Social Media & Politik

  • Social-Media-Warnhinweise und die Smartphone-Debatte: Passend zu den aktuellen Forderungen des Surgeon General in den USA, Social-Media-Angebote mit einem Warnhinweis zu versehen (The New York Times), ist das Buch von Jonathan Haidt „The Anxious Generation“ jetzt auch auf Deutsch erschienen.
  • Haidts Hauptthese: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen den Ängsten und psychischen Belastungen der heranwachsenden Generation und der Allgegenwärtigkeit von Smartphones.
  • Daher sollten Haidt zufolge Kids erst ab 14 Jahren Smartphones und erst ab 16 Jahren Social Media nutzen. Auch plädiert er für Smartphone-freie Schulen und mehr eigenverantwortliches Spielen im Freien.
  • Kritikerïnnen halten Haidt entgegen, er verwechsle Korrelation mit Ursache und Wirkung. So mahnt etwa Psychologieprofessorin Candice Odgers, Haidt schüre vor allem Ängste (Nature), Oxford-Professor Andrew Przybylski stellt fest, dass er in seinen eigenen Untersuchungen keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheit und Smartphone-Nutzung beweisen konnte (Bluesky / Andrew Przybylski).
  • Kollege Johannes Kuhn zeichnet die Debatte um Haidts Buch in einem lesenswerten Deep Dive nach (Internet Observatorium) und stellt fest:
Diese beiden Lager (“Wirmüssenhandeln” und “Wirwissenzuwenig”) stehen sich schon länger gegenüber. Ich habe allerdings den Eindruck, dass sich die Erfahrungswerte der Bevölkerung verändert haben: Fast alle Eltern können inzwischen etwas darüber erzählen, wie sich Aufmerksamkeit und Verhalten ihrer Kinder durch Smartphones verändert, wie sie teilweise Symptome von Abhängigkeit zeigen, gerade, wenn ihnen das Gerät entzogen wird. Es fühlt sich deshalb richtig an, was Haidt beschreibt.
  • Daher sei bei der Debatte zwingend Differenzierung geboten. Charles Arthurs Text ist dafür ein guter Startpunkt, denn „Haidt haters gonna hate, hate, hate, hate, hate, hate“. (Substack / Social Warming)
  • Und ja: Wenn ich meinen Kids (8 und 10 Jahre) eine halbe Stunde „Zocken“ erlaube, sind sie danach auch nicht besser drauf. Eigentlich kommt es sogar praktisch nie vor, dass sie danach mit leuchtenden Augen zu mir kommen. Vielmehr besteht in aller Regel großer Frust darüber, etwas nicht erreicht zu haben oder viel zu wenig Zeit zum Spielen bekommen zu haben.
  • Cheap Fakes: 2024 stehen weltweit 50 Wahlen an. Einige davon sind bereits gelaufen, andere gehen gerade erst langsam in die heiße Phase über. Allen gemein ist die Sorge vor Desinformationen. Vor allem KI-Tools, so die Annahme, könnten eine neue Dimension von Falschinformationen bescheren. Dass es die aber gar nicht benötigt, um falsche Bilder zirkulieren zu lassen, zeigt das jüngste Beispiel eines Videos von Joe Biden beim G7-Gipfel.
  • In den Aufnahmen ist der amtierende US-Präsident zu sehen, wie er sich von der Gruppe der Staatenlenker weg- und zu einer Gruppe von Fallschirmspringern hinbewegt, um sie zu begrüßen. In den auf Social Media und rechten Fernsehsendern zirkulierenden Videos wird der zweite Teil allerdings weggelassen und es sieht so aus, als würde Biden den anderen Politikerïnnen verwirrt den Rücken kehren. Yikes. Mehr braucht es auch 2024 gar nicht, um das Narrativ zu bedienen, Biden sei ein verdatterter, alter Mann, dem ja nicht das Präsidentenamt erneut anvertraut werden sollte… KI steht in diesem Fall für keine Intelligenz. (NBC News)
  • EU: Abstimmung über Chatkontrolle verschoben: Eigentlich hätte heute über die Chatkontrolle abgestimmt werden sollen. Doch der Punkt wurde kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Nun fällt die Abstimmung in die ungarische Ratspräsidentschaft. ​(Heise)
  • Studie: YouTubes Algorithmus favorisiert Videos von Rechten: Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) hat eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass YouTubes Algorithmus dazu tendiert, Videos aus dem rechten Lager zu empfehlen. Wir sind gespannt auf YouTubes Antwort. Vermutlich etwas mit „nicht ausreichenender Datenbasis“.
  • Studie: KI-Chatbots verbreiten russische Desinformation: Axios berichtet in Kooperation mit NewsGuard, dass die führenden KI-Chatbtos (ChatGPT-4, You.com's Smart Assistant, Grok, Inflection, Mistral, Microsofts Copilot, Meta AI, Anthropics Claude, Google Gemini und Perplexity) bei 57 Prompts bei gut jeder dritten Antwort Fake-Websites zur Quelle haben, die Teil einer russischen Desinfo-Anstrengung sind. Urrgs. Das klingt gar nicht gut.

Follow the money

  • Musk versucht in Cannes, gut Wetter zu machen. Aber das einzige, was bei der alljährlichen Marketing-Tagung strahlt, ist die Sonne. Wir erinnern uns: Letztes Jahr rief der rechtsextreme Verschwörungsideologe, der in seinem Day-Job Chef von Tesla, SpaceX und X ist, den Werbetreibenden noch zu: „Go, fuck yourself!“ Dieses Jahr ist Musk auf Kuschelkurs. Kein Wunder: Gerichtsunterlagen zeigen, dass X in den ersten sechs Monaten 2023 gut 40 Prozent weniger Einnahmen erzielte als im gleichen Zeitraum 2022 (Bloomberg). Da ist ein guter Draht zu den Werbetreibenden natürlich wichtig. Auch wenn er weiter nicht garantieren mag, dass ihre Inhalte nicht neben rassistischen und antisemitischen Inhalten landen (PR Week).
"That's totally fine. What is not cool is insisting that there can be no content they disagree with on the platform."
  • X arbeitet an Bezahlfunktion: Elon Musk träumt weiter davon, X in eine Alles-App zu verwandeln. Ein wesentlicher Schritt ist die Einrichtung einer Bezahlfunktion, wie wir sie etwa von Venmo oder Paypal kennen. Der Launch ist in den USA noch Ende 2024 geplant. (Bloomberg)

Next (AR, VR, KI, Metaverse)

  • Perplexitys Probleme: Das KI-Startup Perplexity sieht sich mit einer spannenden Recherche von Wired konfrontiert. Demnach habe Perplexitys Datenscraper die Seite mindestens 822 Mal angezapft, obwohl Wired per Code auf der Website angibt, keine Nutzung der Daten zu gestatten. Zudem berichtet das Internet-Fachmagazin, dass Perplexity ein extremes Problem mit ausgedachten Antworten habe (auch Halluzination genannt).
While Perplexity boasts that it provides "instant, reliable answers," it is "prone to bullshitting," Mehrotra and Marchman reported.
  • Perplexity selbst sieht die Probleme eher bei den Autoren (CNN): Wired habe einfach keine Ahnung, wie das Internet funktioniert 🤡
  • Spam-Bots bei Instagram gab es gefühlt schon immer. Aber aktuell ist das Volumen dann doch auffällig groß. Die Kollegïnnen bei der Zeit erklären, warum wir uns daran vermutlich gewöhnen müssen: Willkommen im Zeitalter des generativen KI-Schrotts.

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