Salut und herzlich Willkommen zur 528. Ausgabe des Social-Media-Watchblog Briefings. Seitdem Simon gesagt hat, ich müsste das alles koppeln, mache ich das jetzt immer brav. Anyway. Auf zum Briefing mit diesen Themen: Facebooks Fan-Subscription-Feature, Microtargeting in Deutschland, neue Formen des Journalismus und Brands bei Giphy. Wir wünschen eine gute Lektüre, Martin und Team
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Facebook Fan Subscriptions
Was ist: Facebook bastelt am Rollout eines hauseigenen Fan-Subscription-Service (TechCrunch). Bislang wird das Feature nur einigen wenigen Kreativen in ausgewählten Ländern angeboten. Die Konditionen scheinen jedoch nicht sonderlich attraktiv (twitter / MattSaincome).
Warum ist das interessant?
- Im Kern geht es bei Fan-Subscription-Services darum, dass Künstler, Journalisten, Podcast-Produzenten, Live-Stream-Enthusiasten, etc. direkt von ihren Zuschauern / Lesern / Hörern / Fans für ihre Arbeit bezahlt werden.
- Das ist grundsätzlich sinnvoll und ermöglicht z.B. so wunderbare Publikationen wie das Social Media Watchblog! Ohne meine großartigen Steady-AbonnentInnen würde das hier alles nicht funktionieren!
- Der größte Fan-Subscription-Service der Welt ist derzeit Patreon mit 3 Millionen „Patrons“. Laut TechCrunch überweisen die Patreon-Nutzer dieses Jahr ca. 500 Millionen Dollar an rund 100.000 Künstler.
- Facebook hat eine zeitlang dabei zugesehen, wie Patreon kontinuierlich wächst und möchte fortan auch einen Teil vom Kuchen.
Was sind die Probleme mit Facebooks Fan-Subscription-Service?
- Die Subscription-Plattformen fungieren in mehrfacher Hinsicht als Service und nehmen dafür ihren Cut. Bei Steady sind es z.B. zehn Prozent der Einnahmen, die über Steady generiert werden. Dafür muss ich mich z.B. nicht um Rechnungen kümmern, habe eine solide Abonnenten-Verwaltung, kann zusätzlich noch Werbeeinnahmen erzielen und habe mit Steady einen vertrauenswürdigen Mittelsmann – wer würde mir schon direkt Geld überweisen?
- Bei Facebook verhält sich das alles etwas anders: So möchte Zuckerberg gern satte 30 Prozent der Einnahmen. Auch möchte sich Facebook gern vorbehalten, interessierten Lesern / Zuschauern / etc. Probe-Abos anzubieten – wohl auch ohne dass die Kreativen davon Kenntnis haben. Ferner sehen die ToS vor, dass Facebook die Rechte an den Inhalten behält, die im Zusammenhang mit dem Fan-Subscription-Service veröffentlicht wurden – selbst dann, wenn der Service vom Künstler gar nicht mehr in Anspruch genommen wird. Last but not least gibt Facebook in den ToS an, dass der 30 Prozent-Deal mit einer Vorlauffrist von 30 Tagen geändert werden könnte – eine Horrorvorstellung für alle, die einen verlässlichen Partner suchen.
Be smart: Hinsichtlich neuer Finanzierungsmodelle im Journalismus gefällt mir die Fan-Subscription-Idee grundsätzlich am besten. Ich liebe die Idee, das Leser Autoren direkt bezahlen können. Plattformen wie Patreon oder Steady leisten tolle Arbeit, um die Finanzierung von unabhängige Medien zu ermöglichen. Dass Facebook auf diesem Markt mitmischen möchte, ist verständlich. Wie sie es tun, zeugt jedoch von großer Unkenntnis um die Belange von Inhalte-Anbietern – aber das ist ja nix neues.
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Stichwort: Microtargeting
Was ist: Die Landesanstalt für Medien NRW hat einen aktuellen Forschungsstand zu personalisierter politischer Kommunikation in sozialen Netzwerken veröffentlicht.
