Salut und herzlich willkommen zur 971. Ausgabe des Social Media Watchblogs! We are back! Die Sommerpause ist vorbei, die Akkus wieder voll und die Freude, heute diesen Newsletter verschicken zu dürfen, ist riesig!

Seit sechs Jahren und zwei Tagen schreiben wir diesen Newsletter nun hauptberuflich. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte! Vielen lieben Dank für das Vertrauen in unsere Arbeit! Ohne deine Unterstützung und Wertschätzung wäre das alles nicht möglich.

Heute möchten wir rasch aufarbeiten, was in den vergangenen Wochen aufgeploppt ist. Am Donnerstag steigen wir dann wieder ins Tagesgeschäft ein. Aber speaking of Tagesgeschäft. So ganz lässt sich nach diesem Wochenende nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Es schmerzt uns sehr, dass in Thüringen und Sachsen so viele Wählerïnnen ihr Kreuz bei einer vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremen Partei gemacht haben. Der Wohnort des AfD-Landeschefs Björn Höcke liegt keine 30 Kilometer von Göttingen entfernt. Satte 48,2 Prozent haben in dem beschaulichen Örtchen der AfD ihre Stimme gegeben (Göttinger Tageblatt / €). Ich, Martin, fahre dort regelmäßig mit dem Rennrad durch. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das schaudern lässt.

So entsetzt wir über das Ergebnis sind, so entschlossen sind wir aber auch, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern uns weiter für Demokratie, Solidarität und Menschlichkeit einzusetzen. Da Medienkompetenz und Kommunikation zentrale Bausteine sind, um zu verstehen, wie unsere Welt funktioniert, und um bessere Entscheidungen zu treffen, sind wir extrem motiviert, diesen Newsletter mit Herzblut weiter voranzutreiben.

Zudem gibt es erste Gespräche und Überlegungen, freie Workshops zu den Logiken und Funktionsweisen von sozialen Medien zu machen - hier in Göttingen und im weiteren Umland, for free, für interessierte Bürgerïnnen.

Vielleicht ist das eine echte Chance, für mehr Miteinander zu werben und einem weiteren Auseinanderdriften entgegenzuwirken. Es ist nur eine erste Idee für einen eigenen Beitrag. Aber mit Blick auf die Stärke der AfD (und ihren rechtsextremen Freunden) in den sozialen Medien und ihre dort verbreiteten Narrative stellt dies vielleicht eine Möglichkeit dar, sich für die Demokratie einzusetzen.

Und jetzt: zum heutigen Briefing!


Die drei größten News der vergangenen Wochen

Ein Hinweis vorab: Wir werden uns in den kommenden Tagen und Wochen allen Themen noch eimal gesondert annehmen. Heute liefern wir nur einen ersten Überblick.

  1. "SearchGPT": OpenAI entwickelt eigene Suchmaschine: Der Konzern hinter ChatGPT arbeitet weiter daran, die Art und Weise, wie wir nach Informationen suchen, radikal zu verändern. In einem Blogpost stellt die Firma von Sam Altman das Projekt „SearchGPT“ kurz vor: Die KI-Suchmaschine soll Antworten in natürlicher Sprache geben und dabei Echtzeitinformationen aus dem Internet berücksichtigen — samt Links zu den Quellen. (OpenAI)
  • Für Google dürften das gute und schlechte Nachrichten zugleich sein. Einerseits gibt es Google die Möglichkeit, gegen die richterlicher Einordnung, es handele sich bei Google um einen Monopolisten, vorzugehen (Tagesschau). Andererseits muss der Internet-Dino aufpassen, dass er nicht von den Kindern der Revolution gefressen wird.
  1. Brasilien: Richter verbietet X: Nach wochenlangem Streit zwischen Elon Musk und brasilianischen Justizbehörden wurde die Social-Media-Plattform X nun am Wochenende zur Überraschung vieler Nutzerïnnen und Beobachterïnnen kurzerhand abgeschaltet. Derzeit ist X in Brasilien nur noch über den ebenfalls von Musk betriebenen Satellitenbetreiber Starlink (oder ein VPN) zu erreichen (heise online). Der oberste Gerichtshof wirft Musk vor, nicht rigoros genug gegen die Verbreitung von Hassrede und Desinformationen vorzugehen. Zudem weigert sich Musk, bestimmte X-Konten zu sperren sowie bereits verhängte Geldstrafen zu zahlen. (The New York Times)
  • Auch in Europa befindet sich Musk derzeit weiter auf Konfrontationskurs (Süddeutsche Zeitung). Viele kluge Köpfe wetten bereits darauf, dass X im kommenden Jahr in Europa seinen Dienst einstellen wird.
  • Threads und Bluesky können sich darüber nur freuen. Threads zählt bereits 200 Millionen monatlich aktive Nutzerïnnen (Meta / Investor Relations), Bluesky verbuchte nach dem X-Verbot in Brasilien auf einen Schlag eine Million neue Accounts (Bluesky).
  1. Telegram: CEO Pavel Durov in Frankreich angeklagt: Nach seiner spektakulären Festnahme befindet sich Durov zwar nicht mehr in Polizeigewahrsam, die Anklage der Staatsanwaltschaft in Paris hat es aber in sich (netzpolitik): Zum einen habe sich Telegram systematisch verweigert, Strafverfolgungsbehörden in Frankreich trotz gerichtlicher Beschlüsse Hilfe bei Ermittlungen zu leisten. Zum anderen helfe Durov laut Anklage mit seiner Plattform bei der Verbreitung von CSAM und Drogenhandel. Der CEO musste eine Kaution von fünf Millionen Euro hinterlegen, darf Frankreich vorerst nicht verlassen und muss sich zweimal wöchentlich auf einer Polizeiwache melden.
  • Für die selbsternannten Free-Speech-Evangelisten ist die Festnahme Durovs natürlich eine Chance, altbekannte Verschwörungsideologien zu bemühen. Wer sich aber mit derart einfachen Erklärungen nicht zufriedengibt und genau verstehen möchte, wie komplex die Lage ist, sollte die aktuelle Episode von Sharp Tech (€) hören. Hintergründe zu Telegram findest du zudem in diesem Deep Dive von uns:
Telegram: undurchsichtig, unterschätzt und gefährlich
Die Hölle friert zu, Telegram sperrt auf Anordnung des BKA Hunderte Kanäle. Was hinter der plötzlichen Kooperationsbereitschaft steckt – und warum das bestenfalls ein kleiner Schritt ist.

