Liebe Leserin, lieber Leser, ich, Martin, habe vor kurzem ein kleines Social-Media-Manifest geschrieben, in dem ich beschreibe, wie ich Social Media (fortan) nutzen möchte. Gern möchte ich die Ideen heute mit dir teilen. Hier also der Text, den ich drüben auf social-media-manifest.de veröffentlich habe:
Ich befinde mich in einem Informationskrieg. Klingt dramatisch, ich weiß. Ist aber so. Ein Großteil dieses Kampfes findet in den sozialen Medien statt. Ich bin dabei in aller Regel nicht nur Beobachter, sondern fast immer auch aktiver Teilnehmer. In Form von Posts, Likes, Reposts, Kommentaren. Dabei verfolge ich doch gute Absichten.
Ich will auf Missstände hinweisen, auf absurde Vorschläge aufmerksam machen, meinem Ärger über die Ungerechtigkeiten in dieser Welt Luft verschaffen. Doch mit all meinen Interaktionen verstärke ich viel zu oft ungewollt die eigentlichen Botschaften. Ich werde zum Multiplikatoren von Narrativen, die ich ablehne. Ich falle auf die Strategie rechter Populisten herein.
Ich möchte da nicht mehr mitmachen. Ich nehme mir vor, bei der Nutzung sozialer Medien von jetzt an auf folgende Ideen zu achten:
- Ich verstärke keine rechten Narrative. Sei der Post meinerseits auch noch so gut gemeint. Ich teile keine rechten Inhalte - weder als Witz, noch um Dampf abzulassen. Schon gar nicht, um selbst viele Interaktionen einzuheimsen.
- Ich hinterfrage stets, was die Absicht hinter der Botschaft ist, die mich erreicht. Handelt es sich wirklich um einen substanziellen Vorschlag? Oder geht es dem Gegenüber nur um Reichweite und Aufmerksamkeit?
- Ich überprüfe, was ich teile. Ich teile nicht blind Posts, ohne mich zu vergewissern, dass der Post wirklich wiedergibt, was im Artikel, im Podcast, im YouTube-Video zu lesen, zu hören und zu sehen ist. Ich teile keine Desinformationen.
- Ich zeige mich solidarisch und empathisch mit Menschen, die in den sozialen Medien angegangen werden. Autoritäre Kräfte zielen immer darauf ab, Menschen zu verunsichern, sie in die Enge zu treiben, sie verstummen zu lassen. Das lasse ich nicht zu.
- Ich unterstütze unabhängige Medien nach besten Kräften - sei es durch das Teilen von gut recherchierten Beiträgen oder über eine Mitgliedschaft. Guter Journalismus ist ein Eckpfeiler der Demokratie. Ohne finanzielle Zuwendung kann keine Redaktion auf Dauer bestehen.
- Ich benehme mich in den sozialen Medien gegenüber anderen Menschen so, wie ich es auch mit meinen Freunden, Bekannten und Verwandten halten würde. Ich verzichte auf Spott und Häme, mache keine Witze auf ihre Kosten, erhebe mich nicht über sie. Wenn ich über Dritte rede, dann erwähne ich sie auch.
- Ich lasse mich nicht von den Inhalten in den sozialen Medien provozieren, runterziehen. Ich meide Doomscrolling und bringe mich jenseits des Internets ein - über Interaktionen mit Menschen vor Ort in Gruppen, Vereinen und Institutionen. Ins Internet weinen hilft nicht.
- Ich teile positive Inhalte. Die (sozialen) Medien sind voller Hass, Häme und Spott - das zieht ganz schön runter. Ich versuche so oft es geht, Inhalte zu teilen, die ermutigen und Kraft geben.
- Ich mische mich ein, ohne belehrend zu sein. Tone Policing bringt rein gar nichts. Sich aber konstruktiv in eine Debatte einzubringen, kann ein Gewinn sein.
- Ich bleibe optimistisch und lasse mir nicht einreden, dass die Welt dem Untergang geweiht ist. Populisten und rechte Claquere haben zum Ziel, Verunsicherung zu stiften. Sie wollen, dass ich mich kraft- und mutlos fühle. Dagegen wehre ich mich mit Kräften.
- Ich bleibe fokussiert. Auch wenn die Verlockung auf Aufmerksamkeit und Reichweite noch so groß sein mag, verkneife ich mir den schnellen Post. Faschismus ernährt sich von Zynismus und Pessismus. Auf dieses Niveau lasse ich mich nicht runterziehen.
