklappt hat und sie überfordert sind vom Job und der Welt. Sehr gut! Wurde ja auch mal Zeit. Ist ja immerhin 2023. LinkedIn freut es: Der Umsatz hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdreifacht, Nutzerïnnen teilen heute 40 Prozent mehr Inhalte als noch 2021. Soweit so interessant. Stellt sich nur eine Frage: Ist der Beruf Thinkfluencer eigentlich schon von der IHK anerkannt?
  • The New Statesman ist jetzt komplett bei Substack mit seinen Newslettern: Als erster großer Publisher ist The New Statesman nun all in gegangen und vertreibt seine Newsletter ausschließlich über Substack. Industrie macht Auge. (Press Gazette)

Academia

  • Tausende Wissenschaftlerïnnen ziehen sich von Twitter zurück: Nature hat sich unter Forschenden umgehört, wie sie es denn so mit dem neuen Twitter halten. Long story short: Nicht gut. Doch die Suche nach Alternativen gestaltet sich schwierig. Die meisten haben bei Mastodon einen Account eröffnet. Andere zieht es zu LinkedIn. Wieder andere zu Instagram. Selbst bei TikTok suchen nun manche ihre Bubble. Aber am liebsten wäre es allen, wenn ihnen Elon Musk ihr altes Twitter zurückgeben könnte.

Next

  • Meta: Neue KI-Übersetzungssoftware: Meta hat ein neues KI-Modell kreiert, das fast 100 Sprachen übersetzen und transkribieren kann. For free. Sehr zum Ärger der anderen KI-Platzhirschen. (TechCrunch)

Schon einmal im Briefing davon gehört

  • Bei TikTok gibt es 39.000 Accounts mit über 1 Million Follower: Was sind eigentlich 1 Million Follower wert? Mmh, kommt drauf an. Früher™ schien das komplett zu reichen, um ein feines Leben als Influencerïn zu führen: Hier eine Reise, da ein Konzert und immer einen Haufen E-Mails im Postfach mit nicen Business-Opportunities.

    Im TikTok-Zeitalter aber gilt diese Rechnung nicht mehr so ohne weiteres. Auf keiner anderen Plattform gibt es so viele Follower-Millionäre: mehr als 39.000! Das sind 16.000 mehr als bei Instagram und 6200 mehr als bei YouTube. Ein gewaltiger Unterschied. (Time)

    Während sich das Gros der Creator bei YouTube und Instagram vor (zum Teil durchaus cringen) parasozialen Beziehungen kaum retten können, ist die Verbindung von Fan zu Creator bei TikTok oftmals viel loser. Ein Grund: Um möglichst schnell viele Creator anzulocken, hat TikTok über Jahre hinweg ordentlich die Follower-Lotterie angeschmissen. Frei nach dem Motto: Wer sich hier versucht, kann ganz schnell ganz groß werden.

    Heute aber ist die reine Follower-Zahl daher oft kaum etwas wert. Durch TikToks Algorithmus spielt es kaum eine Rolle, ob jemand viele Follower hat oder nicht. Die Creator müssen sich immer wieder aufs Neue beweisen. Ob 1 Mio Follower oder nicht.


Neue Features bei den Plattformen

Meta

  • Meta hat angekündigt, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Instagram DM und Facebook Messenger bis zum Ende des Jahres eingeführt werden soll. Nein?? Doch!! (The Verge)

LinkedIn

  • LinkedIn hat sein Newsletter-Tool überarbeitet. Userïnnen können jetzt mehrere Newsletter gleichzeitig anbieten. Zudem gibt es nun die Funktion, dass Newsletter-Abonnentïnnen automatisch dem Profil der Autorïn folgen. (Social Media Today)
  • LinkedIn arbeitet ferner an einem KI-Assistenten, der u.a. dabei helfen soll, das Profil aufzuhübschen, sowie einen Job zu finden. (The Tape Drive)

Spotify

  • Spotify hat eine Reihe neuer Features für Podcaster im Angebot: Landingpages, bessere Analytics und vereinfachte Möglichkeiten, Anzeigen zu schalten. (Spotify for Podcaster)