Social Media & Politik

  • US-Justizministerium begründet drohendes TikTok-Verbot: Bislang war nicht so richtig klar, mit welchen neuen Erkenntnissen die US-Regierung eigentlich das potenzielle Aus von TikTok begründet. Gerichtsakten zeigen nun ein detaillierteres Bild der Situation. Demnach habe TikTok u.a. US-Nutzerdaten zu sensiblen Themen wie Waffenkontrolle, Abtreibung und Religion gesammelt und diese Informationen den in China ansässigen Mitarbeiterïnnen der Muttergesellschaft, ByteDance, zugänglich gemacht. (New York Times)
TikTok-Verbot: Das ist der Stand, so geht es weiter
Die USA stellen TikTok vor die Wahl: Verkaufen oder verboten werden. Es geht um 170 Millionen Menschen und Dutzende Milliarden Dollar.
  • TikTok droht weiterer juristischer Ärger: Ein Berufungsgericht in Pennsylvania, USA, hat entschieden, dass TikTok wegen des viralen „Blackout-Wettbewerbs“ (Wikipedia), den mehrere Eltern für den Tod ihrer Kinder verantwortlich machten, verklagt werden darf. Bei der „Challenge“ mussten sich die Teilnehmerïnnen mit Gürteln oder Handtaschenbändern würgen, bis sie ohnmächtig wurden. (The Verge)

Follow the money

  • Amazon: Neue Partnerschaft mit TikTok und Pinterest: Die Zusammenarbeit ermöglicht Userïnnen von TikTok und Pinterest, Produkte von Amazon zu kaufen, ohne die App verlassen zu müssen. Mit Meta und Snap gibt es bereits ähnliche Deals. (The Information)
  • Twitch: Bislang nicht profitabel: Vor zehn Jahren hatte Amazon das Livestreaming-Portal für gut eine Milliarde Dollar übernommen. Schwarze Zahlen sind derzeit aber weiterhin nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die App kämpft mit geringem Wachstum, Arbeitnehmerïnnen rechnen mit weiteren Entlassungen. (Wall Street Journal)

Next (AR, VR, KI, Metaverse)

  • Nächstes iPhone kommt vorerst ohne Apple Intelligence auf den Markt. Das KI-Update wird einem Bericht zufolge nicht rechtzeitig fertig und via Update nachgereicht. (Bloomberg)
  • Meta und Snap stellen neue AR-Brillen vor: Zu einem späteren Zeitpunkt in den kommenden Monaten soll es soweit sein. Allerdings weiterhin nicht für den Endverbraucher. Erst einmal erhalten Entwicklerïnnen und Creator die neuen Dinger. (The Verge)
  • Die harte Realität: Bei Meta wird im Bereich AR und VR ordentlich gespart. Das für die Entwicklung von AR/VR-Produkten zuständige Reality Labs muss rund 20 Prozent Kosten einsparen. Damit rückt das Metaverse immer weiter in den Hintergrund. KI ist das Thema der Stunde. (The Information)
  • Apple, Nvidia und Anthropic haben ihre KI-Modelle mit Tausenden YouTube-Videos trainiert — allerdings, ohne sich die Zustimmung der Urheber einzuholen, berichtet Wired in einer spannenden Recherche.

Frische Zahlen

  • ChatGPT freut sich über mehr als 200 Millionen wöchentlich aktive Nutzerïnnen — doppelt so viele wie auf der letzten Entwicklerïnnenkonferenz im November vermeldet. (Axios)

Neue Features bei den Plattformen

Meta

  • RIP Crowdtangle: Jetzt ist es passiert. Crowdtangle wurde eingestellt. (Meta). Nicht ganz uneigennützig stellt Newswhip die „fünf besten Alternativen zu Crowdtangle“ vor.
  • RIP Celebrity Chatbots: Es kam, wie es kommen musste: Die Begeisterung darüber, sich mit einem KI-Chatbot von Charli D’Amelio oder Snoop Dogg zu unterhalten, hielt sich dann doch arg in Grenzen. Und so stellt Meta also die große PR-Nummer „Celebrity Chatbots“ wieder ein (The Verge). Trotzdem scheint das Unternehmen weiter an das Thema KI-Chatbots zu glauben und launcht ein AI Studio, mit dem Instagram-Creator, ob nun berühmt oder nicht, eigene Chatbots bauen können (Meta).
  • RIP Spark: Auch die AR-Plattform Spark wird eingestellt. Sicherlich dem Sparkdruck des Reality Labs zum Opfer gefallen. (Meta)

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