Mark Zuckerberg hat sich zu Wort gemeldet und die Vertrauensfrage gestellt – jedenfalls so in etwa. Welche Konsequenzen Facebook aus dem Cambridge-Analytica-Skandal für das eigene Geschäft zieht und was Zuckerberg vor allem alles nicht anspricht, das ist u.a. Thema im heutigen Briefing. Gute Lektüre! Wer mag, kann mich hier monatlich unterstützen. Merci, Martin & Team
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UPDATE, 22.3.2018 – 7:45 Uhr
Im CNN-Interview hat Zuckerberg ein paar Dinge angesprochen, die er so in seinem Blogpost noch nicht genannt hatte – unter anderem, dass er sich wohl doch auch vorstellen könnte, vor dem Kongress auszusagen und dass es ihm leid tue, was passiert sei. Ich habe das entsprechend korrigiert in meiner Auflistung hier.
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KANN MAN MARK ZUCKERBERG NOCH VERTRAUEN?
Was ist: Der Skandal rund um Facebook und Cambridge Analytica nimmt weiter Fahrt auf. Mark Zuckerberg hat sich zu Wort gemeldet – per Post auf Facebook und in einem Interview bei CNN. Das Interview habe ich vor der Fertigstellung dieses Briefings nicht mehr sehen können, den Blogpost aber natürlich ausführlich gelesen.
Was Zuckerberg gesagt hat:
- Zuckerberg nennt den Cambridge-Analytica-Skandal die Cambridge-Analytica-Situation.
- Zuckerberg sieht in dem Skandal vor allem ein Problem hinsichtlich der Weitergabe von Daten an Drittanbieter.
- Zuckerberg spricht von einem „breach of trust“ zwischen Facebook und den Nutzern.
- Zuckerberg versichert, dass sie bereits 2014 die wichtigsten Weichen gestellt hätten, um Ähnliches wie im Fall CA nicht wieder geschehen zu lassen.
- Zudem will Facebook alle Apps überprüfen, die im gleichen Zeitraum wie die von Dr. Kogan lanciert wurden, um sicherzugehen, dass an einem anderen Ort nicht Ähnliches passiert ist.
- Künftig wird Facebook die Daten, die Drittanbieter nutzen können, auf Name, Profilfoto und Email-Adresse reduzieren.
- Auch wird Facebook für seine Nutzer prominent oberhalb des News Feeds eine Übersicht einbauen, aus der ersichtlich werden soll, welchen Apps welche Daten abgreifen können.
- Zuckerberg betont, dass er verantwortlich für das sei, was auf Facebook passiert.
- Zuckerberg möchte daran arbeiten, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen.
Mark Zuckerberg: We have a responsibility to protect your data, and if we can’t then we don’t deserve to serve you
Was Zuckerberg nicht gesagt hat:
Zuckerberg hat sich nicht dafür entschuldigt, dass Facebook seine Nutzer nicht über die Datenweitergabe durch Dr. Kogan an Cambridge Analytica in Kenntnis gesetzt hat.- Zuckerberg hat nicht erklärt, warum er fünf Tage bis zu einem Statement gebraucht hat.
- Zuckerberg hat nicht erklärt, warum sie die Veröffentlichungen durch die New York Times und den Guardian verhindern wollten.
Zuckerberg hat nichts darüber gesagt, ob er sich bereit erklärt, den Rufen nach einer Anhörung vor politischen Ausschüssen zu folgen.- Zuckerberg hat nichts darüber gesagt, warum sie nicht mit aller Konsequenz überprüft haben, ob CA die Daten wirklich gelöscht hatte – immerhin wussten sie davon seit 2015.
- Zuckerberg hat auch nichts darüber gesagt, warum sie nicht im Zuge der Ermittlungen rund um die etwaigen Wahlmanipulationen bei der US-Wahl auf die unerlaubte Weitergabe von mindestens 300.000 US-Nutzerprofilen an Cambridge Analytica hingewiesen haben – immerhin ist CA eng mit Trump verbunden.
- Zuckerberg hat auch nichts darüber gesagt, dass Facebooks Geschäftsmodell, also das Sammeln und der Verkauf von Werbung auf Basis von Nutzerdaten, rigoros überdacht würde.
Was bedeutet das alles? Facebook sieht sich einer bis dato unvergleichlichen Situation ausgesetzt. Dass Zuckerberg so lange gebraucht hat, um sich öffentlich zu artikulieren, kann nur einen Grund haben: Facebook ist kein normales Unternehmen, Facebook ist Mark Zuckerberg.
Facebook ist Mark Zuckerberg?