Warum ist das interessant? Microtargeting ist spätestens seit den US-Präsidentschaftswahlkämpfen von Barack Obama und Donald Trump vielen ein Begriff. Für die Online-Kommunikation, insbesondere im Bereich der Werbung, gehört Microtargeting zum Tagesgeschäft. Trotzdem ist der Forschungsstand in diesem Themenbereich mehr als ausbaufähig, wie der Überblick (PDF) zeigt, der vom unabhängigen Think Tank iRights.Lab erarbeitet wurde.
Warum Microtargeting insbesondere bei Facebook so reizvoll ist, wollte ich gern genauer wissen. Deshalb habe ich Carsten Christian, der als Online- und Social-Media-Redakteur bei der PR-Agentur OSK arbeitet, zum Thema befragt. Hier unser Email-Interview:
- Was genau versteht man unter Microtargeting bei Facebook?
(Mikro-)Targeting bei Facebook beschreibt die Möglichkeit, sehr detailliert die eigene Zielgruppe mit seinen Inhalten – also Posts, Artikel Videos, Fotos etc. – zu beliefern. Zum Beispiel kann ein Geschäft für Haustierbedarf Anzeigen und bezahlte Inhalte an Menschen ausspielen, die in der Region des Geschäfts leben, Seiten geliked haben, die sich mit Haustieren beschäftigen, und ein bestimmtes Einkommen haben. Anzeigen sollten übrigens immer über Facebooks Werbeanzeigen-Manager erstellt werden, nie einfach auf „Beitrag bewerben“ unter einem Post klicken. Denn diese Option bietet nur sehr eingeschränkte Targeting-Möglichkeiten.
- Warum ist Microtargeting so attraktiv für Werber?
Es ist meiner Ansicht nach nicht ausschließlich für Werber attraktiv, sondern für jeden, der seine Botschaften und Inhalte verbreiten möchte – also auch Kommunikatoren, Journalisten, Influencer etc. Wer auf Facebook eine größere Anzahl von Menschen erreichen möchte, muss mittlerweile zahlen. Mit dem Gedanken müssen sich Kommunikationsverantwortliche anfreunden. Was Facebook-Targeting spannend macht, sind die vielen Einstellungsmöglichkeiten, welche die Chance bieten, genau die Menschen zu erreichen, für die die eigenen Inhalte gemacht sind. Dafür muss man sich allerdings intensiv mit der Materie beschäftigen und verstehen, welche Optionen zur Verfügung stehen. Spannend sind zum Beispiel die sogenannten Custom Audiences und Lookalike Audiences. Erstere basieren auf bereits vorhandenen Daten, etwa Interaktionen mit der Facebook-Page, letztere sind eine von Facebook erstellte Zielgruppe mit Usern, die einer bereits vorhandenen Zielgruppe ähneln.
- Was ist deiner Meinung nach problematisch an Microtargeting?
Im Bezug auf den Datenschutz und die DSGVO müssen Unternehmen mittlerweile ein paar Dinge beachten. Der Facebook Pixel ist zum Beispiel eine interessante Möglichkeit, neue Zielgruppen auf Basis von Nutzerdaten zu erstellen. Dazu wird der Pixel auf der eigenen Website hinterlegt, wo er dann User-Infos sammelt. Datenschutz-rechtlich ist das eine Grauzone, da der Pixel schon Daten sammelt, bevor der Nutzer zustimmen kann, nämlich bereits in der Sekunde, in der er die Seite aufruft. Um Datenschutz-konform zu arbeiten, müssen Seitenbetreiber im Grunde eine „Zustimmungsseite“ vor die eigentliche Website schalten, welche über alle Tracking-Aktivitäten auf der Website informiert. Quasi eine Art „Black Screen“, auf dem darüber informiert wird, welche Daten gesammelt werden, für welche Zwecke und auf welche Weise. Erst wenn der Nutzer auf einen Button zur Zustimmung klickt, wird er auf die eigentliche Seite weitergeleitet, auf welcher der Pixel hinterlegt ist. Datenschutz-rechtliche Überlegungen greifen auch beim Hochladen von Nutzerdaten auf Facebook, etwa Newsletter-Listen. Der User hat nur zugestimmt, einen Newsletter zu erhalten, nicht, dass man seine Daten auf Facebook hochlädt. Außerdem müssen Kommunikatoren verstehen, dass gutes Facebook-Targeting Zeit kostet. Es bringt nichts, Inhalte an alle Nutzer auszuspielen, die beispielsweise zwischen 18 und 65 Jahre alt sind und sich für Gaming interessieren. Genauso wenig hilft es, eine zu spezifische Zielgruppe zu wählen, die zu klein ist. Bis man verstanden hat, wie gutes Targeting funktioniert, muss man viel testen. Rückschläge sind dabei vorprogrammiert und sollten als Learning, nicht als Versagen, akzeptiert werden.
