Salut und herzlich Willkommen zur 552. Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Briefings. Ziemlich verrückte Tage liegen hinter uns. Was so ein, zwei YouTube-Videos für einen Staub aufwirbeln können, unglaublich. Aber es wird einmal mehr deutlich: soziale Medien sind ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft – umso wichtiger, dass wir die Mechanismen, Akteure und Spielregeln dahinter verstehen. Nicht jeder, der fahren will, muss ein Auto bauen können, schreibt Dirk sinngemäß bei der Süddeutschen. Das ist wahr. Sehr wohl sollte man aber wissen, wie man sich im Verkehr zurechtfindet. Dabei wollen wir helfen. Vielen Dank für das Vertrauen!
Heute blicken wir noch einmal kurz und knapp auf #rezovideo. Zudem widmen wir uns den Fragen, wie lange wir noch auf Likes starren wollen und wie lange YouTube noch ohne Rücksicht auf Verluste auf Views optimieren kann. Ich wünsche eine gewinnbringende Lektüre. Martin
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Durfte Rezo das?
Ja, natürlich durfte Rezo das!
Read on:
- Ein paar medienrechtliche Anmerkungen von Simon Assion zu der Äußerung von Annegret Kramp-Karrenbauer, man müsse angesichts der Videos von Rezo über die Regulierung von Wahlaufrufen von Influencern nachdenken.
- Die beste Analyse zur Rezo-Debatte liefert imho Bernhard Pörksen bei der SZ: Arroganz statt Inhalte.
- Die GroKo der beiden schwindenden Volksparteien CDU und SPD regiert ein Land, das es nicht mehr gibt – mit einem Instrumentarium, das nicht mehr funktioniert, kommentiert Sascha Lobo treffsicher bei SPON.
- Eine Erinnerung daran, dass es die Diskussion um mehr Social Media wagen bereits 2012 bei der CDU gab. (Twitter / Juli Jane)
- Bei der taz durfte ich dafür plädieren, dass sich Journalisten viel öfter in Diskussionen einbringen und Social nicht nur als Reichweitenschleuder verstehen.
Ist das jetzt eigentlich das Ende des kultivierten Dialogs? Nein.
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Das Ende der Likes
Was ist: Apropos Ende. Es sieht ganz so aus, als würden all die Zahlen, die einst die Welt bedeuteten (read: Likes, Views, Shares, etc.) künftig eine sehr viel weniger prominente Rolle spielen.
Wie ich darauf komme? Nun:
- Erstens hat Twitter-Boss Dorsey bereits vor einigen Wochen erklärt, dass Metriken wie Likes und Follower-Zahlen künftig weniger Gewicht haben könnten. Vielleicht sei die Erfindung des Like-Buttons von Anfang an die falsche Idee gewesen, so Twitter auf Twitter über Twitter.
- Zweitens hatte Instagram-Boss Mosseri Ende April einen Test angekündigt (BuzzFeed News), um herauszufinden, wie es sich für die NutzerInnen auf der einen und für das Unternehmen auf der anderen Seite darstellt, wenn Fotos keine (öffentlichen) Likes mehr ausweisen.
- Drittens hat YouTube jüngst überarbeitet, wie Subscriber-Zahlen abgebildet werden – nämlich nur noch stark gerundet (Support / Google).
Zudem hat der von mir maximal geschätzte Kollege John Herrman einen klugen Artikel in der New York Times zum Thema verfasst, indem er analysiert, dass all die Metriken lange, lange Zeit vor allem für die Unternehmen funktioniert haben, um Nutzerwachstum sicherzustellen. Wer mehr Likes will, muss mehr posten, braucht mehr Follower, kriegt bessere Deals, kann besser posten, kriegt mehr Follower, will mehr Likes. Das mit der Mohrrübe, ihr kennt das.
