Was ist

Instagram führt Teen-Konten ein, die automatisch für 13-17-Jährige aktiviert werden. Manche Schutzfunktionen gibt es schon seit einer Weile, einige sind neu. Die beiden wohl wichtigsten Änderungen: Accounts von Jugendlichen werden künftig standardmäßig auf privat gestellt, und für jede Lockerung der Beschränkungen braucht es die Zustimmung eines Elternteils oder einer erziehungsberechtigten Person.

Warum das wichtig ist

Schadet Social Media der mentalen Gesundheit von Jugendlichen? Diese Debatte ist so alt wie die Plattformen selbst (und wird in Abwandlungen seit Hunderten Jahren geführt, wenn man Social Media durch Fernsehen, Radio, Comics oder das gedruckte Buch ersetzt). In den vergangenen Jahren hat sich der Ton verschärft. Dies- und jenseits des Atlantiks drohen den Konzernen Klagen und einschneidende Regulierung. Eine kleine Auswahl:

  • Die EU-Kommission ermittelt wegen des Verdachts auf Verstöße gegen den Jugendschutz gegen Meta und TikTok (Tagesschau, SZ).
  • Vergangenes Jahr reichten 41 US-Bundesstaaten Klage gegen Meta ein (Washington Post), weil Instagram und Facebook Funktionen enthalten sollen, die Kinder und Jugendliche süchtig machen.
  • Im Juni forderte Vivek Murthy, der Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes der USA, Warnhinweise für soziale Medien (NYT). Vor einer Woche schlossen sich Dutzende US-Bundesstaaten an (The Verge).
  • Aktuell arbeiten die USA am Kids Online Safety Act (KOSA), der im Juli vom Senat beschlossen wurde. Das Gesetzgebungsverfahren stockt aber im Repräsentantenhaus. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind drastisch und umstritten (Techdirt).

Gleichzeitig toben hitzige Diskussionen unter Forscherinnen und Experten, die sich am besten so zusammenfassen lassen: Es ist kompliziert. Zwischen Kulturpessimismus und Techno-Naivität finden sich zum Glück differenzierte Stimmen, die einen guten Überblick der Positionen geben:

  • No one knows exactly what social media is doing to teens (The Atlantic)
  • What if the panic over teens and tech is totally wrong? (Vox)
  • Inside the debate over The Anxious Generation (Platformer)

Zumindest eines kann man festhalten, ohne die Empörung der einen oder der anderen Seite auf sich zuziehen: Social-Media-Konsum ist nicht für alle Teenager schädlich, aber manchen ginge es mit weniger Bildschirmzeit besser. Wie groß die beiden Gruppen sind und was davon Korrelation und Kausalität ist, soll die Wissenschaft klären.

Was Instagram ändert

Die Teen-Konten werden ab sofort für Instagram in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien eingeführt (Instagram-Blog). Staaten der EU, darunter Deutschland, sollen bis Jahresende folgen. Anfang 2025 folgt dann der Rest der Welt. Im Laufe des Jahres erreichen die Funktionen auch Facebook und Threads.

Das sind die zentralen Änderungen:

  • Veto-Recht für Eltern: Wenn Jugendliche unter 16 Jahren eine der folgenden Schutzfunktionen aufheben wollen, müssen Eltern oder Erziehungsberechtigte zustimmen. Diese benötigen dafür ebenfalls einen Instagram-Account, über den sie das Konto ihres Kindes beaufsichtigen (Instagram). 16- und 17-Jährige können die Einstellung selbst ändern, wenn für ihren Account keine Elternaufsicht eingerichtet wurde (Instagram).
  • Private by default: Alle Teen-Konten sind standardmäßig privat. Wer dem Account nicht folgt, sieht also keine Inhalte. Neue Follower müssen bestätigt werden, zudem gibt es Beschränkungen beim Nachrichtenempfang, Markierungen und Erwähnungen. Bestehende Konten von 13-15-Jährigen werden automatisch auf privat umgestellt. Wer 16 oder 17 Jahre alt ist und bereits ein öffentliches Konto besitzt, ist dagegen nicht betroffen.
  • Content-Filter: Für Jugendliche wird der Filter für sensible Inhalte automatisch aktiviert. Sie sehen also weniger solche Inhalte bei Suchen, im Empfehlungsbereich und im Feed. Potenziell anstößige Kommentare und Nachrichtenanfragen werden verborgen.
  • Zeitlimits und Schlafmodus: Nach 60 Minuten täglichen Nutzung erscheint eine Erinnerung, die App zu schließen (die sich aber ohne Folgen ignorieren lässt). Zwischen 22 und 7 Uhr werden Benachrichtigungen stummgeschaltet und automatische Antworten auf Direktnachrichten gesendet.
  • Weitgehende Elternaufsicht: Neben dem Veto-Recht erhalten Eltern tiefgehende Einblicke in die Instagram-Nutzung ihres Kindes. Sie können zwar keine Nachrichteninhalte lesen, erfahren aber, mit wem Jugendliche chatten, können harte Zeitlimits setzen und die Nutzung zu bestimmten Zeiten blockieren.

Was das bedeutet

Die Reaktionen decken ein großes Spektrum ab. US-Medien zitieren zahlreiche Politikerinnen, Aktivisten und Forschende, die wahlweise von wirkungsloser Symbolpolitik sprechen oder die Maßnahmen für einen entscheidenden Schritt halten (NYT, WSJ, Washington Post, Atlantic). Wenig überraschend schließt sich Instagram der zweiten Sichtweise an. In mehreren Artikeln taucht Adam Mosseri auf, der in allen Interviews sinngemäß wiederholt: Wir nehmen bewusst in Kauf, dass wir Umsatz verlieren. Aber das Vertrauen von Eltern ist für uns wichtiger als kurzfristiges Wachstum.

Wir verzichten darauf, einzelne Aussagen zu zitieren. Stattdessen versuchen wir uns an einer Einschätzung:

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