Salut und herzlich Willkommen zur 562. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Heute widmen wir uns dem Trend, mehr Authentizität bei YouTube und Instagram zu wagen. Zudem schauen wir auf Googles Dominanz im Browser-Markt – augenscheinlich nicht primär ein Social-Thema, aber leider extrem wichtig, um das Internet-Business insgesamt besser zu verstehen. Apropos Business: Laut einer Untersuchung geht bei Instagram-Posts seit Jahresbeginn das Engagement stark zurück – da möchte wohl ein Unternehmen gern etwas mehr Geld verdienen. Wir wünschen eine gewinnbringende Lektüre und bedanken uns für das Interesse an unserem Angebot, Simon & Martin

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Scheiss auf Authentizität, ich will einfach nur ich selbst sein.

Was ist: Emma Chamberlain ist 18 Jahre alt, betreibt seit zwei Jahren einen YouTube-Channel und einen Instagram-Account – und hat dort jeweils etwa acht Millionen Abonnenten und Follower. Sie steht für einen neuen Stil auf YouTube, der „slacker YouTube” oder “relatable YouTube“ genannt wird.

Warum ist das interessant?

  • Emma Chamberlain ist ganz anders als die anderen etablierten YouTuber. Bei ihr gibt es keine komplett inszenierten Videos wie bei den Logan Pauls dieser Welt. Auch kommt sie ohne Clickbait-Titel à la Casey Neistat aus.
  • Vielmehr postet sie simple Vlogs ohne viel Chichi. Taylor Lorenz beschreibt Chamberlains Stil beim Atlantic so:

"lo-fi vlogs using default fonts, clashing color schemes, and lowercase titles that never overpromise".

  • Ihre Videos sind voll von Effekten, die jeder nutzen kann – etwa den Superzoom, den man von Insta kennt.

The bigger picture

  • Während der Trend hin zu vermeintlich (?) authentischeren Fotos und Videos auf Instagram bereits eine ganze Weile (The Atlantic) läuft, wird YouTube erst jetzt von der Welle erfasst.
  • Chamberlains Art, Inhalte für YouTube und Instagram zu kreieren, hat natürlich längst NachahmerInnen gefunden, etwa Summer McKeen, Hannah Meloche, Hailey Sani, Ellie Thuman, oder Haley Pham.

Be smart: Diese Slacker-Videos werden nicht mit einer Red Dragon, aufwändiger Beleuchtung und an verrückten Spots gedreht. Trotzdem steckt eine Menge professioneller Arbeit darin. In einem Interview sagt Chamberlain, dass sie bis zu 30 Stunden im Schnitt verbringe. Und: Was nahbar und authentisch ist, liegt am Ende vor allem im Auge des Betrachters. Ich fürchte, dass es künftig noch viel, viel mehr von vermeintlich ach so authentischen YouTube-Figuren geben wird.

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King Chrome: Warum Googles Dominanz gefährlich ist

Was ist: Google dominiert den Browser-Markt. Fast zwei Drittel der Menschen nutzen Chrome, der Anteil steigt kontinuierlich.

Warum das wichtig ist: Der Browser ist das Tor zum Internet. Wer diesen Markt kontrolliert, hat unglaublich viel Macht. Für die SZ habe ich versucht, Googles Einfluss mit einem Gedankenspiel zu veranschaulichen:

Alle Menschen brauchen Brillen, um sehen zu können. Ein Großteil vertraut auf kostenlose Produkte eines einzelnen Unternehmens. Es verdient Geld, indem es Brillenträgern am Rande ihres Sichtfelds Werbung anzeigt. Gleichzeitig kontrolliert der Brillenhersteller das gesamte Verkehrssystem. Er bestimmt, wie die Menschen die Welt sehen und welche Orte sie besuchen.

Genau diese Rolle nimmt Google im Netz ein: Chrome hat die Konkurrenz weit abgehängt. Googeln ist zum Synonym für Suchen geworden. Alle Dienste sind kostenlos, Google verdient sein Geld fast ausschließlich mit digitalen Anzeigen.

Warum das problematisch ist: In den vergangenen Monaten haben mehrere (teils ehemalige) Mitarbeiter und Entwickler von Mozilla, Brave und anderen Konkurrenten Google vorgeworfen, ihre Browser bewusst zu sabotieren. Ich halte die Vorwürfe persönlich für übertrieben, dennoch glaube ich, dass Googles Vormachtstellung gefährlich ist.

Fast alle Konkurrenten nutzen mittlerweile die Chromium-Engine als Grundlage. Selbst Microsoft entwickelt den neuen Edge-Browser mit Google-Code als Basis. Nur Apples Safari und Mozillas Firefox nutzen noch eigene Engines. Viele Entwickler optimieren ihre Seiten ausschließlich für Chromium. Damit droht das Netz, zur Monokultur zu werden.

