Schönen guten Morgen! Snapchat hat sich der Idee verschrieben, künftig das Soziale von den Medien zu trennen und auf zwei separate Feeds zu setzen: einen für Freunde und einen für professionelle Medieninhalte. Ich habe einmal versucht, dieses Vorhaben mit Blick auf die weitere Entwicklung von Social Media und Medieninhalte einzuordnen und freue mich über Feedback. Merci, Martin

SNAPCHAT TRENNT DAS SOZIALE VON DEN MEDIEN

Separating the Social from the Media – so lautet die grundsätzliche Idee hinter Snapchats großem Redesign, das zum Ende dieser Woche an die ersten Nutzer ausgepielt wird. In einem Beitrag bei Axios erklärt Snapchats Gründer und CEO, Evan Spiegel, was es mit der Idee auf sich hat.

Der personalisierte News Feed, so Spiegel, hätte die Art und Weise, wie wir mit Freunden kommunizieren und wie wir Medieninhalte konsumieren, revolutioniert. Gleichwohl hätte diese Revolution große Kosten mit sich gebracht – „to facts, our minds and the entire media industry.“

Deshalb wird es künftig bei Snapchat zwei Feeds geben: einen für Freunde und einen anderen für professionelle Medienanbieter und Influencer. Während sich der Freunde-Feed ohne Eingriff eines Algorithmus nur aus den Stories und Snaps von tatsächlich bei Snapchat hinzugefügten Freunden speist, wird der zweite Feed auf zwei andere Arten bespielt:

  • erstens sollen via Machine Learning Vorschläge gemacht werden, welche Stories von professionellen Medienanbietern den Nutzer interessieren könnte – etwa so wie man das bereits von Netflix kennt.
  • zweitens soll es darüberhinaus ein Team bei Snapchat geben, die dafür Sorge tragen, dass die Auswahl der Inhalte nicht ausschließlich von Algorithmen gesteuert wird. Wie das im Einzelfall funktionieren soll, ist mir ehrlich gesagt noch schleierhaft.

Zunächst einmal hat Snapchat damit zu kämpfen, dass sie nicht wirklich weiter wachsen. Die Zahlen, die jüngst vorgelegt wurden, waren aus Börsensicht doch eher ernüchternd. Das Redesign der App soll nun dazu beitragen, dass die App leichter zu verstehen und zu bedienen ist, um dadurch ein größeres Publikum anzuziehen.

Darüber hinaus zeigt uns Snapchat aber auch auf – und das wäre meine Wette – wo die Reise auch bei Facebook hingehen könnte. Wie bereits vor wenigen Wochen von mir dargestellt, gibt es auch bei Facebook gute Gründe dafür, sich vom universellen News Feed zu verabschieden. Vieles davon ist deckungsgleich mit dem, was Spiegel bei Axios hinsichtlich des Redesigns von Snapchat anführt: der News Feed ist kaputt, zu viele Inhalte, falsche Anreize, Nutzer posten viel weniger als vor Jahren, usw. Hier ist mein ganzer Artikel zu Facebooks Abschied vom universellen News Feed.

Für Medienmacher könnte der Schritt von Snapchat somit durchaus interessant sein, müssten sie sich doch dadurch nicht auf Teufel kaum raus – wie es aktuell bei Facebook der Fall ist – der Aufmerksamkeitsökonomie der Plattform verschreiben, sondern könnten einfach gute, der Marke entsprechende Inhalte liefern. Sicherlich wird das Agieren auf Snapchat seinen Preis haben, womöglich wird es sich nicht jede Medienmarke leisten können, aber im besten Fall lässt sich mit dem Engagement auch etwas erwirtschaften.

Auf Facebook sehen wir doch viel zu häufig einen Spagat zwischen journalistischem Anspruch und Facebookscher Wirklichkeit, der am Ende noch nicht einmal etwas einfährt. Wenn eine solche Vermischung der Spielregeln auf Snapchat, respektive auf Facebook, künftig nicht mehr zum Tragen kommt, dann sind die Tage von Clickbait, fake news, etc. vielleicht gezählt.

