Salut und herzlich Willkommen zur 477. Ausgabe des Social Media Watchblog Briefings. Heute werfen wir einen Blick auf die Partnerschaft von Facebook und traditionellen Medienunternehmen, „Free Speech“ im Plattform-Zeitalter (schlichtweg das Über-Thema) und den Rückgang des Engagements bei Facebook. Vielen Dank für das Interesse, wir wünschen eine gewinnbringende Lektüre, Martin & Team

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Get Rich Or Die Tryin’

Was ist: Campbell Brown kümmert sich bei Facebook um die Partnerschaften zu (traditionellen) Medienunternehmen. Ihr Job ist es, den Verlagen und Sendern dieser (alten) Welt die Vorzüge von Facebook aufzuzeigen, ohne ihnen dabei zu viel Angst einzujagen. Das klappt nicht immer – wie ein Artikel von The Australian zeigt.

Was hat sie gesagt? Laut The Australian soll Campbell Brown folgende Sätze gesagt haben:

Mark (Zuckerberg) doesn’t care about publishers but is giving me a lot of leeway and concessions to make these changes.

We will help you revitalise journalism … in a few years the reverse looks like I’ll be holding hands with your dying business like in a hospice.

No way, das hat sie nicht wirklich gesagt: Nun ja, eigentlich ist das in der Tat kaum vorstellbar, schließlich sind die Mitarbeiter aus dem Reich Zuckerberg in aller Regel äußerst vorsichtig hinsichtlich dessen, was sie äußern. Und auch in diesem Fall beteuert Facebook, dass dies so von Brown nie gesagt worden sei. The Australian hingegen behauptet das Gegenteil. Was will man machen – letztlich war niemand von uns dabei. Sehr wohl darf aber angemerkt werden, dass Campbell Brown bereits im Frühjahr durch ein ähnliches Zitat aufgefallen ist. Wir erinnern uns: „If anyone feels this isn’t the right platform for them, they should not be on Facebook.“ Mmh, makes me think…

Ok, was sagt uns das jetzt? Die Zitate, die nun via Twitter ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben, sind zwar ärgerlich, aber nicht die einzigen aus dem Australian-Artikel, die die Runde hätten machen können. Vielmehr weißt das Nieman Lab auf diese Aussage Browns hin, die es wirklich in sich hat:

We are not interested in talking to you about your traffic and referrals any more. That is the old world and there is no going back.

Was heißt das? Facebook ist für Hunderte Millionen von Menschen der Gatekeeper Nummer Eins, wenn es um Informationen und Unterhaltung geht. Facebook bestimmt, welche Inhalte auf der Plattform auf welche Art und Weise den Nutzern primär angezeigt werden. Sehr lange konnten Medienunternehmen davon profitieren, dass Facebook Links zu ihren Inhalten for free verteilte. Jetzt scheint Facebook nun wirklich das Interesse daran verloren zu haben, Nutzer via News Feed zu traditionellen Medienangeboten zu schicken – jedenfalls derart, als das sich daraus für eben jene Angebote ein Geschäftsmodell ergeben würde.

Be smart: Wer seine Inhalte direkt auf Facebook erlebbar macht, in Form von Grafiken, Fotos, Slideshows oder Videos, darf in Facebook wohl auch künftig einen Partner sehen (jedenfalls dann, wenn er das gegenfinanziert bekommt). Wer allerdings weiterhin primär darauf setzt, nur seine Inhalte via Facebook zu verteilen, um die Ernte dann auf der eigenen Website einzufahren, dürfte einer von eben jenen Hospiz-Patienten sein, denen Campbell Brown das Händchen halten soll.

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Free Speech im Plattform-Zeitalter

Was ist: Die Diskussion darüber, welche Inhalte von den Social-Media-Plattformen und Technologie-Unternehmen erleb- und auffindbar gemacht werden, respektive welche eben nicht, wird eine der wichtigsten der kommenden Jahre werden. Zu sehr sind die Firmen und ihre Angebote zu den bedeutendsten Bühnen der öffentlichen Informationsverteilung und Debatte geworden, als das wir nicht gesamtgesellschaftlich um die richtigen Wege und Lösungsansätze ringen sollten.

Wo ist denn das Problem? Der beste Artikel zu dieser Frage stammt von Techdirt. Ich bin an dieser Stelle einmal so frei, die Einleitung des Artikels hier 1:1 abzubilden:

Internet sites have every right in the world to kick people off their platforms, and there’s no legal or ethical problem with that. No one’s free speech is being censored. That said, we should be at least a bit concerned about the idea that giant internet platforms get to be some sort of arbiter of what speech is okay and what speech is not, and how that can impact society more generally. But there are possible solutions to this, even if none are perfect and some may be difficult to implement, and we should explore those more thoroughly, rather than getting into screaming fights over who should or shouldn’t be allowed to use various internet platforms.