- Ich nutze nach Möglichkeit keine Plattformen, deren primäres Ziel darin besteht, meine Aufmerksamkeit an Werbetreibende zu verkaufen. Ich achte darauf, wie viel Zeit ich auf diesen Plattformen verbringe und prüfe, ob es nicht Alternativen gibt - privat wie beruflich.
- Ich achte auch bei Social Media auf Klimaschutz. Jeder Post, jede Interaktion, jedes Refresh, jeder Griff zum Smartphone verbraucht Energie und damit Ressourcen.
- Ich nutze Social Media inklusiv. Wenn es die Möglichkeit gibt, Bildbeschreibungen zu verwenden, tue ich das auch.
- Ich gebe Quellen an. Ich stelle keine Behauptungen auf, ohne Belege zu liefern.
Wenn dir diese Ideen auch sinnvoll erscheinen, freue ich mich. Teile das Briefing gern mit Freunden und Kollegen. Vielleicht schaffen wir es so, den Kreislauf aus Dauer-Empörung zu durchbrechen. Falls nicht, freue ich mich über Hinweise per E-Mail: gern direkt als Reply auf diesen Newsletter.
And now, on to the update 😄
Social Media & Politik
- EU-Vertreter warnen vor möglichen Risiken durch soziale Netzwerke wie TikTok und X bei der Bundestagswahl. Doch ob vor der Wahl noch Sanktionen verhängt werden, sei laut Nachrichtenagentur AFP unklar. Die Angst vor US-Zöllen könnte dazu führen, dass der DSA nicht so zur Anwendung kommt wie vorgesehen. (Spiegel)
- Wie Elon Musk X zu einem "privaten Club" umgebaut hat: Die Washington Post beschreibt, wie Musk auf X seine Fans hinter sich versammelt und so seine Machtposition weiter ausbaut.
- Wie Elon Musk X nutzt, um seine Gegner öffentlich zu diskreditieren: Zahlreiche Kritiker werfen Musk vor, die Plattform primär für persönliche Machtkämpfe zu missbrauchen, schreibt The New York Times.
- Reddit verhängt Verbote gegen Communities, die zur Gewalt gegen Musks DOGE-Mitarbeiter aufrufen. Extremismus in alle Richtungen… (The Verge)
- “You Can’t Post Your Way Out of Fascism“: Die Kollegïnnen von 404 Media analysieren, wie Tech-CEOs und autoritäre Regierungen mit Social-Media-Postings und Doomscrolling von wichtigen realen gesellschaftlichen Bewegungen ablenken. Echter Wandel lasse sich nur jenseits des Netzes fördern, argumentieren sie.
- Google hat seine Diversity-Hiring-Ziele aufgegeben und stellt weitere Diversity-Programme auf den Prüfstand. Das Unternehmen folgt damit den (Negativ-) Beispielen von Meta und Amazon. (Wall Street Journal)
- Aber, aber: Während Google, Meta und Amazon ihre Diversity-Programme reduzieren, halten Apple und Microsoft daran fest. Beide Unternehmen betonen, wie wichtig ihnen Inklusion und Teilhabe sei. Also zumindest fürs Geschäft. (Bloomberg Law)
- US-Kongressabgeordnete planen ein Gesetz, das DeepSeek von Regierungsgeräten verbannen soll. Dadurch soll ein potenzieller Zugang der chinesischen Regierung zu Nutzerdaten verhindert werden. Ein ähnliches Vorgehen haben wir bereits bei TikTok gesehen. (Wall Street Journal)
Follow the money
- Kann ByteDance auf das US-Geschäft von TikTok verzichten? TikTok erzielte in den USA im letzten Jahr rund neun Milliarden US-Dollar Umsatz. Dieses Jahr könnte der Umsatz auf gut zwölf Milliarden US-Dollar steigen, was etwa einem Viertel des gesamten Umsatzes von TikTok entspricht. Mit Blick auf den Gesamtumsatz von ByteDance macht TikToks US-Umsatz aber lediglich sieben Prozent aus. Könnte ByteDance sich also einfach dafür entschieden, das US-Geschäft aufzugeben? Oder bleibt die US-Märkte für TikTok strategisch von so großer Bedeutung, dass TikTok ohne den US-Markt gar nicht denkbar wäre? (The Information)
- US-TikTok: Auswirkungen der unklaren Rechtslage auf das Werbegeschäft: Brechen Werbekunden eigentlich das Gesetz, wenn sie Anzeigen bei TikTok in den USA schalten? Nein, nein, versichert das Unternehmen. Alles fein. Doch so ganz können sie die Unsicherheit damit nicht aus der Welt schaffen, berichtet Adweek.
