Was ist

Im Mai betitelten wir einen unserer Newsletter: "OpenAI ist auch nur ein stinknormales Tech-Unternehmen". Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben diese Zeile gut altern lassen. Es wird immer deutlicher, dass der Gründungsmythos von OpenAI als gemeinnütziges Forschungslabor zum Wohle der Menschheit nur noch Fassade ist. Sam Altman will und muss jetzt Geld verdienen.

Bei einer aktuellen Finanzierungsrunde sammelte OpenAI Milliarden ein und ist nach ByteDance und SpaceX das drittwertvollste Start-up. Doch die Investoren geben wenig auf Altruismus, sie wollen Rendite sehen. Das führt intern zu Spannungen, Dutzende hochrangige Forscherinnen und Manager haben das Unternehmen verlassen.

Einerseits hat Altman OpenAI zu beispiellosem Erfolg geführt. Andererseits hat er das Start-up so drastisch verändert und kommerzialisiert, dass er riskiert, die talentiertesten Angestellten zu verlieren.

Wie OpenAI sich selbst darstellt

Bis heute steht auf der Homepage von OpenAI:

OpenAI is an AI research and deployment company. Our mission is to ensure that artificial general intelligence benefits all of humanity. We are building safe and beneficial AGI, but will also consider our mission fulfilled if our work aids others to achieve this outcome.

Altman inszeniert sich und sein Unternehmen als das gute Gewissen des Silicon Valley. In einem lilafarbenen Kasten warnt OpenAI in fetter Schrift:

It would be wise to view any investment in OpenAI Global, LLC in the spirit of a donation, with the understanding that it may be difficult to know what role money will play in a post-AGI world. The Company may never make a profit, and the Company is under no obligation to do so.

Auch die Struktur ist ungewöhnlich. Ein formal unabhängiger Verwaltungsrat und eine gemeinnützige Organisation kontrollieren den kommerziellen Ableger. Altman hält als Gründer keine Anteile und wird nicht direkt an Gewinnen beteiligt. All das soll sicherstellen, dass OpenAI seine Gründungsideale verfolgt: sichere KI-Modelle zu entwickeln, die der gesamten Menschheit dienen.

Wie die Realität aussieht

  • Wenn Start-ups zu Weltkonzernen wachsen, treten die Ideale der Anfangszeit oft in den Hintergrund. Hehre Worte werden durch Werte ersetzt, die Investorinnen und Aktionäre glücklich machen.
  • So war es bei Apple (Steve Jobs’ Mission: "To make a contribution to the world by making tools for the mind that advance humankind"), Google ("Don't be evil") und Facebook ("Make the world more open and connected").
  • Bei OpenAI klaffen Anspruch und Wirklichkeit besonders weit auseinander. Die selbst formulierten Ideale der elf Gründerïnnen sind längst in den Hintergrund getreten.
  • Für Offenheit steht nur noch der Name, gearbeitet wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Organisation, die sich in den Dienst der Menschheit stellen wollte, erhielt Milliarden Dollar von Microsoft, entwickelt Software für Geschäftskunden, verkauft Abonnements für ChatGPT und beschäftigt Dutzende Lobbyistïnnen, um KI-Regulierung zu beeinflussen.
  • In den Monaten nach der Veröffentlichung von ChatGPT vor knapp zwei Jahren warnte Altman noch regelmäßig vor den enormen Risiken mächtiger KI-Modelle. Dabei fokussierte er sich auf hypothetische Szenarien und schürte Panik vor der angeblichen KI-Apokalypse.
  • Die sehr realen Schattenseiten wie Jobverlust, Ausbeutung, Diskriminierung und Machtkonzentration ließ Altman schon damals eher unter den Tisch fallen. Wir kritisierten diese Strategie damals als bewusste Fokusverschiebung und Criti-Hype (SMWB).
  • Mittlerweile entwirft Altman nur noch selten Dystopien, in denen intelligente Maschinen die Macht übernehmen. Die Apokalypse scheint als Marketing-Instrument ausgedient zu haben. Jetzt geht es ums Geldverdienen.

Wie sich OpenAI im Eiltempo kommerzialisiert

In den vergangenen Wochen sind drei Dinge geschehen, die verdeutlichen, in welche Richtung sich OpenAI entwickelt und welche Probleme das mit sich bringt:

1. Die Finanzierungsrunde

  • Anfang Oktober sammelte OpenAI 6,6 Milliarden Dollar ein. Das entspricht einer Bewertung von 157 Milliarden Dollar.
  • Unter anderem beteiligten sich der Chipentwickler Nvidia, ein Staatsfonds aus Abu Dhabi und mehrere Risikokapitalgeber aus den USA. Auch Microsoft investierte erneut, der Konzern ist bereits mit 13 Milliarden Dollar beteiligt.
  • Um potenzielle Geldgeber zu überzeugen, erzählten Altman und Finanzchefin Sarah Friar eine beeindruckende Erfolgsgeschichte (NYT).
  • Seit Anfang 2023 sei der monatliche Umsatz um 1700 Prozent gestiegen. Woche für Woche nutzten mehr als 250 Millionen Menschen ChatGPT, mehr als zehn Millionen davon bezahlten 20 Dollar pro Monat.
  • Für das laufende Jahr rechnet man mit 3,7 Milliarden Dollar Umsatz, 2025 soll sich die Zahl mehr als verdreifachen. In fünf Jahren möchte man die Marke von 100 Milliarden Dollar knacken.
  • Noch einmal zur Erinnerung: OpenAI ist formal eine gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsicht. Man stellt sämtliche Investitionen als "eine Art Spende" dar und behauptet, dass man es nicht darauf anlege, Geld zu verdienen.
  • Wir bezweifeln, dass die Kapitalgeber an diese Worte glauben. Sie sehen ihre Investition als gutes Geschäft und sind überzeugt, dass OpenAI in Zukunft Gewinne abwerfen wird.

2. Die Umstrukturierung

  • Kurz vor Abschluss der Finanzierungsrunde wurde bekannt, dass OpenAI sich eine neue Struktur geben möchte ((Reuters)). Künftig soll die Aufsicht durch Verwaltungsrat und gemeinnützige Muttergesellschaft wegfallen.
  • Die neue Unternehmensform wäre dann die einer Benefit Corporation. Man arbeitet profitorientiert, schreibt aber das Gemeinwohl als weiteres Unternehmensziel fest. Gewinne werden an Gesellschafterïnnen ausgeschüttet.
  • Im Pitch-Deck der Finanzierungsrunde soll OpenAI potenziellen Investoren versprochen haben, dass man innerhalb von zwei Jahren zu einem gewinnorientierten Unternehmen wird. Sonst muss OpenAI das Kapital samt Zinsen zurückzahlen (The Information).
  • Weitere Details und Zeitplan der geplanten Umstrukturierung sind nicht bekannt. OpenAI hat die Berichte bislang weder bestätigt noch dementiert.
  • Ändern könnten sich auch die Eigentumsverhältnisse. Angeblich soll Altman sieben Prozent des Unternehmens erhalten (Bloomberg).
  • Dieser bezeichnete die Berichte bei einem internen Meeting als "lächerlich" (The Infomation). Damit bezog er sich aber wohl nur auf die Größe der Anteile. Denn Bret Taylor, der Vorsitzende des Verwaltungsrats, bestätigte, dass man diskutiert habe, Altman an OpenAI zu beteiligen.

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