Ausgabe #895 | 10.8.2023
Was ist
Als Threads vor einem Monat startete, blieben Menschen in der EU außen vor. Anfang konnte man tricksen, mittlerweile hat Meta die Schlupflöcher geschlossen. Adam Mosseri sagte damals:
It was either we wait on on the EU, or delay the launch by many, many many months.
Dieses Beispiel zeigt, wie die neuen Digitalgesetze der EU bereits jetzt das Netz verändern. Wir stellen die zentralen Vorhaben kurz vor, werden sie an dieser Stelle aber nicht inhaltlich bewerten, sondern geben nur Leseempfehlungen. Zudem zeigen wir exemplarisch die Folgen, die Regulierung für Nutzerïnnen haben kann – im Guten wie im Schlechten. Davor holen wir aber etwas aus …
Bigger picture
- Regierungen und Parlamente sind zu langsam für Tech-Konzerne. Die disruptive Macht der Plattformen schafft Fakten, während die Politik hinter hechelt. Gesetzgebungsverfahren sind zäh, Lobbygruppen nehmen Einfluss, und wenn die Regulierung am Ende steht, passen die Verordnungen, Richtlinien und Gesetze gar nicht mehr zur Realität.
- Diese abschätzige Sichtweise mag schon immer übertrieben gewesen sein, traf aber lange Zeit zumindest in der Tendenz zu.
- Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Mit Datenschutzgrundverordnung und Urheberrechtsrichtlinie hat die EU versucht, das Wild Wild Web zu zähmen.
- Beide Ansätze hatten und haben ihre Schwachstellen, waren aber auch deutliche Signale: Die Politik möchte im Netz mitreden. Vor allem waren sie nur der Anfang.
- Die USA sind zwar der mit Abstand wichtigste Tech-Standort in der westlichen Welt (der aktuelle KI-Boom dürfte diese Dominanz eher noch verstärken), Gründerinnen haben im Silicon Valley nach wie vor die besten Aussichten auf Risikokapital und den Weg zum Unicorn.
- Doch die EU liegt zumindest in einer Hinsicht vorn: Niemand sonst versucht so eifrig und ernsthaft, die Macht von Big Tech zu beschränken und Rechte der Nutzerïnnen zu stärken.
- Bei einem Hintergrundtreffen in Washington sprach der demokratische US-Senator Chris Coons fast schon bewundernd von den zahlreichen Regulierungsvorhaben der EU und stellte insbesondere den AI Act heraus.
- In den USA werden große Töne gespuckt und immer wieder hochrangige Vertreterïnnen der Tech-Konzerne vor Ausschüssen des Senats öffentlich vorgeführt. Einzelne Abgeordnete bringen Gesetzentwürfe ein, aus denen aber oft mehr Profilierungsdrang als politischer Wille spricht.
- All das ist viel Theater und hat wenig Substanz. Seit Jahrzehnten scheitern Regierungen daran, eine auch nur halbwegs wirksame Datenschutzgesetzgebung auf den Weg zu bringen. Stattdessen arbeitet man sich lieber an TikTok ab.
- Aktuell wird in Washington zwar viel über KI-Regulierung diskutiert, doch ob und was am Ende dabei herauskommt, ist unklar.
- Das ist in Brüssel und Straßburg anders. Dort redet man nicht nur, sondern handelt.
Die wichtigsten Regulierungsvorhaben
Digital Service Act (DSA) / Gesetz für digitale Dienste (#772)
- Der DSA gilt gemeinsam mit dem DMA als eine Art Grundgesetz für das Zeitalter des Plattformkapitalismus.
- Im Wesentlichen geht es darum, die Rechte der Verbraucherinnen im Netz zu stärken und große Online-Plattformen (VLOP für Very Large Online Platform) verantwortlich zu halten.
- Die EU-Verordnung gilt von Februar 2024 an europaweit und löst in Deutschland dann unter anderem das umstrittene NetzDG ab, zudem müssen Telemediengesetz und wohl auch das Jugendschutzgesetz angepasst werden
- Bislang ist aber noch nicht geklärt, wer und wie die Regeln auf nationaler Ebene durchsetzt. Diese Frage ist auch in Deutschland noch offen.
- Zum Weiterlesen: "So kann eine starke, unabhängige Plattformauf…