- YouTube wirbt bei TikTok, um Creator abzuwerben. Snap hatte bereits ähnliche Anzeigen geschaltet. (Bloomberg)
- YouTubes Anzeigengeschäft boomt: Die Ergebnisse des vierten Quartals haben für leichte Irritationen bei Alphabets Anlegern gesorgt. So hatten sie sich das nicht vorgestellt. Die Umsätze von YouTube hingegen haben viele überrascht: Die Video-Plattform wird zunehmend zum Umsatzmotor für Alphabet. (Deadline)
- Spotify hat zum ersten Mal ein profitables Gesamtjahr gemeldet. Na, da haben sich die dreistelligen Millionenverträge mit Rechtsaußen-Podcaster Joe Rogan ja richtig gelohnt. Herzlichen Glückwunsch! (Wall Street Journal)
- Snapchat steigert Nutzerzahlen und Umsatz: Um erstaunliche neun Prozent konnte Snapchat bei den täglich aktiven Usern zulegen. Der Umsatz stieg im vierten Quartal gar um 14 Prozent. Zur Feier des Tages macht Snap-CEO Evan Spiegel einen auf Insta-Chef Adam Mosseri und wird nun auch zum Corporate Influencer. (Fortune)
Next (KI, AR, VR, Metaverse)
- Google verabschiedet sich von seinem früheren Versprechen, Künstliche Intelligenz nicht für Waffensysteme zu nutzen. Das Unternehmen hat seine KI-Prinzipien überarbeitet und schließt nun militärische Anwendungen nicht mehr grundsätzlich aus. (Platformer)
- Nutzer von ChatGPT müssen sich nicht mehr anmelden, um die hauseigene Suchmaschine zu nutzen. Ob das daran liegen könnte, dass Google zunehmend mehr Gefallen an KI-generierten Antworten findet? The Verge)
- Google Photos fügt SynthID-Wasserzeichen zu Fotos hinzu, die mit der generativen KI-Funktion Magic Editor bearbeitet wurden. Damit sollen bearbeitete Bilder klarer gekennzeichnet und die Transparenz bei KI-Inhalten verbessert werden (The Verge). Es wird die Zeit kommen, da werden wir nicht die Inhalte gesondert kennzeichnen, die mit einer KI kreiert wurden, sondern das, was von Menschen erstellt wurde. Hashtag: Bio.
Leseempfehlungen
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Neue Features bei den Plattformen
- Instagram testet eine neue Pause-Funktion für Reels, die es Nutzerïnnen ermöglicht, Videos mit einem Tap zu starten und zu stoppen. Ähnlich wie bei TikTok. Oder bei einem VHS-Rekorder.
Threads
- Threads ermöglicht es Usern, eigene Feeds zu teilen. Bluesky so: 🫣 (Threads / Zuck)
Apple
- Apple hat eine "Invites"-App lanciert, mit der Nutzerïnnen Veranstaltungen planen können (MacRumors). Das wird Facebook gar nicht gefallen. Oder gibt es noch eine andere Funktion, für die Facebook derzeit noch genutzt wird?
- LinkedIn führt neue Video-Updates ein — z.B. ein TikTok-ähnliches "For You“-Feature für den Desktop. Ferner gibt LinkedIn seinen Usern eine neue Metrik an die Hand: Künftig steht vor allem die durchschnittliche Wiedergabedauer von Videos im Fokus. (Search Engine Journal)
Snapchat
- Snapchat führt neue Funktionen für Snapchat+ Abonnenten ein, darunter die Möglichkeit, KI-generierte Sticker in Chats zu erstellen. (Snap)
Tapestry
- Tapestry ist endlich am Start! Die App kombiniert Beiträge aus sozialen Netzwerken wie Bluesky, Mastodon und Tumblr sowie RSS-Feeds, Podcasts und YouTube. Alle Inhalte werden chronologisch angezeigt und können nach Belieben gefiltert werden. Spannend! (AppStore)
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