Was ist

In den vergangenen Wochen haben wir zweimal ausführlich über Meta geschrieben:

In beiden Ausgaben tauchten folgende Wörter gar nicht oder nur am Rande auf: Facebook, Instagram, Social Media.

Das ändern wir heute. Denn trotz Zuckerbergs Wette auf AR bleibt Meta ein Social-Media-Konzern. Die Reality-Labs-Sparte ist ein Verlustgeschäft, Geld verdient man mit den großen Plattformen.

Und da hat sich so einiges getan. Einen Monat vor der US-Wahl hat insbesondere Facebook wenig mit der Plattform gemein, die 2016 und 2020 noch als möglicherweise wahlentscheidend galt. Politische Inhalte sind unerwünscht, stattdessen will man wieder interessant für junge Nutzerïnnen werden.

Auch Zuckerberg selbst hat sein Image komplett auf den Kopf gestellt. Der einst als roboterhaft verlachte Nerd hat öffentliche Auftritte gelernt, macht Kampfsport, kuschelt mit Republikanern und verwandelt sich zunehmend in den ultimativen Tech-Bro.

Warum das wichtig ist

Meta kontrolliert mit Facebook, Instagram und WhatsApp drei der wichtigsten Kommunikationsplattformen der Welt, auch Threads gewinnt an Bedeutung. Zuckerbergs Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen. Sein neuer Haarschnitt ist uns relativ egal, aber der Image-Wandel ist nicht nur optischer, sondern auch inhaltlicher Natur.

Warum Meta keine Lust mehr auf Politik hat

  • Nach der US-Wahl 2016 hieß es, russische Desinformationskampagnen auf Facebook hätten Donald Trump zum Wahlsieg verholfen. Nach dem Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 wurde Facebook beschuldigt, zur Radikalisierung beigetragen und die Mobilisierung des Mobs ermöglicht zu haben.
  • Zumindest der erste Vorwurf hat im Rückblick eher wenig Substanz. Doch die Kritik scheint Zuckerberg geprägt zu haben, wie Sheera Frenkel und Mike Isaac schreiben (NYT):
In January 2021, after pro-Trump rioters stormed the U.S. Capitol, Mark Zuckerberg announced a new priority for Meta: He wanted to reduce the amount of political content on the company’s apps, including Facebook and Instagram.
  • Der Text rekonstruiert die strategische Entpolitisierung, die Zuckerberg seitdem vorantreibt. Nachrichten und politische Inhalte werden auf Facebook, Instagram und Threads bewusst gedrosselt.
  • Wir haben diese Entwicklung selbst immer wieder thematisiert, etwa in Briefings wie "Facebook heißt jetzt Meta: Fünf Fragen zu Facebooks Metamorphose" (11/2021), "Meta: Ach geh mir doch weg mir der lästigen Politik" (06/2022), "Please repeat: Journalismus ist auf Metas Plattformen nur geduldet – wenn überhaupt" (09/2023) oder "Warum die Hoffnung auf einen Twitter-Nachfolger vergeblich ist" (02/2024).
  • Deshalb beschränken wir uns an dieser Stelle auf das Wesentliche. Meta hat nicht nur die Reichweite der politischen Inhalte reduziert, sondern auch die Zahl der Menschen, die sich mit Themen wie Desinformation und der Sicherheit von Wahlen befassen.
  • Zuckerberg selbst trifft sich nicht mehr wöchentlich mit den Leiterïnnen der entsprechenden Teams. Politische Themen fallen jetzt in den Verantwortungsbereich von Nick Clegg und Guy Rosen. Zuckerberg spricht öffentlich fast nur noch über KI, AR, das Metaverse und die Vorzüge von Open Source.
  • Außenstehende können kaum noch nachvollziehen, was auf Metas Plattformen vor sich geht. Transparenz-Tools wie CrowdTangle wurden ersatzlos gestrichen, Forscherinnen und Journalisten verlieren damit ein wichtiges Werkzeug.
  • Hinter diesen Entwicklungen stehen zwei Erkenntnisse. Zum einen scheinen Metas interne Tests und Befragungen zu ergeben, dass Nutzerïnnen gar keine Lust auf politische Inhalte und Nachrichten haben. Man liefert seinem Publikum also, wonach es verlangt: Unterhaltung.
  • Zum anderen hat Meta gelernt, dass man mit Politik in einem polarisierten Land wie den USA nur verlieren kann. Sobald man moderiert und inhaltliche Entscheidungen trifft, ist eine Seite wütend:
Mr. Zuckerberg spent years on an apology tour, including appearing before Congress. But he grew frustrated with how little progress the company made defending itself, four other current and former Meta employees with knowledge of internal deliberations said. Meta was also caught in partisan politics, with Democrats blasting Mr. Zuckerberg for not doing enough to rein in problematic speech across his apps, while Republicans insisted the company was doing too much to curtail it.

