Bluesky: Endlich ein echter Twitter-Ersatz?

Elon Musk gibt sich seit einem halben Jahr größte Mühe, Twitter zu ruinieren – trotzdem existiert bislang keine Alternative, die richtig Kapital daraus schlägt. Das neue Projekt von Jack Dorsey könnte das ändern.
Danke fürs Teilen

Ausgabe #878 | 2.5.2023

Was ist

Während Musk mal wieder die mehrfach gescheiterte Idee des Einzelverkaufs von Artikeln aufwärmt (Twitter / Elon Musk) und mit Micropayments weder die Medienbranche noch sein siechendes Unternehmen retten wird (Nieman Lab), bekommt Twitter erstmals echte Konkurrenz. Alle* reden über Bluesky, auf Ebay werden Einladungen für Hunderte Dollar angeboten. Wir blicken deshalb auf Mastodons verpasste Chance und erklären, was es mit Bluesky auf sich hat.

(*) "Alle" im Sinne von: unsere überschaubare Blase aus Medienmenschen und Tech-Interessierten.

Warum Mastodon sich nicht durchsetzen konnte

  • In Deutschland ist Mastodon die mit Abstand bekannteste Alternative zu Twitter. Dahinter steckt Eugen Rochko, ein in Russland geborener und später mit seiner Familie nach Deutschland ausgewanderter Software-Entwickler.
  • Aus deutscher Perspektive fühlt sich Mastodon recht lebendig an. Etliche Prominente gaben öffentlichkeitswirksam ihren Twitter-Abschied bekannt und warben dafür, zu Mastodon umzuziehen.
  • Tatsächlich ist die deutsche Community auf Mastodon vergleichsweise groß. In vielen thematischen Nischen findet man dort nützliche Informationen, wertvolle Einschätzungen und angenehmen Austausch. Womöglich liegt es daran, dass Mastodon deutsche Wurzeln hat und hierzulande schon immer bekannter war als im angloamerikanischen Raum.
  • International sieht es leider anders aus. Das Projekt ist Teil des Fediverse und besteht aus Tausenden unabhängigen Servern. Die dezentrale Architektur verkompliziert die Anmeldung und erschwert es, andere Nutzerïnnen zu finden.
  • Allzu komplex ist Mastodon nicht, aber offenbar ist die Hürde für viele Menschen immer noch zu groß, um sich länger damit zu beschäftigen. In den ersten Monaten nach Musks Übernahme meldeten sich Millionen Menschen neu an, mittlerweile gibt es zehn Millionen Accounts (mastodon.social).
  • Das Problem: Die meisten davon sind Karteileichen. Die Zahl der monatlichen aktiven Nutzerïnnen liegt bei rund 1,2 Millionen – rund die Hälfte des Peaks im vergangenen Dezember. Nur ein Bruchteil der Hunderten Millionen Twitter-Nutzerïnnen hat sich bei Mastodon registriert, und ein Großteil davon ist nicht mehr aktiv.
  • Hinter Mastodon steckt ein kleines Team, das kein Risikokapital einsammeln möchte. Auch deshalb hatte das Projekt mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, als sich massenhaft Menschen anmeldeten. Die vergleichsweise überschaubaren Ressourcen hinderten Mastodon zudem daran, neue Funktionen zu entwickeln und sich als Twitter-Alternative zu etablieren.
  • Vielleicht war das auch nie das Ziel. Mastodon muss kein neues Twitter werden, um ein Erfolg zu sein. Ein dezentrales Netzwerk, in dem mehr als eine Million Menschen engagiert und zivilisiert diskutieren, ist großartig – aber höchstens eine Ergänzung zu Twitter und kein Ersatz.
  • Immerhin: Am Montag vereinfachte Mastodon den Anmeldeprozess (Mastodon-Blog). Wer sich neu registrieren möchte, landet standardmäßig auf dem mastodon-social-Server. Menschen müssen also nicht mehr einen Server auswählen – eine Entscheidung, die viele verwirrt und abgeschreckt hatte, wie Rochko eingesteht:

We understand that deciding which Mastodon service provider to kick off your experience with can be confusing.

  • Wir hoffen, dass sich seine Hoffnung erfüllt:

Making the onboarding process as easy as possible helps new users get past the sign-up process and more quickly engage with others. This gives us a far better chance of showcasing what decentralized social networks have to offer instead of having that person bounce and never hearing from them again. We’ve made strides in upgrading our infrastructure and growing our moderation capabilities to hopefully provide a great first experience to everyone who joins.

Welche Twitter-Alternativen es sonst noch gibt

  • Das Gleiche wie für Mastodon gilt für Nostr, Post.news, T2 oder Spoutible (Techdirt): Wir bezweifeln, dass sich eine dieser Plattformen langfristig als ernsthafte Twitter-Konkurrenz etablieren wird.
  • Auch bei Substack Notes sind wir bislang skeptisch (#873). Dank Musk hatte der neue Kurznachrichtendienst seine 15 Minuten Ruhm (#872), nachhaltig erscheint uns das aber nicht. Dafür ist Notes nicht eigenständig genug und zu eng an die Kernfunktionalität von Substack gekoppelt: das Versenden und Abonnieren von Newslettern.
  • Spannend könnte ein neuer Versuch von Meta werden, der unter den Codenamen P92, Project 92 und Barcelona firmiert. Die Existenz des dezentralen N…

Scroll to Top