Jetzt aber stünde bei vielen Plattformen das Wachstum nicht mehr so sehr im Vordergrund, sondern vor allem das tatsächliche „Nutzen“ der Plattformen – und genau hier wären Metriken (aufgrund des sozialen Drucks, den sie ausüben, etc.) eher kontraproduktiv. Oder wie Herrman mit Blick auf Instagram schreibt:
„Not that Instagram isn’t growing, or that people aren’t using it, but that maybe they’re using one part of it less, when they should be using all of it more.“
Be smart: Sowohl mit Blick auf die Messengerisierung als auch mit Blick auf den Erfolg von Stories und die hier noch einmal aufgezählten Tests / Neuerungen, lässt sich feststellen, dass „öffentliche“ Zahlen bei Social Media womöglich schon bald immer weniger eine Rolle spielen könnten. Die Unternehmen selbst erheben natürlich weiterhin fleißig Zahlen (Wer scrollt wie lange, was schaut sie sich an, wer ist zu welcher mit wem im Bett, etc.). Sichtbar für die NutzerInnen sind künftig aber womöglich immer weniger Zahlen. Für Medienmacher bedeutet dies unweigerlich ein Umdenken.
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Social Media & Politik
Bei Einreise: Facebook-Nutzername!: Wer sich künftig um ein Visum in den USA bemüht, muss bei der Einreise seine Social-Media-Accounts angeben. Das gilt nicht für Urlauber, sehr wohl aber für alle, die in den USA arbeiten oder studieren wollen. (The Hill)
Angriff auf die Verschlüsselung: Nicht nur bei uns steht die Verschlüsselung von Messenger-Nachrichten unter Beschuss (#551): auch in Großbritannien ist die Regierungsbehörde Government Communications Headquarters geneigt, Unternehmen dazu zu bringen, Verschlüsselungsstandards aufzugeben. Unternehmen und Datenschützer haben das Vorhaben einen in einem offenen Brief stark kritisiert. (Lawfare)
Donald Trump hat jetzt einen eigenen War Room bei Twitter: Der Account @TrumpWarRoom wurde im März anlegt und soll bei der Wiederwahl 2020 behilflich sein – vor allem, indem vermeintliche Falschinformationen ("Fake News") über Trumps Präsidentschaft bekämpft werden. Oh dear.
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Kampf gegen Desinformation
Verfasser von Pelosi-Video aufgespürt: Das Cheap-Fake-Video, das Pelosi vermeintlich betrunken zeigt (#551), stammt natürlich – Trommelwirbel – von einem Trump-Superfan aus dem Alt-Right-Milieu. Viele hatten gemutmaßt, dass es von einer Troll-Gruppe aus Russland stammen würde. Dem ist nicht so. Spannend, wie sich die Rechte in den USA nun darüber mokiert, dass der Kopf hinter dem Video öffentlich genannt (The Daily Beast) wurde – so würde sich womöglich niemand mehr trauen, seine Meinung öffentlich kundzutun. Die Frage also: zählen solche Fakes als freie Meinungsäußerung? Urrgs.
Twitter kauft AI-Firma: Twitter hat sich laut eigenen Angaben eine neue Firma einverleibt: das Londoner Startup Fabula AI ist darauf spezialisiert, mittels Machine Learning Desinformationskampagnen zu erkennen. Es geht aber wohl nicht so sehr um die Firma – vielmehr ist Twitter am Staff interessiert. Die Mitarbeiter sind nämlich fortan Teil von Cortex.
