Salut und herzlich willkommen zu unserer dritten Takeover-Ausgabe des Sommers. Wie angekündigt, verschicken wir in den kommenden Wochen gehaltvolle Gastartikel von Menschen aus dem Watchblog-Universum. Wir überlassen unseren Gästen dabei komplett das Feld und freuen uns sehr, dass sie sich bereit erklärt haben, uns an ihrer Expertise teilhaben zu lassen. Die heutige Ausgabe kommt von Dirk von Gehlen, Director Think Tank am SZ-Institut.


Das Internet, wie wir es kennen, ist kein naturgegebenes Phänomen, sondern Ergebnis sozialer Übereinkunft – und deshalb anfällig für Veränderungen einerseits, aber andererseits auch offen für Verbesserung.

Eine der größten Lügen meiner digitalen Alphabetisierung war die Behauptung „Das Internet vergisst nichts“. Hätte ich mich darauf verlassen, würde mir heute jede Menge Wissen fehlen – mindestens jedoch all das, was das Internet vergessen hat. Webseiten wurden umgebaut, Datenbanken aktualisiert und soziale Netzwerke abgewickelt – und mit jedem dieser Schritte gingen Daten verloren, die als unvergesslich angekündigt waren. Weil dieses Prinzip nicht nur für veröffentlichte Daten gilt, scheint mir die relevantere Lektion der digitalen Alphabetisierung die persönliche Erinnerung an die digitale Vergänglichkeit zu sein: „Kein Backup – kein Mitleid“.

Der Schmerz, den ich durch den Verlust von Twitter spüre, ist vergleichbar mit dem Gefühl, das sich einstellt, wenn Daten unwiederbringlich verloren gehen. Dabei geht es allerdings nicht so sehr um die Werke, sondern vor allem um das Netzwerk(en) – also um die Verbindung und den Austausch, die ich nicht einfach auf einer externen Festplatte sichern kann. Es ist dennoch vergleichbar mit dem Verlust von Daten – und eine Illustration für die digitale Vergänglichkeit, die ich zum Einstieg gewählt habe, um deutlich zu machen: Wir sollten regelmäßig reflektieren, wie fragil die digitale Infrastruktur eigentlich ist, die sich so dominant in unser Leben gedrängt hat, dass sie bei ungenauem Hinsehen von manchen als Sucht interpretiert wird. Das Internet, wie wir es kennen, ist kein naturgegebenes Phänomen, sondern Ergebnis sozialer Übereinkunft – und deshalb anfällig für Veränderungen einerseits, aber andererseits auch offen für Verbesserung.

Dass das gleichermaßen Chance und Risiko ist, ist wohl selten so deutlich geworden wie in den vergangenen Monaten, in denen wir nicht nur den Niedergang von Twitter beobachten konnten, sondern unter anderem durch Frank McCourt daran erinnert wurden, dass ein anderes (besseres) Netz möglich ist.

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