Salut und herzlich Willkommen zur 449. Ausgabe des Social Media Briefings. Heute u.a. mit einem Blick auf Facebooks neue Datenschutzoptionen, Snapchats neues Werbeformat und einem Interview mit den Machern von The Cleaners – einem Dokumentarfilm zur Arbeit von Content Moderatoren bei Facebook. Vielen Dank für das Interesse, Martin & Team


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Facebooks neue Datenschutzoptionen

Was ist: Facebook hat neue Datenschutzoptionen und möchte gern, dass die Nutzer diesen nun auch zustimmen.

Was du darüber wissen musst:

  • Du musst diesen Optionen nicht zustimmen. Du kannst deinen Account auch einfach löschen.

Was du außerdem noch wissen solltest:

  • Facebooks neue Datenschutzregeln sind keine Antwort auf den Cambridge Analytica Skandal, sondern eine Antwort auf die Anforderungen der neuen Datenschutzgrundverodnung der EU (GDPR).
  • Die neuen Datenschutzoptionen werden zunächst Nutzern in Europa angezeigt. Nutzer müssen der GDPR entsprechend, ihre bewusste Einwilligung in die Verarbeitung bestimmer Daten geben.
  • Lese-Tipp: A flaw-by-flaw guide to Facebook`s new GDPR privacy changes

Was sich ändert:

  • Shortcuts: Facebook bietet Nutzern nun an einem zentralen Ort die Option, sämtliche Datenschutzeinstellungen vorzunehmen.
  • Sensible Daten: Im Fokus stehen die sogenannten besonders sensiblen Daten: etwa der Glaube, Angaben zur politischen Einstellung oder der Beziehungsstatus. Facebook bietet an, diese nicht mehr für gezielte Werbung zu nutzen.
  • Gesichtserkennung: Überraschenderweise bittet Facebook beim Rollout der neuen Datenschutzoptionen die Nutzer auch darum, der Gesichtserkennung zuzustimmen. Bislang war das Feature in der EU verboten. Jetzt, da Nutzer ihre informierte Einwilligung geben müssen, sieht Facebook die Option, das Feature „endlich“ unters Volk zu bringen.
  • Minderjährige dürfen die Gesichtserkennung nicht verwenden, die vollen Facebook-Optionen nur Einverständniserklärung eines nicht weiter zu überprüfenden Erziehungsberechtigten.
  • Daten von Partnerfirmen: Auch bittet Facebook die Nutzer um ihre Einwilligung, dass Facebook Daten von Dritten nutzen darf, um gezielter Werbung zu schalten.

Kritik an den neuen Optionen:

  • Facebook bietet seinen Nutzern zumeist nur die Option an, etwas zu teilen oder eben nicht. Eine Feinjustierung ist nicht vorgesehen. Solche Optionen würden eh nicht genutzt, heißt es dazu nur immer wieder aus Tech-Kreisen.
  • Die Art und Weise, wie Facebook die Nutzer um Zustimmung bittet, lässt einen schon erahnen, dass Facebook darauf setzt, dass sich Leute ohne groß nachzudenken mal eben durch die neuen Optionen klicken:

Be smart: Facebook suggeriert mit den neuen Datenschutzoptionen, dass die Nutzer wirklich eine Wahl hätten. Am Ende bleibt es aber das Geschäftsmodell, Nutzer so viel wie möglich zu tracken, um das über die Nutzer gewonnene Wissen zu verwenden, damit Dritte auf Facebook gezielter Werbung schalten können. Oder wie Aral Balkan so schön auf Twitter schreibt:

Aral Balkan: Facebook is a factory farm for human beings. It is not your friend, it is not fundamentally good, it is an extractive and exploitative machine. Let’s stop expecting it to be what it is not and regulate it to limit its abuses. PS. Google, etc., have the exact same business model.

Let me put it this way: if Facebook or Google started truly respecting your privacy, they’d go bankrupt. Expecting them to do this – and to do it voluntarily to boot – is the heights of naïveté.


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1,5 Milliarden Facebook-Nutzer nicht mehr unter EU-Datenschutz

Was ist: Facebook hat bestätigt, dass die 1,5 Milliarden Nutzer, die nicht in der EU leben, künftig nicht mehr den Terms of Services unterstehen, die an Facebooks Sitz in Irland geknüpft sind.

Warum ist das interessant?

  • Mark Zuckerberg hatte in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass alle Facebook-Nutzer in den Genuss des wohl stärksten Datenschutzes der Welt kommen würden – nämlich dem der EU.
  • Jetzt stellt sich heraus, dass Zuckerberg auch hier nicht transparent agierte: künftig wird 1,5 Milliarden Nutzern weltweit der Anspruch genommen, entsprechendes EU-Recht geltend zu machen.

Warum macht Facebook das? Nun, die neue Datenschutzgrundverordnung sieht erhebliche Strafen vor, sollten Unternehmen gegen das Gesetz verstoßen. Da ist es für Facebook natürlich attraktiver, das in den USA geltende Datenschutzrecht als Grundlage für die internationalen Nutzern zu nehmen.

Die Details: Dieser Thread auf Twitter erklärt sehr genau, welche Konsequenzen das für die Non-EU-User hat und warum Facebook das macht.

Be smart: Solche Pläne schmiedet man nicht innerhalb von einer Woche. Folglich hat Zuckerberg vor dem US-Kongress und in den Interviews davor alle wissentlich an der Nase herumgeführt. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen für mich anders aus.


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Was ist: Snapchat bietet ein neues Werbeformat an, das es Nutzern z.B. ermöglicht, direkt auf Snapchat shoppen zu gehen.

