Was ist

In weniger als zwei Wochen wird eine neue US-Präsidentin gewählt. 17 Millionen Amerikanerïnnen haben ihre Stimme schon abgegeben. Kamala Harris und Donald Trump bleiben 12 Tage, um unentschlossene Wählerïnnen für sich zu gewinnen. Fakten spielen auf den letzten Metern kaum noch eine Rolle. Es geht vor allem um Emotionen.

Donald Trump lässt keine Gelegenheit aus, um stets noch größere Lügen zu verbreiten, Wut zu schüren und nahezu uneinlösbare Versprechen abzugeben. Harris versucht gar nicht erst, sich mit Inhalten Gehör zu verschaffen, sie inszeniert sich lieber als Anti-Trump.

Neben den gigantischen Wahlkampfveranstaltungen und dem kräftezehrenden Haustür-Wahlkampf spielen natürlich auch die Medien eine entscheidende Rolle, um Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Dabei sind einige interessante Entwicklungen zu beobachten:

1) Podcasts gewinnen an Bedeutung, um für die eigene Sache zu werben. Donald Trump war laut einer Auswertung von The Information bei mindestens 20 Shows zu Gast, Kamala Harris kommt auf sechs Sendungen.

  • Podcast-Auftritte bringen zwei zentrale Vorteile: Zum einen sehen sich die Präsidentschaftsbewerber keinen all zu kritischen Fragen ausgesetzt. In aller Regel handelt es sich bei den Hosts, bei denen Trump und Harris zu Gast waren, um keine Wadenbeißer, sondern Gastgeberïnnen, die ihren Gästen wohlgesonnen sind. Ob das Logan Paul, Sean Hannity oder Glenn Beck mit Blick auf Trump waren oder Harris Auftritt bei Alex Coopers Podcast „Call her Daddy“ ist. Zum anderen ermöglichen die Auftritte direkte Zugänge zu den Fans der jeweiligen Sendung. Anders als bei journalistischen Angeboten traditioneller Medien gibt es bei Podcasts häufig eine engere Verbindung zwischen Host und Publikum. Dass die Fangemeinde gemeinhin auch empfänglicher dafür sein dürfte, welchen Ideen und Gästen der Host Raum gibt, erklärt sich von selbst.
  • Eine aktuelle Untersuchung von USA Today zeigt, dass eine/r von vier Amerikanerïnnen Harris in einem Podcast gehört hat, bei Trump beläuft sich das Verhältnis auf 1:5. Wenn Donald Trump (und später wohl auch Kamala Harris) bei Joe Rogan im Podcast zu Gast sind, dürften es noch deutlich mehr sein (Politico).

2) TikTok ist voll im Wahlkampfmodus: Anders als von TikTok öffentlich dargestellt, spielt Politik derzeit eine riesige Rolle auf der Plattform. Artikel bei CNN und New York Times zeigen, wie vielfältig die Beiträge sind, die Userïnnen bei TikTok teilen.

  • Da gibt es zum einen die interessante Unterscheidung zwischen offiziellen und „privaten“ Accounts der Kandidaten. Während die offiziellen Kanäle oftmals eher staatstragend und professionell aufbereitet wirken (sollen), suggerieren die „privaten“ Accounts Nähe, Menschlichkeit, Witz und Augenhöhe: tiktok.com/@kamalahq vs. tiktok.com/@kamalaharris.
  • Neben den Accounts der beiden Kandidaten ist TikTok zudem gerade voll mit Videos, in denen für Trump oder Harris getanzt (tiktok.com/@rawlinsness), gesungen (tiktok.com/@jxaexo) oder geprankt (tiktok.com/@nelkboys) wird.
  • Zudem gibt es immer mehr Blogger und Journalistïnnen, die das politische Geschehen bei TikTok kommentieren, einordnen oder veralbern. Dabei ist es auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu erkennen, welchen Hintergrund der jeweilige TikToker mitbringt. Die Grenzen zwischen Journalismus (tiktok.com/@cnn) und Content-Creation (tiktok.com/@itslinklauren) verschwimmen zunehmend.
  • Am lustigsten sind aber einfach die Imitatoren: tiktok.com/@austinnasso :)

3) Meta duckt sich weg: Anders als in den Jahren zuvor scheinen Facebook und Instagram nur eine untergeordnete Rolle beim US-Wahlkampf zu spielen. Metas Strategie, sich immer stärker von politischen und journalistischen Inhalten zu distanzieren, haben wir hier vor wenigen Tagen ausführlich besprochen (SMWB). Aber klappt das auch?

  • Die lächerliche Erzählung, Migrantïnnen würden Haustiere essen, nahm auf Facebook ihren Lauf. Nach den schweren Unwettern in Florida waren die Feeds bei Metas Angeboten voller Falschinformationen. Das Thema „Fake News“ ist so allgegenwärtig, dass die Washington Post eigens ein Quiz zum Thema veröffentlicht hat. CNN zeichnet nach, wie es dazu kommen konnte, dass das Thema Falschinformationen bei dieser US-Wahl seitens der Plattformen so wenig angegangen wird. Mit verheerenden Folgen: Geheimdienste warnen vor Aufrufen zu Gewalt in den sozialen Medien, gesteuert durch russische oder iranische Akteure (Wall Street Journal).

4) X dient nur noch als Megafon von Musk: Ja, Twitter war nie repräsentativ für die Gesellschaft. Wenn es vor wenigen Jahren hieß: So denkt das Netz! Dann meinte das in aller Regel nur: Ein paar Hundert Leute haben über das Thema getwittert. Und gleichwohl diente Twitter den Meinungseliten häufig als Ring, um zu streiten und um die Deutungshoheit zu kämpfen. Diese Auseinandersetzungen finden nicht mehr statt. Dafür hat Musk gesorgt. Einerseits durch die Entlassung von Moderatoren, wodurch sich hasserfüllte Trolle zur digitalen Raumnahme ermutigt sehen. Andererseits durch einen Algorithmus, der Elon Musks Posts stets die meiste Reichweite im For-You-Tab bescherrt (Garbage Day). X ist Musks persönliches, 44 Milliarden Dollar teures Megafon. Ob es aber reicht, immer in das gleiche Horn zu blasen, werden wir in Kürze sehen.

5) Creator im Fokus: Zum ersten Mal überhaupt wurden bei diesem Wahlkampf Creator gezielt dazu eingeladen, bei Wahlkampfveranstaltungen dabei zu sein, bzw. für die Bewerber Stimmung zu machen (The Information). Der große Vorteil in der Zusammenarbeit mit Creator besteht darin, dass analog zu den Podcast-Hosts Creator direkten Zugang zu ihrer Community bieten.

  • Die US-Politik schafft somit bereits das, was in Deutschland derzeit im Zusammenhang mit der AfD „bestaunt“ wird: „Fans und Verbündete aktiv an der Verbreitung überzeugender Kommunikation zu beteiligen, um in einer subjektiv erlebbaren unendlichen Medienumgebung sichtbar zu sein“ (FES).
  • In diesem Zusammenhang stehen auch die Auftritte von Tim Walz (WIRED) und Bernie Sanders (Polygon) bei Twitch.

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