- Hat OSK gute Erfahrungen mit Mikrotargeting gemacht?
Wir haben in der Kundenarbeit gute Erfahrungen mit Lookalike und Custom Audiences (auf Basis von Interaktionen mit der jeweiligen Facebookseite) gemacht. Denn dabei handelt es sich um Nutzer, die entweder in irgendeiner Form schon Kontakt mit dem Unternehmen hatten oder von denen Facebook ausgeht, dass sie sich auf Basis ihrer Daten für die Inhalte des Unternehmens interessieren. Für regionale Unternehmen oder Aktionen funktioniert lokales Targeting sehr gut. Man kann sogar spezifische Postleitzahlen-Gebiete in die gewünschte Zielgruppe einbinden. Ein konkretes Beispiel zu unseren eigenen Inhalten: Für unseren WeChat-Guide haben wir unter anderem Nutzer targetiert, die sich für Branchenpublikationen interessieren, welche sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigen, darunter brand eins, die WiWo und Horizont. Basis für das Targeting war unsere Annahme, dass Nutzer, die sich für diese Publikationen und ihre Inhalte interessieren, unseren Guide ebenfalls hilfreich finden würden. Damit hatten wir recht. Insgesamt muss man für jede neue Kampagne überlegen: Wen möchte ich ansprechen? Für wen sind die Inhalte interessant? Wem bringen sie einen Mehrwert? Dann heißt es testen, testen, testen. Prüft die Kampagnen täglich, nicht nur einmal pro Woche, und passt sie je nach Performance an! Kontrolliert, welche Kombination von Posting-Text, Creative und Zielgruppe am besten funktioniert und steckt in diese Variante den Hauptanteil des Budgets!
Be smart: Microtargeting sorgt nicht nur dafür, dass die Botschaft auf den richtigen Empfänger trifft, sondern im Umkehrschluss auch dafür, dass die Botschaft von anderen eben nicht empfangen wird. Dadurch lassen sich z.B. im politischen Wahlkampf Botschaften absenden, die von der allgemeinen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden können. Genau das kann zu erheblichen Problemen führen – siehe hier und hier.
Tiefgang: Wer an dieser Stelle noch tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem sei das Interview mit Frédéric Dubois empfohlen: Unterwandert politisches Microtargeting die europäische Demokratie?
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Werbung getarnt als funny Brand-Gifs
Was ist: Die Gif-Plattform Giphy gibt an, einen neuen Werbe-Markt entdeckt zu haben. Zufälligerweise handelt es sich dabei um den Markt, den sie sowieso beherrschen: How Giphy Plans to Upend Advertising (Adweek)
Worum geht es konkret?
- Millionen von Menschen nutzen Giphy, um über ein Gif ein bestimmtes Gefühl zum Ausdruck zu bringen oder eine Antwort zu geben.
- Häufig genug suchen Nutzer anscheinend bei der Jagd nach dem passenden Gif auch nach einer Marke.
- In aller Regel sind die Marken bei Giphy aber bislang nicht mit eigenen Inhalten vertreten. Vielmehr sind Marken-Gifs zu finden, die von Dritten (ungefragt) hochgeladen wurden.