Wie funktioniert das? Snapchat lässt Werbetreibende künftig einen Link innerhalb von Filtern setzen, über den dann direkt zum Shop gelangt werden kann, respektive ein Video angeschaut oder eine App heruntergeladen werden kann. Alles direkt innerhalb von Snapchat selbst.

Money Quote:

Sometimes you can’t even tell you are using an ad for your selfie.


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Schon einmal im Briefing davon gelesen

Weibo: Das chinesische Pendant zu Twitter, Weibo, hatte im vorauseilendem Gehorsam angekündigt, in den kommenden drei Monaten Inhalte, die der „gay culture“ zuzuordnen wären, von der Plattform zu nehmen. Daraufhin gab es so viel Protest, dass sich Weibo veranlasst sah, das Vorhaben wieder zurückzunehmen. Dass sie a) überhaupt auf die Idee gekommen sind, spricht nicht für das Unternehmen. Dass es b) technisch möglich ist, bestimmte Inhalte so gezielt aus dem öffentlichen Diskurs herauszunehmen, ist erschreckend.

Telegram: Weil Telegram sich weigerte, der russischen Regierung verschlüsselte Nachrichten zugänglich zu machen, blockierte Russland Millionen von IP-Adressen, die vermeintlich für die Funktionalität des Messengers erforderlich waren. Blöderweise – also aus russischer Sicht – war Telegram allerdings so schnell darin, von einem Server zum nächsten zu ziehen, dass nicht Telegram lahmgelegt wurde, sondern zahlreiche andere Internetdienste. Die ganze Geschichte.

Facebook: Einem beim Investigativ-Portal The Intercept erschienenden Artikel zufolge bastelt Facebook fleißig daran, nicht nur das Verhalten der Nutzer in der Vergangenheit genauestens zu verstehen, sondern auch daran, das künftige zu beeinflussen. Wie das funktioniert.


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Lesetipps zum Wochenende

Silicon Valleys Arroganz: So langsam wirkt es so, als ob im Silicon Valley nur noch der IQ zählen würde, der EQ scheint komplett außer Acht gelassen. Das sage nicht ich, sondern M.G. Siegler, seines Zeichens Venture-Kapital-Geber im Auftrag von Google: Arrogance Peaks in Silicon Valley.

Was kommt nach den Social-Media-Giganten? In einer lesenswerten Analyse geht BuzzFeeds Chefredakteur Ben Smith der Frage nach, ob wir am Rande einer neuen Zeitrechnung in Sachen Social Media stehen: Maybe we’ve reached the point where it’s not even possible to have Facebook in common.

Trumps Social Media Direktor: Es gibt dem Vernehmen nach nur diesen einen Menschen, dem Donald Trump in Sachen Tweets komplett vertraut: Dan Scavino. Doch wie ist es eigentlich, Trumps Social Media Direktor zu sein? The Man Behind the President’s Tweets.


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One Last Thing

Was ist: Ich hatte das Vergnügen mit den beiden Regisseuren von The Cleaners, über ihren Film zur Arbeit von Content Moderatoren bei Facebook und YouTube zu sprechen – hier ist der Artikel zum Interview.

Warum ist das interessant? Die investigative Dokumentation von Hans Block und Moritz Riesewieck zeigt auf eindrückliche Weise, wie kaum geschultes Personal darüber entscheidet, was wir auf Facebook sehen – und was nicht.

Was erfährt man, was noch nicht bekannt war? Die Dokumentation ist extrem vielschichtig, ich habe unglaublich viel gelernt – im Film und im Interview mit den beiden Regisseuren, einige Beispiele:

  • Content Moderatoren in Manila müssen 25.000 Bilder pro Tag sichten
  • Sie dürfen Bilder überspringen, dann gilt es allerdings als Fehler
  • Wer mehr als drei Fehler pro Monat macht, wird vom Vorgesetzten überprüft
  • Content Moderatoren in Manila bekommen lediglich 3-5 Tage lang eine Einweisung
  • Dann müssen sie das mindestens 100-Seiten umfassende Regelwerk von Facebook verinnerlicht haben
  • Behalten dürfen sie es nicht, weil die Angst zu groß sei, dass jemand das Regelwerk leaken könnte
  • Auf der Liste, der zu sperrenden Inhalte sind verschiedene Terrororganisationen aufgeführt.
  • Erstellt wurde die Liste von Behörden der USA.
  • Bedeutet: Die USA definiert für mehr als 2 Milliarden Menschen, was Terror und was Freiheitskämpfer ist.
  • Viele Content Moderatoren leiden an Posttraumatischen Belastungsstörungen
  • Psychologische Betreuung aber ist an Standorten wie Manila marginal
  • Einmal im Monat gibt es ein Gespräch, bei dem gefragt wird, wie es den Mitarbeitern.
  • Aus Sorge um ihren Job, redet kaum jemand über seine psychologischen Probleme.
  • Die Selbstmordrate ist in der Branche außergewöhnlich hoch.

Ach so: An zwei Stellen haben sich in unserem Gespräch übrigens Fehler eingeschlichen:

  • Erstens sind es natürlich „nur“ etwas mehr als zwei Milliarden Facebook-Nutzer und nicht drei Milliarden
  • Zweitens gehören laut Facebook zu den bald 20.000 Mitarbeitern im Bereich Sicherheit tatsächlich eben auch jene Moderatoren, über die es im Film The Cleaners geht.

Wann kann man den Film sehen? Der Film wird unter anderem auf der re:publica gezeigt, kommt dann Mitte Mai regulär in die Kinos. Wer mag, kann sich hier über die Aufführungstermine informieren.