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Social Media & Gesellschaft
YouTubes hausgemachte Sexualisierung von Kinder-Aufnahmen: Diese NYT-Geschichte hat es wirklich in sich: So würde YouTube Familien-Videos über den Empfehlungsalgorithmus derart sortiert aufbereitet, dass harmlose Aufnahmen von Kindern in Badeanzügen oder Kindern, die Spagat üben, zu sexualisierten Inhalten pervertierten. Wie das geschehen kann? Nun, dafür ist das sogenannte Rabbit-Hole-Problem verantwortlich, bei dem NutzerInnen immer noch krassere und dunklere Videos präsentiert werden, um ja sicherzustellen, dass sie die Plattform nicht verlasssen: du interessierst dich für eine Diät? Fein, hier ist ein Video zum Thema Low-Carb. Du willst weitergucken? Wie wäre es mit einem Video zum Thema Magersucht? Bei Suchanfragen, die sich nun um die sexualisierte Darstellung von Kindern drehen, landen die oben genannten „unschuldigen“ Videos womöglich ebenfalls in einem derartigen Rabbit Hole. YouTube könnte etwas dagegen machen – nämlich sämtliche Kindervideos aus den Empfehlungsalgorithmen raushalten. Aber dann könnten womöglich die hohen View-Zahlen nicht erreicht werden: der Algorithmus ist für mehr als 70 Prozent aller Views verantwortlich.
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Social Media & Wirtschaft
Alles hängt mit allem zusammen: Wer aufmerksam die Gizmodo-Reihe „Goodbye Big Five“ von Kashmir Hill verfolgt hat, der hat sich wahrscheinlich wenig gewundert – für alle anderen war es hingegen sicherlich eine ziemliche Überraschung, dass der Ausfall bei Google Cloud nicht nur für YouTube und Gmail Konsequenzen hatte, sondern z.B. auch für Snapchat, Discord und Vimeo. Alles hängt mit allem zusammen.
Neuer COO bei Instagram Das hat sehr viel länger gedauert als gedacht. Aber jetzt ist die Führungsmannschaft um Neu-Insta-Boss Mosseri komplett: Justin Osofsky, ein Facebook-Veteran, wird laut Bloomberg neuer Chief Operating Officer.
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Social Media & Journalismus
Die Vermessung der Welt: Dass Verlage und Fernsehsender bei ihren Online-Auftritten gern auf Facebook-Technik zurückgreifen, um Nutzer zu tracken, ist nicht neu. Das bekannteste Werkzeug dafür – der Facebook Pixel – ist sicherlich nahezu allen von euch ein Begriff. Das Ausmaß, mit dem überwacht wird, überrascht dann aber doch. Die Kollegen von netzpolitik zeigen, dass Facebook auf drei Viertel aller deutschen Nachrichtenseiten NutzerInnen trackt. Den meisten Menschen dürfte das überhaupt nicht klar sein. Das sollte es aber, denn: „Social-Media-Tracker sind normalerweise – wenn überhaupt – nur nach freiwilliger Einwilligung des Nutzers legal.“
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Zitat der Woche
„There is no invasion of privacy at all, because there is no privacy.“
Mit dieser Argumentation wehrt sich Facebook gegen Klagen (cnet), die im Zusammenhang mit dem Cambridge-Analytica-Skandal stehen. Nur falls sich jemand fragte, wie Zuckerberg das eigentlich meinte, als er sagte "The future is private".
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Neues von den Plattformen
- Live mit Gästen: Bei Twitter können jetzt Gäste in den Livestream eingeladen werden. Zwar nicht mit Video, aber immerhin per Audio.
- Tweets via DM teilen: Twitter möchte auch ein bissl mehr „Privacy“ ausprobieren und testet deshalb die Option, Tweets direkt mit Menschen zu teilen, mit denen frau sich sowieso häufig DMs schreibt.
- Die Bitmoji-Kopie ist da: Falls du selbst Snapchat nutzt, kennst du natürlich die berühmten Bitmojis bereits. Falls nicht, dann hast du sie bestimmt mal bei deiner Nichte gesehen. Diese kleinen Avatare zeichnen sich dadurch aus, dass sie wie kleine Mini-Mes aussehen und NutzerInnen mit ihnen Spiele spielen können oder sie als kreatives Extra in einem Post verwendet werden können. Facebook hat das jetzt kopiert und nennt es Avatars. Wie kreativ! (Techcrunch)
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One more thing
Todesarten, wie Menschen sterben, die sie googlen und die Medien berichten – Original hier, gefunden via @policalbeauty:
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Header-Foto von Ewan Yap bei Unsplash
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