- Giphy rechnet sich nun gute Chancen aus, dass Marken selbst Inhalte auf der Plattformen lancieren wollen, die Nutzer dann ihrerseits wiederum in Chats und Posts nutzen können.
Be smart: Es soll kreative Agenturen geben, die bereits Marken-Gifs bei Giphy und Co platzieren. Bislang scheint die Plattform-Polizei allerdings ziemlich gut darin zu sein, entsprechende Inhalte wieder zu löschen. Das dürfte sich bald ändern, jedenfalls für die Inhalte, für die das Unternehmen auch bezahlt hat.
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The 14 Top Referrer Sources
Was ist: Wir hatten ja in Briefing #523 bereits auf den ersten Teil der Parsely-Studie hingewiesen – konkret ging es dabei um die Frage, wo der Traffic 2019 wohl maßgeblich herkommen könnte. Jetzt ist Teil 2 erschienen. Schwerpunktmäßig geht es nun um die Frage, welche Rolle die folgenden Faktoren spielen: Anzahl der Wörter, Gerätetyp, Kategorie. Hier die wesentlichen Charts im Überblick:
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Neue Formen des Journalismus
Was ist: Der Journalismus befindet sich in der Krise: Geschäftsmodelle brechen weg, Jobs werden gestrichen. Bei Recode weisen sie nun auf Daten von LinkedIn hin, die ein anderes Bild zeichnen. So dürfe das Berufsfeld Journalismus einfach nicht so engstirnig gedacht werden – Content-Producer und Social-Media-Manager würden schließlich vielerorts genauso journalistisch arbeiten, sich aber nicht zwangsläufig als Journalisten bezeichnen.
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Nachtrag zu TikTok
Zum Thema Datenschutz bei TikTok schreiben die Kollegen Sha Hua und Alexander Demling bei handelsblatt.com:
Zwar ist TikTok laut Unternehmensangaben eine 100-prozentige Bytedance-Tochter, aber sie ist in Singapur registriert und speichert die Daten seiner Nutzer auf Servern außerhalb Chinas. Inhalt und Publikum sind getrennt. Das hilft Bytedance, die politischen Restriktionen der chinesischen Regierung zu umgehen. Auf Firmen und Server, die außerhalb Chinas liegen, hat Peking keinen Zugriff.
Ich kenne Alexander persönlich und schätze ihn für seine tolle Arbeit. Möge er mit dieser Recherche recht behalten!
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Empfehlungen fürs Wochenende
Men are scum: Vanity Fair hat einen Einblick in Facebooks täglichen Kampf gegen Trolle und Hater erhalten. Entstanden ist eine lesenswerte Reportage über Facebooks Shadow Government.
Hatebook: The Daily Dot ist genau den anderen Weg gegangen und hat einen bemerkenswerten Artikel über Hater und Trolle verfasst, die Facebook als primäres Kampffeld ausgewählt haben. Wirklich. Nicht. Schön.
Wie Daten gesammelt werden: Wer sich einmal einen Überblick darüber verschaffen möchte, welche Firmen vom Überwachungskapitalismus profitieren, der möge The WIRED Guide to Your Personal Data (and Who Is Using It) lesen.
Künstliche Verknappung: Der wunderbare Kollege Dirk von Gehlen schreibt in seinem Februar-Newsletter über die Strategie der künstlichen Verknappung und warum sie förderlich ist, um kontinuierlich Aufmerksamkeit zu generieren. Kann ich alles aus eigener Erfahrung unterstreichen, was Dirk da schreibt.
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One more thing
Heute Abend spreche ich bei Daniel Fiene und Herrn Pähler in der Sendung "Was mit Medien" über das Social Media Watchblog und den Status Quo von Social Media in Deutschland. Falls Dich das interessiert, hier kann man ab 20:00 Uhr live dabei sein & später die Sendung als Konserve nachhören. ✌🏻
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Header-Foto von Denys Nevozhai bei Unsplash
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