- Zuckerbergs Post bringt es auf den Punkt. Er schreibt: „I started Facebook, and at the end of the day I’m responsible for what happens on our platform.“
- Während es bei anderen Unternehmen für ähnliche Krisen eingeübte Abläufe gibt (Kritik wird registriert, man untersucht die Sache, man findet einen Schuldigen, der dann in der Folge seinen Hut nimmt), verhält es sich bei Facebook anders: nichts geht an Zuckerberg vorbei. Das Unternehmen lebt einen unvergleichlichen Personenkult.
- Zuckerbergs Kalkül dabei: Menschen müssen Facebook Vertrauen schenken. Menschen vertrauen aber keinen Institutionen. Menschen vertrauen Menschen. Zuckerberg soll dieser Mensch sein.
Das ist mir alles viel zu viel! Kann ich verstehen, ist aber alles trotzdem total wichtig, weil es unterstreicht, wie sehr wir es hier mit einer nicht demokratisch-legitimierten Instanz zu tun haben, die über Informationen von Milliarden Menschen entscheidet. Um die Sache aber für heute nicht zu überstrapazieren, möchte ich an dieser Stelle nur noch drei weitere Texte empfehlen:
- Warum der Skandal vor allem im System Facebook selbst begründet ist, beschreibt Kollege Sascha Lobo in seiner Kolumne für SPON ausgeruht und auf den Punkt.
- Warum sich Facebook so stark über die Person Zuckerberg definiert, erklärt Jessi Hempel bei WIRED: The Irreversible Damage of Mark Zuckerbergs Silence
- Welche Gründe es für Mark Zuckerberg gäbe, Facebook abzuschalten – und etwas Neues zu starten. The Case Against Facebook
Ach so, eine Sache noch! Wo wir gerade von Vertrauen sprechen: Wenn wir darüber sprechen, warum wir Facebook nutzen, dann wird häufig vor allem der sogenannte Netzwerkeffekt genannt – also die Tatsache, dass sich der Wert einer Plattform um die Anzahl der Nutzer steigert: je mehr Leute Facebook nutzen, desto schwieriger ist es, nicht mitzumachen. Aber der Netzwerkeffekt kann auch in die andere Richtung funktionieren. Denkste mal drüber nach, hätte mein alter Mitbewohner gesagt.
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MILLIARDÄRE WERDEN UNS NICHT RETTEN
Was ist: Es ist die eine große Erzählung, die uns immer wieder aus dem Silicon Valley erreicht: dieses Produkt (soziales Netzwerk / Suchmaschine / Elektroauto / Marsmission / Künstliche Intelligenz) wird die Welt zu einem besseren Ort machen.
Aber so wie es aussieht, muss ich dich enttäuschen und dir mitteilen, dass das wahrscheinlich so nicht stimmt. Substantiell untermauert wird meine pessimistische Annahme durch das neue Buch von Anand Giridharadas, das den Titel „Winners Take All: The Elite Charade of Changing the World“ trägt.
Was steht in dem Buch? Giridharadas beschreibt, warum er nicht daran glaubt, dass die Elite wirklich ein Interesse daran hat, die Welt zu einem fundamental besseren Ort zu machen – es fehlten schlichtweg die incentives:
Anand Giridharadas: Mark Zuckerberg will go down in history as a tragic figure, and one befitting an age of billionaire savior delusions. He claimed to change the world even as he maimed his country. He pledged to rid the world of diseases while ignoring the disease he was spreading. He embodies every tendency I have tried to take on in @WinnersTakeAll.
The Silicon Valley pretense of not being powerful, and therefore responsible, of just being an empowerer of others. The fantasy of the businessman-as-thinker that allows a man like him to become, in his own mind, a philosopher, a sage prophesying the new world instead of just another self-interested businessman like the rest of them. The figure who pretends to be merely predicting a future that he is in fact ruthlessly fighting for, a future that is asphyxiating to many people and industries and communities. The preposterousness of doing your day job cynically, corruptly, monopolistically, without regard for the public good, while very publicly and very ceremoniously donating some of the profits from that ruthlessness to „saving“ humanity.
The absurdity of purporting, because you started a dorm-room social network, to be a leader of mankind and solver of its problems, when you are, in fact, a moral debtor who in many ways should be asking for your society’s mercy. We are living in a collective fantasy that the people who cause our problems are the best at solving them. That is how Zuck ends up being a leader of rethinking the news after eviscerating it. How he can position himself as a force for democratization while corrupting democracy.
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TOOLS, APPS UND WEBSITES
Zum Schluss noch zwei Tools, die heute natürlich etwas unmotiviert daherkommen, aber trotzdem bestimmt ganz hilfreich sind. In den kommenden Briefings geht es dann auch wieder mehr um Alltägliches – und nicht so sehr ums Große und Ganze. Also vielleicht jedenfalls.
- Bei YouTube kann man jetzt direkt von seiner Webcam aus einen Livestream starten.
- Admins können jetzt bei Facebook Messenger Gruppenchats leichter neue Nutzer in die Unterhaltung einbinden.
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