FUTURE OF JOURNALISM

Facebook lässt in einem Test einige Publisher ein „Breaking“-Tag benutzen, um im News Feed eine Nachricht besonders hervorzuheben. So könnte eine Nachricht etwa für 15 Minuten oder sechs Stunden getaggt werden. Allerdings dürften Publisher nur einmal innerhalb von 24 Stunden das Tag benutzen. Mit der Wirklichkeit hat das aber imho nicht viel zu tun – eher mit der Aufmerksamkeitsökonomie bei Facebook. Schließlich verhält es sich in einer wirklichen Breaking News Situation doch eher so, dass mehrere Nachrichten ein Breaking-Tag verdient hätten, während die Verwendung eines einzigen Tags innerhalb von 24 Stunden eher als Zückerli für Publisher interpretiert werden dürfte. Facebook is giving some publishers a ‘breaking’ label for news posts [recode]

PRIVACY

Facebook testet eine neue Option, um Nutzer möglichst eineindeutig verifizieren zu können. So berichten User davon, dass sie von Facebook aufgefordert wurden, ein Foto hochzuladen, das ihr Gesicht klar und deutlich zeigt, um sich wieder in ihr Konto einloggen zu können – quasi eine neue Form des Captcha.

Die Idee dahinter: Facebook kann so über eine interne Datenbank prüfen, ob es sich um eine reale Person handelt oder ob das Foto vielleicht schon bei anderen Profilen Verwendung findet. Zuckerberg ist davon überzeugt, dass die Plattform am besten funktioniert, wenn sie von 100 Prozent identifizierbaren Nutzer benutzt wird.

Kollege Patrick Beuth machte mich via Twitter darauf aufmerksam, dass der Test von Facebook auch im Zusammenhang mit dieser Meldung brisant ist: Die Regierung in Australien will es Unternehmen künftig ermöglichen, auf offizielle Gesichtserkennungsdatenbanken gegen Gebühr zuzugreifen. Dadurch könnte dann ein entsprechender Abgleich stattfinden und die Anonymität im Internet wäre faktisch nicht mehr möglich.

Wie von uns berichtet hat Facebook eine Software entwickelt, die Nutzer mit Selbstmordabsichten aufspüren und Hilfe anbieten soll. Während sich die Berichterstattung eher positiv gestaltete, stellt The Register sechs kritische Fragen, die Facebook natürlich nicht beantwortet hat: How does the AI system work? Where did they get the training data from? How representative is that data? What is the problem with Europe? What kind of human intervention is used? Are there any significant results so far?

Noch eine AI-Meldung aus Facebooks Headquarter: Facebook meldet, dass sie bereits jetzt in der Lage sind, fast sämtliche Terror-Propaganda-Postings zu finden und zu löschen – noch bevor sie von regulären Nutzern markiert wurden.

All diese Meldungen – keine Bots auf Facebook, Hilfe für Selbstmordgefährdete und keine Terror-Propanda – sind für sich genommen großartig! Keine Frage. Allerdings läuft es mir schon auch ein wenig kalt den Rücken runter, wenn ich mir vor Augen führe, was passieren könnte, wenn die sozialen Netzwerke sich dafür entscheiden, ihre machtvollen Instrumente anderweitig einzusetzen. Die Deutungshoheit darüber, was unterstützens- und was bekämpfenswert ist, sollte nicht bei einem nicht demokratisch legitimierten Privatunternehmen liegen. Sollten wir uns doch darauf stillschweigend verständigen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Netzwerke auch irgendwann Entscheidungen treffen, die uns selbst in unserer Freiheit beschneiden – so subtil die Entscheidungen auch ausfallen mögen.

TOOLS

Istagram testet eine Reihe von Tools – unter anderem probiert Instagram einen originären Regram-Button aus. Damit ließe sich, wie die Funktion der App eines Drittanbieters schon länger zeigt, ein Foto eines Dritten im eigenen Account reposten, ohne das Foto erst runterladen und wieder neu posten zu müssen. Eine Funktion, die ich persönlich sehr spannend finde und begrüßen würde. Die ebenfalls getestete stärkere Einbindung von GIFs in Stories, etc. kann meinetwegen wieder ganz schnell verworfen werden. The Next Web hat alle Tests im Überblick.

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