Be smart: Wir sind imho als Medienmacher dazu verpflichtet, die Beantwortung all dieser Fragen nicht nur den Tech-Konzernen zu überlassen. Wie wir am Beispiel Twitter sehen, ist die Führungsriege allem Anschein noch weit entfernt davon, konkrete Ideen, wie sie Twitter zu einem besseren Ort machen könnten, zu präsentieren. Das jedenfalls geht aus den Beobachtungen von „New York Times“-Kollegen hervor, die bei einem Meeting dabei sein durften. Das sollte nicht frustrieren, sondern darf durchaus Mut machen und zu kreativem Protest anregen. Was nicht passieren sollte: einfach nur die wohl-temperierten Pressemitteilungen von (z.B.) Facebook runterschlucken und abwarten, wie sie sich das nächste Mal verhalten. Dafür sind die Plattformen zu wichtig für die Welt – ob einem das nun gefällt oder nicht.

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Fakten, Fakten, Fakten

Sinkendes Engagement: Buffer und BuzzSumo haben 43 Millionen Facebook Posts von 20.000 Marken untersucht. Ihre 5 Learnings:

  • Top-Pages posten sehr viel mehr als vor einem Jahr
  • Das Gesamt-Engagement geht massiv zurück
  • Sowohl Video-, Foto- als auch Link-Posts verlieren an Engagement
  • 5 Posts am Tag sind ein guter Richtwert
  • Die Top-Page-Kategorien verzeichnen die größten Verluste

Kommentare wichtiger als Shares? Auch von NewsWhip gibt es neue Zahlen. Zwar interessiert mich persönlich nicht so sehr, wer die größten (gemessen am Engagement) Publisher auf Facebook sind, sehr wohl finde ich aber spannend, was überhaupt noch zu Engagement führt. So ist im Artikel zu erfahren, dass die Anzahl der Kommentare bei den Top-25-Publisher stets sehr viel höher ist als die Shares. Sehr, sehr häufig würde es sich dabei um sogenannte „Share Comments“ handeln, bei denen der Post via Personen-Tagging im Kommentar mit Dritten geteilt wird.

Nielsen-Studie: Weiter geht es mit diesen verrückten Zahlen von Nielsen, denen zufolge Erwachsene in den USA fast den halben Tag mit Medien interagieren – stolze 11 Stunden verbringen sie damit, Medieninhalte zu hören, zu gucken, zu lesen oder sich generell mit Medien zu befassen. Die Arbeit am PC etwa ist dabei (sofern ich die Studie richtig lese) noch nicht einmal berücksichtig. „Wir“ sind solche Zombies…

Jugendliche nutzen Medien selektiv: Laut der BRAVO-Mediennutzungsstudie 2018 wissen Jugendliche tatsächlich noch, was ein Fernseher ist. Überhaupt seien sie echte Medienprofis und würden Medien sehr selektiv nutzen. Nun denn.

Sinkende Werbeumsätze: Satte 417,5 Millionen Dollar weniger Werbeeinnahmen verbuchten Magazine in den USA im Jahr 2017. Das entspricht einem Rückgang von 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nicht alle können die Verluste durch digitale Erlöse wettmachen. Im Gegenteil: eigentlich sind es nur die Allerwenigsten.

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Inspiration

Warum Monocle auf Social Media verzichtet: Ok, Monocle ist jetzt nicht gerade eine Tageszeitung, die es auf maximale Reichweite anlegt. Sehr wohl ist es aber ein Player im internationalen Medienmarkt, der sich den gleichen Rahmenbedingungen ausgesetzt sieht wie alle anderen auch. Umso spannender erscheint mit daher, wie sie auf Social Media agieren – nämlich gar nicht. Stattdessen können Interessierte mit den Machern des Magazins für 1500 Euro in den Züricher See springen. Ist ja auch was – und hinsichtlich des Erlebnisfaktors sicherlich um ein Hundertfaches nachhaltiger als irgendein vergänglicher Facebook-Post.

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Neues von den Plattformen

Facebook

  • Connectivity: Zwar hat man sich mit internet.org die eine oder andere blutige Nase geholt und das Projekt Aquila begraben, sehr wohl arbeitet Facebook aber weiterhin daran, die restlichen 3,8 Milliarden Menschen, die noch kein Internet (read: Facebook) haben, mit Internet zu versorgen. Dafür hat das Unternehmen nun eine neue Dachgesellschaft gegründet: Connectivity.
  • Neue Page-Authentifizierung: Damit sogenannte „bad actors“ nicht so ohne Weiteres riesige Facebook-Seiten aufbauen und über sie Desinformationskampagnen fahren können, installiert Facebook nun für Seitenbetreiber ein neues Authentifizierungs-Verfahren.

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One More Thing

Zum Abschluss dieses Briefings möchte ich einen Artikel vom sehr geschätzten Watchblog-Kollegen Simon Hurtz empfehlen. Seine Liebeserklärung an die gute, alte RSS-Technologie kann ich direkt unterschreiben und nur jedem ans Herz legen. Wie schreibt Simon so schön: Facebook ist wie eine Kantine, RSS wie selbst kochen.