Wie Zuckerberg zum prototypischen Tech-Bro wurde

  • Die ersten beiden Buchstaben von SMWB stehen nicht für Stil & Mode, sondern für Social Media. Deshalb überlassen wir die Stilkritik Juliane Frisse, die Zuckerbergs T-Shirts, Goldketten und Frisur kenntnisreich analysiert (Zeit Online).
  • Zuckerbergs äußerliche Metamorphose geht mit neuen Werten und Überzeugungen einher, die in den vergangenen Monaten deutlich wurden. Ein zweiter Text der Times beschreibt, wie sich der 40-jährige Zuckerberg von seinem jüngeren Ich unterscheidet:
In conversations over the past few years with friends, colleagues and advisers, Mr. Zuckerberg has expressed cynicism about politics after years of bad experiences in Washington. [In June] Mr. Zuckerberg complained to multiple people about the blowback to Meta that came from the more politically touchy aspects of his philanthropic efforts. And he regretted hiring employees at his philanthropy who tried to push him further to the left on some causes.
In short — he was over it. His preference, according to more than a dozen friends, advisers and executives familiar with his thinking, has been to wash his hands of it all.
  • Mit Ende 20 äußerte sich Zuckerberg noch offen zu politischen Themen. Er schrieb Gastbeiträge in Medien und diskutierte über Migration, soziale Gerechtigkeit, Ungleichheit und Demokratie.
  • Zuckerberg setzte sich mit der Organisation Fwd.US dafür ein, dass Geflüchtete ohne Papiere die US-Staatsbürgerschaft erhalten können. Seine Frau Priscilla Chan und er gründeten eine Stiftung und spendeten Hunderte Millionen Dollar, um eine faire und sichere US-Wahl 2020 zu gewährleisten.
  • Heute ist von diesem Engagement nichts mehr zu sehen. Zuckerberg versucht, sich selbst und seinen Konzern aus allem herauszuhalten, was ansatzweise Angriffsfläche bieten oder als politische Positionierung verstanden werden könnte. Statt mit Medien spricht er mit Tech-Bros und Podcastern.
  • Ende August kroch er in einem offenen Brief dem Republikaner Jim Jordan zu Kreuze und entschuldigte sich für angebliche Zensur auf Druck der Biden-Regierung (Vox). Anfang Oktober sagte er bei einer Podcast-Aufzeichnung (Platformer):
When it’s a political problem … Sometimes there are people who are operating in good faith, who are identifying a problem and want something to be fixed, and there are people who are just looking for someone to blame. And if your view is “I’m going to take responsibility for all this stuff” — people are basically blaming social media and the tech industry for all these things in society — if we’re saying, we’re really gonna do our part to fix this stuff, I think there were a bunch of people who just took that and were like, oh, you're taking responsibility for that? Let me like, kick you for more stuff.
  • Zuckerberg bezeichnete diese politische Fehleinschätzung als seinen größten Fehler in der Geschichte von Facebook und Meta. Es sei ein "20-Jahre-Fehler" gewesen zu glauben, dass Meta Verantwortung für politische und gesellschaftliche Probleme übernehmen könne. Bis sich der Konzern vollkommen davon erholt habe, werde es weitere zehn Jahre dauern.

Warum Neutralität eine Illusion ist

  • Wirtschaftlich ist Zuckerbergs Haltung verständlich. Es lohnt sich nicht, sich in die Politik einzumischen. Die Risiken sind groß, die Chancen gering.
  • Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, dass Facebook, Instagram und Threads keine politischen Plattformen sein wollen. In einer Zeit, in der fast jedes Thema politisch aufgeladen ist, tun Orte ganz gut, an denen Politik nur eine Nebenrolle spielt.

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