Hinzu kommt, dass Google seine Macht vielleicht nicht missbraucht – wohl aber gebraucht. Zum Beispiel blendet Google teilweise Banner ein, wenn man Dienste wie Gmail, Docs oder Youtube mit einem anderen Browser als Chrome aufruft. Dort steht dann: "Youtube-Videos mit Chrome ansehen – Google empfiehlt Chrome als schnellen und sicheren Browser. Jetzt testen?" Hier arbeitet ein mächtiges Unternehmen systematisch daran, eines seiner erfolgreichsten Produkte in ein weiteres Monopol zu verwandeln.

Warum das sogar hochproblematisch ist: Google verdient sein Geld mit Werbung. Anders ausgedrückt: Der größte Anzeigenverkäufer der Welt baut den größten Browser der Welt. Ist das eine gute Idee? Geoffrey Fowler hat diese Frage in der Washington Post kürzlich so beantwortet:

It turns out, having the world’s biggest advertising company make the most popular Web browser was about as smart as letting kids run a candy shop.

Fowler bezeichnet Chrome als "spy software". Soweit würde ich nicht gehen. Chrome ist ein schneller, stabiler, sicherer Browser. Technisch macht Google vieles richtig. Aber natürlich hat Google kein Interesse daran, dass Nutzerïnnen allzu viele Anzeigen und Tracker blocken. Schließlich beruht das eigene Geschäftsmodell darauf, Nutzerïnnendaten zu sammeln, Persönlichkeitsprofile zu erstellen und anderen Unternehmen Anzeigenplätze zu verkaufen, mit denen sie angeblich Menschen erreichen, die sich für diese Werbung interessieren.

Adblocker killen dieses Geschäftsmodell. Das sagt Google sogar selbst: Anfang des Jahres hat Alphabet seine Aktionäre gewarnt, dass Adblocker und eingeschränkte Tracking-Möglichkeiten Googles Kerngeschäft bedrohten. Und das wirkt sich natürlich auch auf Chrome aus.

Wie Google Chrome allmählich umbaut: Google verzahnt den Browser enger mit seinen Diensten. Es wird immer schwerer, Chrome dauerhaft anonym zu nutzen. Wenn ich mich etwa bei Gmail einlogge, melde ich mich automatisch auch bei Chrome an. Dann schlägt Google mir vor, alle Daten zu synchronisieren – und wenn ich den scheinbar harmlosen Dialog bestätige, landen Informationen wie besuchte Webseiten, Kreditkarten und Adressen auf Googles Servern. Der renommierte Kryptografie-Experte Matthew Green hat diese Änderung zum Anlass genommen, Chrome Lebewohl zu sagen.

Noch deutlich größere Empörung hat Googles Ankündigung ausgelöst, dass kommende Chrome-Versionen die Funktionalität von Adblockern stark beschränken werden. So drückt Google das natürlich nicht aus, sondern spricht von sicherheitsrelevanten Änderungen, die alle Erweiterungen betreffen. Trotzdem sind Entwickler, Verbraucherschützer und NGOs sind seit Monaten in Aufruhr. Die Canary- und Beta-Versionen werden vermutlich bereits im Sommer betroffen sein, die stabile Version wird ab 2020 weniger Anzeigen filtern.

Be smart: Chrome lässt sich durchaus datenschutzfreundlich konfigurieren – dafür muss man aber etliche Voreinstellungen ändern und Erweiterungen installieren. Persönlich nutze ich (auch) Chrome, meiner Oma würde ich aber andere Browser empfehlen. Der Firefox kommt zum Beispiel mit Standardeinstellungen, bei denen die Privatsphäre gewahrt bleibt.

Ohnehin ist es spannend, wie Mozilla seinen Browser in den vergangenen Monaten positioniert: Man geht bewusst auf Distanz zu Google, rückt Funktionen wie den standardmäßigen Tracking-Schutz in den Vordergrund und bietet Dienste an, die Datensammler verwirren sollen. Vermutlich im Herbst wird ein kostenpflichtiges Abo-Modell für den Firefox kommen.

Möglicherweise spielt das Start-up Scroll eine Rolle, mit dem Mozilla kooperiert. Scroll bietet für eine monatliche Gebühr Werbefreiheit auf etlichen Webseiten, darunter etwa Vox, Buzzfeed, The Atlantic, The Verge und Slate. Derzeit kursiert eine Umfrage, die wohl die Zahlungsbereitschaft der Nutzerïnnen ausloten soll. Ich bin gespannt, ob Firefox mit diesem Kurs Erfolg hat. Mehr Diversität auf dem Browser-Markt kann definitiv nicht schaden.

Autor: Simon Hurtz

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Instagram: Engagement ↘️

Was ist: Laut einem Report von Trust Insights ging das durchschnittliche Engagement bei Instagram Posts im ersten Halbjahr 2019 deutlich zurück.

Für den Report wurden 1,430,995 Instagram Posts von insgesamt 3637 Marken untersucht. Die Größe der Accounts variiert dabei von lediglich knapp 12.000 Followern zu Accounts mit über 8,5 Millionen Followern.

Um satte 18 Prozent ist das Engagement im untersuchten Zeitraum durchschnittlich zurückgegangen.

Aber nicht nur bei Marken ist das Engagement ordentlich zurückgegangen. Auch Influencer haben mit einem massiven Einbruch zu kämpfen.

Die Gründe für diesen Engagement-Rückgang sind nicht eindeutig zu erklären. Klar, sowohl Marken als auch Influencer investieren immer mehr in Stories. Auch das Publikum scheint diesen Trend mitzugehen und klickt sich dem Vernehmen nach täglich durch eine Vielzahl an Stories. Aber dass das Engagement im Feed darunter so stark leiden würde, ist schon überraschend. Vielleicht liegt es ja doch eher daran, dass Instagram einfach noch mehr Geld verdienen soll – das Spiel, Stück für Stück die Reichweite abzubauen, um Inhalte-Anbieter dazu zu bringen, für Engagement zu bezahlen, kennen wir ja schon vom großen Bruder.

💡Ich würde gern von deinen Erfahrungen hören: Macht ihr bei euch derzeit ähnliche Beobachtungen? Wenn ja: Welche Konsequenzen zieht ihr daraus? Über Rückmeldungen per Email, DM oder bei Slack würde ich mich sehr freuen.

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Kampf gegen Desinformation & Hass

In NRW stellt ein Sonderdezernat der Justiz sicher, dass Hasspostings nicht nur gelöscht, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden. Die Urheber der Hasskommentare reagieren übrigens meist überrascht, wenn die Polizei vor der Tür steht (SZ).

Dark Money: Seit Facebook im Mai 2018 das neue Anzeigen-Archiv für politische Werbung gestartet hat, wurden mindestens 600 Millionen Dollar für politisch motivierte Anzeigen ausgegeben. Das Problem dabei: Ein Großteil der Gelder kann trotz aller Transparenzbemühungen nicht zurückverfolgt werden – man spricht in diesem Zusammenhang von Dark Money. Bedeutet konkret: Letztlich weiß weiterhin keiner so richtig, wer hinter welcher Anzeige steckt (The Guardian).

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Zerschlagen oder nicht zerschlagen – das ist hier die Frage

Beim Aspen Ideas Festival hatte Mark Zuckerberg wieder einmal die Chance, ausführlich zu erklären, warum es seiner Meinung nach keine gute Idee ist, Facebook Inc. zu zerschlagen. Dabei führte er immer wieder die folgenden vier Punkte ins Feld:

  1. Breaking up Facebook will create a bunch of small companies competing on growth, rather than privacy.
  2. If we break up Facebook, they won't have enough money to hire 30,000 people to censor the bad things people post on social media.
  3. Breaking up Facebook will allow Chinese tech companies to take over the world.
  4. Facebook's acquisitions of companies like Whatsapp and Instagram were not anticompetitive.

Der Rechtswissenschaftler Tim Wu findet die Argumente wenig überzeugend (Wired). Den ersten beiden Punkten hält er historische Beispiele entgegen und argumentiert, dass die Kartellrechtsverfahren gegen IBM und AT&T zu mehr Wettbewerb und Innovation geführt hätten. Um Punkt 3 zu entkräften, blickt er auf die Konkurrenz aus Japan und Europa in den 1970er und 1980er Jahren. Auch dort sei Amerika aufgrund unternehmerische Power als Sieger hervorgegangen. Punkt 4 hält Wu schlicht für falsch und verweist auf Emails (NY Post) von Mark Zuckerberg. Darin schrieb der Facebook-Ch vor der Übernahme von Instagram, dass die Foto-Plattform zur größten Bedrohung von Facebook werden könnte, deshalb müsse sie aufgekauft werden.

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Studien, Statistiken und mehr

ByteDance hat nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde monatlich aktive Nutzer (South China Morning Post) – jedenfalls dann, wenn die Nutzerzahlen von Douyin, TikTok, Jinri Toutiao und vielen weiteren Apps aus dem Hause ByteDance zusammengezählt werden.

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One more thing

Zahlungsbereitschaft im Netz: Die Landesanstalt NRW hat ein Paper zur Zahlungsbereitschaft für digitaljournalistische Inhalte veröffentlicht. Mit Blick auf die Arbeit beim Social Media Watchblog kann ich die Ergebnisse bestätigen. Auch unser Angebot ist für die meisten von unseren LeserInnen deshalb interessant, weil es für sie einen Mehrwert bietet und Orientierungshilfe liefert. Kurze Kündigungsfristen und relativ niedrige Preise erleichtern zudem den Zugang zu unserem Angebot – so unsere Beobachtung!

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Header-Foto von Andre Benz bei Unsplash